Wirtschaft

Wasserknappheit: Irgendwo da unten: reines, Jahrtausende altes Wasser | ABC-Z

Es war alles fertig gepackt, die Container auf dem Schiff,
die Wissenschaftler auch, das Wetter war okay – und dann fing das Problem mit dem
Vogel an. Der Bermudasturmvogel galt lange als ausgestorben. Nun zieht er
manchmal vor der Küste Neuenglands wieder seine Runden; wenn er allerdings auf
einer glatten Fläche landet, kommt er von allein nicht wieder gut hoch.

Das, bemerkten US-Behörden plötzlich, müsse verhindert
werden, vorher gebe es für die L/B Robert, einer Art schwimmenden Plattform mit
drei versenkbaren Stahlbeinen, Bohranlage und Hotelservice, keine
Auslaufgenehmigung – und damit auch keinen Start für die Expedition 501 des internationalen Tiefseebohrprogramms.

Die Erlaubnis, trotzdem loszufahren, kostete die Expedition
zwei Wochen und das Versprechen, jeden Tag das gesamte Deck des Schiffs
abzusuchen – auch unter den Containern! – ob da ein Bermudasturmvogel liegt. Als die Erlaubnis kam, konnten
sie den Hafen von Bridgeport verlassen. Zwei Dutzend Wissenschaftler, eine Crew,
ein Bohrteam – und die Reporterin. Seit Mitte Mai sucht Expedition 501 Süßwasser
im Meeresboden vor der Küste Neuenglands.

Jede Bohrprobe wird kuratiert – und in den folgenden Monaten auf dem Festland untersucht. © ECORD/​IODP

Weniger als fünf Prozent des Wassers auf der Welt ist
Süßwasser. Und selbst dies ist teilweise gebunden in Eis, und der
Grundwasserspiegel sinkt weltweit durch Dürre und Verbrauch
. Aber man weiß seit
vielen Jahren durch Messungen, dass es vor manchen Küsten, tief im Meeresboden,
weitere Vorkommen gibt. Oder genauer: geben könnte. Denn gesehen hat dieses
Wasser noch niemand. Keiner weiß, wie alt es ist, wo es herkommt, wie groß die
Vorkommen sind, wie süß es wirklich ist. Denn der Meeresboden ist praktisch unerforscht
– man weiß weniger über ihn als über den Mond.

Der Geophysiker träumt seit 20 Jahren von dieser Expedition

Expedition 501 will das ändern. Im Auftrag von ECORD (European Consortium for Ocean
Research Drilling), einem von mehreren europäischen Regierungen und Kanada
finanzierten Forschungsverbund, bohrt das internationale Wissenschaftlerteam rund drei Monate lang (minus die zwei Sturmvogelwochen) vor der US-Ostküste
nach einem Aquifer, von dem man seit den Sechzigerjahren weiß. Damals suchten die
USA hier nach Öl und Gas, fanden aber nichts – nur Hinweise auf Grundwasser,
erzählt Brandon Dugan. Der Geophysiker der University of Mines in Colorado fand
selbst diesen Hinweis zufällig vor 20 Jahren und träumte seitdem davon, hier zu
forschen. “Das ist mein Herzensprojekt. Ich habe mich 22 Jahre lang mit diesem
Problem beschäftigt. Und jetzt verbringe ich 80 Tage auf See, und jeder
einzelne dieser Tage war einfach eine unglaubliche Erfahrung”, sagt er. “Selbst
wenn wir Probleme hatten, bin ich hier draußen und mache das, was ich seit über
20 Jahren machen wollte. Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen.” Dugan
schläft wenig in diesen Wochen, er will bei so vielem wie möglich dabei sein.

Weil Zeit knapp ist, wird rund um die Uhr gebohrt. Es gilt
ein strammes Schichtsystem, von 0 Uhr bis 12 Uhr, von 12 Uhr bis 24 Uhr, und dann
gibt es noch eine sogenannte Cross-Shift, von 6 bis 18 Uhr. Rund um die Uhr
dröhnen die Generatoren, die die Klimaanlage, den Bohrer und die
Gefrierschränke für die Proben betreiben, bis in den Schlaf. Ohrstöpsel
mitnehmen, hieß es in der Packliste, und sieben Paar Socken, weil man in den
schweren Arbeitsschuhen mit Stahlkappe, die in den Containern Pflicht sind,
einfach schwitzt.

Tag und Nacht zieht die Bohrcrew Sedimentkern für
Sedimentkern aus dem Meeresboden, sie wollen runter bis auf 350 Meter. Sie
fördern zutage: grauen Ton, braunen Ton,
braunen Sand, zwischendurch ein paar Kiesel, die muss ein Gletscher vor 20.000
Jahren mal hierhin geschoben haben. Irgendwo da unten aber ist das Grundwasser.
Sie sind jetzt am dritten Bohrloch, bei den beiden anderen, ein paar Meilen zuvor,
haben sie es schon gefunden, aber das reicht ihnen nicht. Sie wollen wissen,
wie es hier aussieht.

Jeder Bohrkern wird sofort vermessen, beschriftet, beprobt,
in kurzer Zeit wandert er durch mehrere Container und Geräte, es gibt große
Proben, kleine Proben, winzige Proben, denn an Land erwarten Dutzende
Wissenschaftler auch Proben für ihre Analysen. 

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