Was Zuckerberg auf Facebook und Instagram ändern will | ABC-Z
Mark Zuckerberg sagt, er will zurück zu seinen Wurzeln. Damit meint er nicht, dass Facebook wieder zu einer Plattform werden soll, auf der attraktive Kommilitoninnen bewertet werden können, was das ursprüngliche Konzept der Internetplattform war. Stattdessen will er mit Facebook und Instagram für die Freiheit des Ausdrucks und der Meinung eintreten. Das kündigte Zuckerberg in einem Video an, das er am Dienstag über seine Konten auf den Plattformen verbreitete, deren Chef und Gründer er ist.
Im Video spricht Zuckerberg fünf Minuten lang direkt in die Kamera und erklärt geplante Änderungen am Konzept, wie Inhalte auf den Plattformen des Meta-Konzerns zukünftig moderiert werden sollen: generell weniger. Soziale Medien habe er mitgeholfen zu bauen, um Menschen eine Stimme zu verleihen. Aber „in den vergangenen Jahren haben herkömmliche Medien und Regierungen zunehmend Zensur vorangetrieben“, sagt Zuckerberg. Viele dieser Bestrebungen seien eindeutig politischer Natur, wobei es auch Inhalte wie Drogen, Terrorismus und Kindesmissbrauch gebe – alles Inhalte, wegen denen Facebook und Instagram am Pranger standen und stehen – die laut Zuckerberg sehr ernst genommen und moderiert werden müssen.
Auf den Plattformen sei aber ein Maß überschritten, sodass zu viele Beiträge und Konten fälschlicherweise gelöscht und zensiert würden. Deswegen will Zuckerberg sechs Schritte unternehmen, „um die freie Meinungsäußerung wiederherzustellen“.
Als erstes will Zuckerberg Faktenprüfer durch Gemeinschaftsnotizen ersetzen. Im jetzigen Modell überprüfen Partnerorganisationen streitbare Beiträge auf ihre Richtigkeit und markieren oder melden diese gegebenenfalls als falsch. Das Modell habe sich laut Zuckerberg aber nicht bewährt, da die Faktenprüfer wegen ihrer politischen Schlagseite nicht zuverlässig waren und daher Misstrauen unter Nutzern geschürt hätten.
Erst Widersacher, nun Schablone
Stattdessen will Zuckerberg in den kommenden Monaten unter Beiträgen „Community Notes“ zulassen. Das sind von anderen Nutzern verfasste, gut sichtbare Fußnoten unter Beiträgen, die wichtigen Kontext für den eigentlichen Beitrag liefern oder diesen sogar widerlegen sollen. Das System erlangte Bekanntheit, nachdem Elon Musk den Facebook-Konkurrenten Twitter übernommen, in X umbenannt und die Gemeinschaftsnotizen als ultimatives Werkzeug zur Wahrheitsfindung propagiert hatte.
Auch in anderen Belangen scheint Zuckerberg seinem Widersacher Elon Musk – 2023 sprachen die beiden noch darüber, ihre Differenzen mit einem Ringkampfbeizulegen – nachzufolgen. Musk hatte nach seiner Übernahme das Moderationsteam von X stark beschnitten, Regeln zurückgedreht und den Unternehmenssitz vom linksliberalen US-Bundesstaat Kalifornien in das konservativere Texas verlegt.
Zuckerberg spielt diese Melodie nun beinahe Takt für Takt nach. Das Regelwerk für die Moderation von Inhalten soll vereinfacht werden. Als Streichkandidaten sieht Zuckerberg zum Beispiel Regeln für Beiträge zu „Immigration und Gender“, die nicht mehr aktuellen Diskursen in der Mitte der Gesellschaft angemessen seien. Die immer engeren Regeln um diese Themen wären zunehmend dazu benutzt worden, abweichende Meinungen und Gedanken zu ersticken, sagt Zuckerberg. Beide Themen waren im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf für eine große Wählergruppe von zentraler Wichtigkeit.
Stärkere Redefreiheit zum Preis von mehr anstößigen Inhalten
Weiterhin sollen die automatischen Inhaltsfilter auf den Plattformen entschärft und spezialisiert werden. Illegale Inhalte und schwere Regelverstöße sollen verstärkt von ihnen erfasst werden. Geringere Verstöße sollen erst geahndet werden, sobald sie von anderen Nutzern gemeldet werden. Zuckerberg gibt zu, dass dadurch mehr anstößige oder gefährliche Inhalte auf die Plattformen finden könnten. Das Risiko scheint er willens einzugehen, wenn dadurch im Gegenzug weniger Konten zu Unrecht eingeschränkt werden.
Was speziell politische Inhalte angeht, waren diese lange im Algorithmus, der Nutzern Beiträge empfiehlt, benachteiligt. Zuckerberg will nun aber Rückmeldungen nachkommen, denen zufolge solche Inhalte wieder stärker erwünscht sind. „Es fühlt sich an, als sei eine neue Ära angebrochen“, sagt Zuckerberg. Gleichzeitig sollen Gruppen ihren „freundlichen und positiven“ Ton behalten.
Auch geographisch geht Zuckerberg den Weg Musks. Zwar verlegt Zuckerberg nicht gleich den Firmensitz von Kalifornien nach Texas, zumindest aber die amerikanischen Moderationsteams. Dort gebe es weniger Bedenken um die politischen Einstellungen der Mitarbeiter.
Zusammen mit Donald Trump gegen globale Zensur
Diese Maßnahmen gelten zunächst für die Vereinigten Staaten von Amerika. Zuckerberg gibt seinen Ankündigungen allerdings noch eine politische und globale Dimension, indem er mit der Regierung des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump gegen andere Regierungen vorgehen will, die amerikanische Unternehmen und Plattformen zensieren wollen. Zuvorderst nennt Zuckerberg Europa, das mit Gesetzen „Zensur institutionalisiert“ und es schwierig mache, Innovationen zu schaffen – womöglich eine Anspielung auf die weitreichenden EU-Gesetzgebungen zu Künstlicher Intelligenz und digitalen Diensten, weswegen amerikanische Technologieunternehmen gewisse Produkte aus dem EU-Raum heraushalten.
Als nächstes auf Zuckerbergs Liste stehen „Geheimgerichte“ in Lateinamerika, die Plattformen dazu zwingen könnten, still und leise Inhalte zu löschen. Zuletzt nennt er China, die den Gebrauch seiner Plattformen und Apps komplett verbieten. Diesen Widersachern könne er aber nur in Zusammenarbeit mit der US-Regierung entgegentreten, „was es in den vergangenen vier Jahren umso schwieriger machte, wenn sogar die US-Regierung für mehr Zensur eintritt“ – ein wenig kaschierter Gruß an die bald abtretende Regierung des demokratischen Präsidenten Joe Biden. Das Vorgehen der Regierung gegen die Digitalplattformen habe die Regierungen anderer Länder in ihren Vorhaben nur ermuntert, noch härter gegen sie zu arbeiten.
Konservativer Schwenk
Reaktionen auf Facebook auf die Ankündigungen waren gemischt. Einige Nutzer freuten sich über die Änderungen. „Die Öffentlichkeit darüber entscheiden zu lassen, welche Inhalte gemeldet werden sollen, ist eine gute Idee“, schrieb ein Befürworter. Andere beklagten den Verlust der Faktenprüfer, immerhin seien Fakten eben Fakten, „aber offenbar wollen manche Leute ihre eigenen Fakten schaffen“.
Die Ankündigung von Zuckerberg folgt einen Tag auf die Ankündigung, dass der UFC-Chef und Trump-Vertraute Dana White in den Verwaltungsrat von Meta einzieht. Einige Tage zuvor wurde zudem verkündet, dass der bisherige Verantwortliche für politische Angelegenheiten, der Brite und ehemalige liberaldemokratische Politiker Nick Clegg, durch seinen Stellvertreter Joel Kaplan beerbt wird. Kaplan war in der Regierung des republikanischen Präsidenten George W. Bush tätig und ist als Fürsprecher konservativer Stimmen im Meta-Konzern bekannt.