MDR hält Akte zu NS-Verbrecher Josef Mengele geheim | ABC-Z

Es war ein kleiner Sensationsfund: In Argentinien ist eine Polizeiakte über den KZ-Lagerarzt Josef Mengele aufgetaucht, die mehr als 20 Jahre lang verschwunden und deren Inhalt bislang unbekannt war. Der NS-Verbrecher Mengele, der in Auschwitz-Birkenau schlimmste Menschenversuche unternahm, verschwand 1949 nach Südamerika, tauchte in Buenos Aires, in Paraguay, dann in Brasilien unter. Er starb unbehelligt im Jahr 1979.
1959 reiste Mengele nach Deutschland
MDR-Journalisten waren nun in Argentinien. Ein ehemaliger Angehöriger der Sicherheitskräfte hält dort eine 100 Seiten starke Akte in seinem Besitz. Darin enthalten sind Angaben wie Mengeles Tarnname oder Aktivitäten der argentinischen Polizei bei der Suche nach ihm. Auch wird ersichtlich, dass Mengele im Jahr 1959 unter Klarnamen nach Deutschland reiste.
Im MDR-Magazin „exactly“ sagt der ehemalige argentinische Polizist: „Diese Dokumente sind die Akten, die die argentinische Bundespolizei in ihrer Zentrale hatte. Wir waren nicht daran interessiert, dass es jemand hat oder dass es jemand sieht. Doch jetzt denke ich, dass die Geschichte weiter ist und es an die Öffentlichkeit gebracht werden muss, damit die Leute es lesen können. In diesem Fall schadet es niemandem mehr, wenn die Akte ans Licht kommt.“ In Argentinien dürfen die MDR-Journalisten die Akte fotografieren.
Der vom MDR befragte Historiker Bogdan Musial erklärt im MDR-Magazin „exactly“: „Das Interessante ist, dass Argentinien gewusst hat, wo der [Mengele] ist.“ In der Sendung wird dann vom MDR-Journalisten Kritik geübt, einerseits am lethargischen Verhalten deutscher Behörden zu Mengeles Lebzeiten, andererseits auch zur heutigen Aufarbeitung: „Der Auslandsgeheimdienst [BND] hatte mit Unterstützern von Mengele zusammengearbeitet und gibt nur sehr eingeschränkt Akten dazu frei.“
MDR bemüht den Datenschutz
Doch auch der MDR ist zurückhaltend bei der Freigabe von Unterlagen. Im Blog „Archivalia“ des Historikers Klaus Graf heißt es, der MDR denke nicht daran, die von ihm fotografierte Akte über den KZ-Verbrecher Mengele zu veröffentlichen. Dem Fernsehbeitrag könne man entnehmen, dass der Besitzer der Akte nichts dagegen hätte. Das stimmt. Und im „exactly“-Beitrag des MDR heißt es zudem, in anklagendem Ton: „Akten über ihn [Mengele] […] sind weiterhin verschwunden oder werden sogar bis heute von staatlichen Stellen unter Verschluss gehalten.“
Nun hält der MDR die aufgefundene Polizeiakte selbst unter Verschluss. Gegenüber der F.A.Z. erklärt der MDR: „Dies liegt vor allem an den gesetzlichen Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten sowie an weiteren schutzwürdigen Rechten Dritter.“ Gleiches müsste indes auch für staatliche Stellen und deren Aktenfreigaben gelten. Dann dürfte der MDR das nicht kritisieren oder müsste es zumindest in seinem Beitrag mitteilen.
Auf die Frage, warum man staatliche Stellen für Geheimhaltung kritisiert und dann ebenso verfährt, gibt es vom MDR keine inhaltliche Antwort. Der Berliner Rechtsanwalt Christoph Partsch weist gegenüber der F.A.Z. darauf hin, dass ein postmortales Persönlichkeitsrecht nicht vor der Bekanntgabe wahrer Tatsachen schütze. „Die Gründe des MDR, die Unterlagen nicht offenzulegen, überzeugen nicht.“ Der Sender erklärt: „Wir sind weiterhin unter anderem mit dem Historiker Bogdan Musial im Austausch zu einer weiteren möglichen Auswertung der Akte.“