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Was macht ihr Restaurant so Seltenheitswert haben? | ABC-Z

Letztes Jahr wurden Sie bereits zur „besten Köchin Asiens“ ernannt. Was bedeutet es Ihnen, jetzt auch zur „World’s Best Female Chef 2025“ gekürt worden zu sein?

Zunächst einmal habe ich das überhaupt nicht erwartet. Es war eine große Überraschung. Anfangs war es eher ein Schock. Aber jetzt, wo alles etwas sacken konnte, ist es eine große Ehre, und ich habe das Gefühl, dass sich die ganze harte Arbeit gelohnt hat. Dieser Titel bedeutet mir sehr viel. Uns allen! Meinem kleinen Team im „Potong“, mitten in Chinatown im gefühlten Nirgendwo, und vor allem den Frauen in der Küche.

Stimmt es, dass Sie die erste Asiatin sind, die diese Auszeichnung erhält?

Ja, ich war selbst überrascht. Für diesen Teil der Welt ist es eine große Sache, denn bisher wurden mit diesem Preis noch nie asiatische Frauen ausgezeichnet. Wir sind eine Minderheit innerhalb einer Minderheit …

Seither bewerben sich immer mehr Frauen um eine Stelle bei Ihnen …

Ja, 80 Prozent unseres Küchenteams sind Frauen. Aber das liegt nicht daran, dass ich nur Frauen einstelle. Ich glaube, ich ziehe mehr Köchinnen an, weil sie sich mit mir identifizieren können und wohl auch von mir lernen wollen.

Sie waren erst 21 Jahre alt, als Sie bereits einen „Young Chef Award“ erhielten. Aber ursprünglich haben Sie Journalismus studiert. Was hat dazu geführt, dass Sie den Beruf doch noch gewechselt haben?

Während meines Studiums musste ich ein paar Monate lang ein Praktikum in einem Büro machen, was mir aber überhaupt nicht gefallen hat. Das war wie ein Weckruf! Als ich meinen Studiengang wählte, habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Ich war ja noch ein Teenager. Ich habe einfach das gemacht, was meine Freunde gemacht haben. Aber dann habe ich mich gefragt, was ich wirklich will, und die Antwort war: Kochen. Ich liebe das Adrenalin und das schnelle Tempo in der Küche. Wenn ich in der Küche bin, vergeht die Zeit wie im Flug. Es fühlt sich für mich einfach natürlich an. In einem Büro fühle ich mich fehl am Platz. Und auch wenn die Arbeit dort natürlich weit weniger körperlich war, fühlte ich mich dort so, als würde ich ersticken.

Chef Pam vor ihrem Restaurant „Potong“ in Bangkoks ChinatownEPA
Sie haben Ihre Ausbildung zur Köchin unter anderem in New York gemacht und sind anschließend nach Thailand zurück. Wussten Sie schon immer, dass Sie zurückkehren wollten?

Ja, auch wenn ich eine ganze Weile in den USA war, wusste ich immer, dass ich eines Tages zurückkommen und mich in Thailand niederlassen würde.

Was würden Sie sagen, waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg?

Als ich in New York war, fiel es mir sehr schwer, mich an die Kultur anzupassen. In der asiatischen Kultur, vor allem in der thailändischen, sind wir sehr entspannt und sagen keine schlechten Dinge mitten ins Gesicht. Wir konfrontieren einander nicht. In New York waren alle immer sehr direkt. Nicht dass das falsch wäre, aber es ist einfach ein kultureller Unterschied.

Und was hat Ihnen in all den Jahren dabei geholfen, auf Ihre innere Stimme zu hören und Ihren eigenen Weg zu gehen?

Ich denke, eine der schwierigsten Aufgaben für jeden Koch oder Köchin ist es, seinen oder ihren eigenen, einzigartigen Weg zu finden. Einer, der sich für einen selbst richtig anfühlt. Bei manchen kann es nur ein paar Jahre dauern, andere suchen ihr ganzes Leben lang und finden ihn vielleicht trotzdem nicht. Für mich ist es die größte Herausforderung, mein eigenes Gleichgewicht zu finden. Ich wurde im französischen und westlichen Kochstil ausgebildet. Aber als ich nach Thailand zurückkehrte, wollte ich etwas kochen, das für mich und meine Herkunft von Bedeutung ist. Das habe ich gefunden, indem ich mit einem bestimmten Bewusstsein koche. In der Zwischenzeit nutze ich alle Fähigkeiten, die ich während meiner Ausbildung in der ganzen Welt erworben habe.

Das „Potong“ ist ein sehr persönliches Projekt. Das Restaurant befindet sich im Haus Ihrer Familie, das früher einmal eine Apotheke für traditionelle chinesische Medizin war. Was waren Ihre Gedanken hinter dem Konzept?

Jeder Gang muss für mich eine Bedeutung haben. Das kann eine Kindheitserinnerung sein, das Gebäude selbst, unsere Produzenten, die uns beliefern, oder die Frage, ob sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Produkt haben. Das möchte ich unbedingt unterstützen. Kleine Produzenten aus den Dörfern, die zum Beispiel ihre eigenen Kakaobohnen anbauen. Heutzutage schicken mir viele kleine Unternehmen eine Nachricht auf Instagram und versuchen so, ihre Produkte aus jeder Provinz zu verkaufen. Und ich versuche, diese Produkte so oft wie möglich im „Potong“ zu verwenden.

Sie haben auch einen Gang im Menü, in dem Sie eine einzige saisonale thailändische Zutat in den Mittelpunkt stellen, zum Beispiel eine Palmfrucht, und dann alle Teile davon verwenden.

Ja, ich versuche aufzuzeigen, dass selbst die bescheidenste Zutat in mehrere kleine leckere Happen verwandelt werden kann, die so noch nie zuvor jemand zubereitet hat. Das ist eine ziemliche Herausforderung, aber es macht mir Spaß. Die aktuelle Zutat ist schwarzes Huhn, das normalerweise gedünstet wird. Ich mache daraus zum Beispiel Marmelade. Und aus der Brühe, in der es gekocht wurde, mache ich eine Consommé, die ich mit chinesischen Kräutern aufgieße.

Im Menü gibt es auch mehrere Gerichte, die sich auf Street Food beziehen. Warum ist das Ihnen wichtig?

Weil Chinatown die Wiege des Street Food in Thailand ist. Ich persönlich komme abends gern hierher, um Street Food zu essen. Früher hatten wir „Rad Na“ im Menü, jetzt haben wir „Kuay Jab“, eine andere Art von Nudelgericht. Der Name und der Duft des Gerichts erinnern einfach jeden an Chinatown. Ich denke, es ist wichtig, die Gegend und die Gemeinschaft, in der man sich befindet, zu würdigen. Man sollte den Menschen zeigen, dass es in der Umgebung noch mehr gibt als das eigene Restaurant.

Bei Ihrer Art zu kochen spielen Gefühle und Erinnerungen eine große Rolle. Sie haben einmal erwähnt, dass Sie durch ein Buch Ihrer Tochter inspiriert wurden, bei dem es darum geht, alle fünf Sinne zum Lernen und Erinnern zu nutzen. Welche Erfahrung sollen die Gäste nach ihrem Besuch im „Potong“ mitnehmen?

Das Wichtigste, das wir unseren Gästen vermitteln wollen, ist, dass sich das Warten gelohnt hat. Wir haben lange Buchungszeiten, da wir nicht viele Gäste pro Abend bedienen können. Wenn sie ein paar Monate warten, ein Flugticket nach Bangkok buchen und zu uns kommen, um bei uns zu essen, dann wollen wir, dass sie glücklich sind und dass sich ihre Zeit bei uns gelohnt hat. Wir möchten, dass sie sich an ihr Essen hier erinnern, mit ihren Lieben darüber sprechen und uns weiterempfehlen. Mehr wünschen wir uns nicht.

In Ihrer Küche verbinden Sie Ihre thailändisch-chinesische Herkunft mit modernen Kochtechniken. Was treibt Sie an, kontinuierlich neue Ideen zu entwickeln?

Es sind drei Dinge, die mich antreiben. Erstens möchte ich immer wieder die bessere Version meiner selbst sein, neue Techniken entdecken und etwas Einzigartiges und Neues schaffen. Ein weiterer Ansporn sind meine Gäste. Unsere Stammgäste sollen bei jedem Besuch etwas Neues erleben. Und nicht zuletzt ist es mein Team, was mich antreibt. Alle machen jeden Tag das Gleiche, und ich denke, es ist wichtig, dass sie ständig etwas Neues lernen, motiviert sind und etwas Eigenes schaffen. So sind sie Teil des Teams. Es ist wichtig, diese drei Dinge wie ein Dreieck auszubalancieren: Wenn das gelingt, sind alle glücklich – ich selbst, die Gäste und das Team.

Sie schauen auch über den Tellerrand hinaus und haben etwa das Stipendium „WfW– Women for Women“ ins Leben gerufen. Wie kam es zu dieser Idee?

Es gab eine Non-Profit-Organisation, die „Potong“ gebucht hatte. Später fand ich heraus, dass sie eine Spendenaktion für thailändische Studentinnen durchführten. Ich kam mit einer Mitarbeiterin ins Gespräch und erfuhr, dass bereits 6000 Baht (umgerechnet 160 Euro) pro Jahr einer Frau einen Schulabschluss ermöglichen können. Das mag für uns vielleicht nicht viel sein, aber das kann bereits das Leben einer Frau und damit auch das der nächsten Generation verändern. Ich bin davon überzeugt, dass die Ausbildung einer Generation die nächsten drei Generationen beeinflusst. „WfW“ ist eine kleine Initiative, mit der wir jeweils ein Stipendium und ein Praktikum pro Jahr im „Potong“ anbieten. Wir übernehmen die Lebenshaltungskosten und zahlen ein reguläres Gehalt. So wollen wir junge Frauen in dieser Branche unterstützen, selbst wenn sie nicht einmal das Geld haben, um in Bangkok zu leben. In den ländlichen Gebieten Thailands unterstützen Familien die Ausbildung ihrer Kinder, wenn sie können. Wenn sie sich jedoch nur für eines entscheiden können, dann immer für den Sohn.

Wie sehen Sie Ihre Rolle jetzt? Nicht nur als Chefköchin, sondern auch als Mentorin, Führungskraft und Vordenkerin der Branche?

Für mich bleibt alles beim Alten. Wenn ich jedoch mit Kochschülern zusammen bin, sagen sie mir, dass sie stolz darauf sind, dass eine Köchin in ihrem Land an der Spitze steht und sie auf der globalen Bühne repräsentiert. Die meisten, die zu mir kommen, um mit mir zu sprechen, sind Köchinnen. Ich habe also das Gefühl, dass meine Rolle mehr und mehr darin besteht, jüngere Köchinnen zu inspirieren, damit sie ein Ziel für sich selbst haben. Denn ich bin eine ganz normale thailändische Frau mitten aus Chinatown. Wenn ich es schaffe, können sie es auch!

Was für eine Rolle haben Köchinnen und Köche im Allgemeinen heutzutage?

Köchen kommt in vielerlei Hinsicht eine sehr wichtige Rolle zu: Sie sind Führungskräfte eines eigenen Teams, aber auch in einem größeren Zusammenhang. Denn als Koch können wir entscheiden, welche Produkte und Zutaten wir verwenden möchten. Stellen Sie sich vor, alle Köche der Welt würden lokale Produkte verwenden. Das würde eine Menge verändern! Wir spielen also eine sehr wichtige Rolle in Bezug auf Nachhaltigkeit und in gewisser Weise auch bei der Verbesserung der Welt.

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