Was der internationale Austausch bringt | ABC-Z

Millionen Studierende und Wissenschaftler hat er bereits gefördert: der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Zum 100-jährigen Jubiläum steht der Verein vor politischen Herausforderungen.
Fragt man Joybrato Mukherjee nach Herausforderungen in der 100-jährigen Geschichte des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), muss er gar nicht weit zurückgehen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, hat den Grundgedanken, den internationalen Austausch in allen Teilen der Welt zu fördern, auf den Prüfstand gestellt.
“Auf diesen Krieg reagieren wir zum ersten Mal so, dass wir politische institutionelle Kontakte nicht weiter pflegen können“, sagt der DAAD-Präsident, “auch Stipendien von Deutschen nach Russland können wir nicht weiter vergeben, weil das die Sanktionen gegen Russland unterlaufen würde”. Ausnahmen gibt es nur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die eigeninitiativ nach Deutschland kommen möchten.
Bislang drei Millionen Studierende gefördert
Gegründet wurde der DAAD 1925, also vor genau hundert Jahren, von dem renommierten Politikwissenschaftler Carl Joachim Friedrich, der in Heidelberg und Harvard lehrte. Denn er selbst hat vom Austausch profitiert. Als Student der Universität Heidelberg verbrachte er Anfang der 1920er-Jahre auf Einladung einer amerikanischen Studierendenorganisation acht Monate in den USA. Danach gründete er eine Austauschstelle, die später im DAAD aufging. “Ein Student, der in den Staatswissenschaften eingeschrieben war, hat in den USA 13 Stipendien eingeworben vom Institute of International Education“, erzählt Joybrato Mukherjee. Das Institut engagiert sich in den USA für den internationalen Austausch. “Es ist auch heute noch unser wichtigster Partner.”
Rund drei Millionen Studierende und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland hat der DAAD seit seiner Neugründung 1950 gefördert. Denn der Zweite Weltkrieg ist für die Organisation ein dunkles Kapitel. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ordnete sich der DAAD der NS-Ideologie unter. Stipendien wurden nur noch an Studierende vergeben, die “arischer Abstammung“ waren. Nach der NS-Diktatur wurde der DAAD 1945 zunächst aufgelöst und 1950 neu gegründet. Für Joybrato Mukherjee ist diese Zeit eine Mahnung, “sehr genau darauf zu achten, dass wir uns nicht nochmal gleichschalten lassen und dass wir für die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung einstehen und sie auch im internationalen Austausch verteidigen.”
Studierende profitieren von interkulturellen Erfahrungen
Eine der Studierenden, die mit einem DAAD-Stipendium gefördert werden, ist die 22-jährige Fatma Aydin. Sie ist für den Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit an der Hochschule Darmstadt eingeschrieben. Schwerpunkte ihres Studiums sind die Themen Migration und Globalisierung – ein Auslandsaufenthalt gehört für die Studentin zum Pflichtprogramm. Sie hat sich entschieden, nach Malaysia zu gehen, hat dort erst ein Semester Psychologie studiert und macht jetzt ein Praktikum. “Natürlich muss so ein Aufenthalt finanziert werden“, sagt die Studentin, “deshalb habe ich mich für ein DAAD-Stipendien beworben”.
Die finanzielle Unterstützung von 1.200 Euro pro Monat hilft ihr, die Kosten für Unterkunft und Lebenskosten zu stemmen. Dazu kommen eine Reisekostenpauschale und eine Krankenversicherung. Das Studium an der Technischen Universität Malaysia in Johor Bahru sei ganz anders aufgebaut als in Deutschland: “Es gibt hier deutlich mehr Gruppen- und Projektarbeiten. In Deutschland war ich es eher gewohnt, selbstständig zu lernen und mich nur auf Klausuren vorzubereiten“, erzählt Fatma Aydin. Die regelmäßigen Abgaben und Präsentationen erforderten mehr Teamarbeit und eine strukturiertere Organisation des Studienalltags.
Das Praktikum macht Fatma Aydin jetzt in Kuala Lumpur bei einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Geflüchtete und Frauenrechte einsetzt, erzählt sie. Sie bekomme Einblick in Fälle von Menschenhandel und sexueller Gewalt. Drei Tage verbringt sie im Büro, an den anderen Tagen unterrichtet sie geflüchtete Kinder. Im August kommt die 22-Jährige zurück nach Deutschland. Für sie ist die Zeit in Malaysia eine bereichernde Erfahrung: “Ich bin mir sicher, dass ich auch in Zukunft von den interkulturellen Erfahrungen, die ich hier mache, profitieren werde.”
Festakt in Berlin mit Bundespräsident Steinmeier
Doch wie geht der Austausch weiter Zeiten, die von politischen Unruhen geprägt sind? In denen Staaten wie die USA sich abschotten, auf nationale Interessen setzen? DAAD-Präsident Mukherjee ist sich sicher: Der internationale Austausch ist bedeutender denn je: “Wir sind bereit, auch mit herausfordernden Partnern zusammenzuarbeiten, solange es für uns vertretbar und verantwortbar ist.” Denn nur so könne es gelingen, globale Krisen gemeinsam anzugehen und zu bewältigen.
Das 100-jährige Bestehen feiert der DAAD am Abend mit einem großen Festakt in Berlin. Viele Gäste aus dem In- und Ausland werden erwartet, sie kommen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll an der Veranstaltung teilnehmen. Er ist für die Festrede eingeplant.