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Was Badia Ouahi vom Schirn-Café in Frankfurt beim Einkauf in Marokko entdeckt | ABC-Z


Kulinarische Reise

Badia geht einkaufen

Von FRANK LOTTERMANN (Text) und LOTTERMANN UND FUENTES (Fotos)



12. Februar 2025 · Im „Schirn-Café“ in Frankfurt bringt Badia Ouahi ihre ganz eigene Weltküche auf den Tisch. Immer wieder fährt sie nach Marokko, um neue Zutaten, Rezepte und Ideen zu suchen. Wir sind mitgefahren – und haben die Erfahrungen der kulinarischen Reise bei einem Essen probiert.




Badia Ouahi






Ich stelle mir bildlich vor, wie Vanessa, Eleni und Nada am Abflug-Gate am Frankfurter Flughafen stehen und laut „Renn, Habiba, renn!“ rufen. Dabei sehe ich Badia in dicker Daunenjacke den Flugsteig hochrennen. Der Grund: Erst einmal hatte Badia verschlafen und ihr Mann Teimaz sie in aller Eile zum Flughafen gefahren. Dort bemerkte sie am Check-in, dass sie ihren Reisepass vergessen hatte. „Da bin ich in 30 Minuten vom Flughafen ins Nordend und wieder zurück gefahren, um den Pass zu holen“, sagt Teimaz. Badia steht daneben, grinst und sagt mit einem Schulterzucken: „Weißt du, manchmal ist es einfach nicht mein Tag – und das war so einer.“

Jetzt, eine Woche später, sitzen wir alle bei Badia und Teimaz im Wohnzimmer und bekommen wahnsinnig gutes, frisches marokkanisches Essen serviert. 30 Gäste sind geladen: Galeristinnen, Gastronomen, Künstlerinnen, Designer. Und dazu rennt ein Haufen Kinder durch die Gegend. Laut und gemütlich, wie immer, wenn Badia und Teimaz einladen.



Schon die Farben von Marrakesch machen Lust aufs Probieren: Badia kauft für Frankfurt auch Teller und Schüsseln.










Mir gegenüber sitzen die Galeristen Klaus Webelholz, Parisa Kind, Philipp Pflug und der amüsante, politisch unfassbar unkorrekte Michael Neff. Dazu neben mir Philipp Mainzer von e15. Rechts die zwei Künstlerinnen Sonja Yakovleva und Sonja Rychkova, deren Arbeiten ich überaus schätze, und die ich heute endlich persönlich kennenlerne. Wir teilen uns einen Teller marinierte Oliven in Harissa, stecken die Köpfe zusammen und unterhalten uns über die Frankfurter Museums- und Kunstszene.

Eine Köstlichkeit nach der anderen kommt auf den Tisch – alles in neuen, bunten Schalen und Tellern, die Badia in Marrakesch für ihr Restaurant „Badias“ in der Schirn-Kunsthalle gekauft hat. Und alles mit den frischen Gewürzen aus den Souks. Badia erklärt uns die Speisen als mehr oder weniger klassische marokkanische Vorspeisen: Taktouka, ein traditioneller marokkanischer Brotaufstrich aus Tomaten, Paprika, Knoblauch, geröstetem Paprikapulver und Olivenöl; daneben gerösteter Blumenkohl mit Tahini und Sesam sowie Zaalouk, ein marokkanischer Auberginen-Tomaten-Dip mit Kreuzkümmel.

Ich frage Badia: „Hat dir schon einmal jemand den Unterschied zwischen Vorspeisen und Hauptgängen erklärt? Wenn ich das alles probiere, bin ich schon satt!“ Dabei belege ich mir den zweiten Teller Vorspeisen so üppig wie ein All-Inclusive-Tourist auf der Aida. Es ist viel zu gut, um jetzt aufzuhören.



In den Souks bekommt man überall Essen. Das Fleisch wird sofort gegrillt oder gekocht, à la minute, einfach auf den Alu-Teller.






Ich kenne Badia seit mehr als 20 Jahren. Sie ist voller Energie, redet schnell, macht ihr Ding. Heute würde man das Female Empowerment nennen, aber das ist zu kurz gegriffen für Badia. Sie ist Köchin, Unternehmerin, Mutter von drei Jungs und vor allem die warmherzigste Gastgeberin, die man sich wünschen kann.



„Ich habe mich in die Herzen der Frankfurter gekocht.“

BADIA OUAHI



Mit 14 Jahren ist sie aus Marokko nach Deutschland gekommen, hat Deutsch gelernt und die Schule abgeschlossen. Einmal hat sie zu mir gesagt: „Weißt du, Frank, so geht Immigration! Ich habe mich in die Herzen der Frankfurter gekocht.“ Man muss sie einfach lieben.

Ihr neuestes Konzept ist der „Badias Kitchen“-Onlineshop, der eigentliche Grund der Marrakesch-Reise. Denn Badia ist auch Interior Designerin ihres Restaurants. Sie fährt regelmäßig nach Marrakesch, nicht nur, um sich kulinarisch inspirieren zu lassen und frische Gewürze und sonstige Zutaten einzukaufen. Sie kauft dort auch das Geschirr und einen Großteil der Möbel und Leuchten. Und weil viele Gäste sie immer nach all den schönen Dingen fragen, hat sie kurzerhand beschlossen, einen Onlineshop zu starten. So nebenbei.






Nada verhandelt auf den Märkten so gut, dass selbst die Marokkaner überrascht sind.










Später am Abend erzählt mir Eleni, wie meine Frau Nada auf den Souks in Marrakesch gefeilscht hat. Badia sagt nur: „Deine Frau, die ist krass. Ich kann das gar nicht – die hat die in Grund und Boden verhandelt. Ich als Marokkanerin habe mich fast ein bisschen geschämt.“ Dazu ruft Nada aus der Küche: „Ja klar, Badia, musste ich ja auch. Wenn es nach dir gegangen wäre, hätten wir mehr gezahlt als den ursprünglichen Preis.“ Badia schaut mich an, verdreht die Augen. „Glaub denen nicht! Aber sie haben recht.“ Dann folgt ihr typisches Lachen, das so ansteckend ist.



„Deine Frau, die ist krass. Ich kann das gar nicht – die hat die in Grund und Boden verhandelt. Ich als Marokkanerin habe mich fast ein bisschen geschämt.“

BADIA OUAHI



Vanessa sagt mir später, dass es einmal auch schief ging mit den vollmundigen Ich-weiß-wie-man-feilscht-Skills meiner Frau. Da waren sie in einem Souk-Geschäft für Kissenbezüge, eine Stunde lang wurden die passenden Farben zusammengestellt. Als der Verkäufer den Preis nannte, war die Antwort ein professionelles „Waaas?! Nein, niemals, Habibi, das ist viel zu teuer, dann gehen wir!“ Gesagt, getan. Zehn Meter weiter stellten die vier dann leider fest, dass der Verkäufer bei seinem Preis bleiben wollte und ihnen nicht einmal nachgeschaut hatte. Selbstverständlich war es eine Frage des Stolzes, nicht zurückzugehen und nachzuverhandeln. Ich bin erleichtert – an Kissenbezügen mangelt es bei uns zu Hause wirklich nicht.

Am selben Abend, nach teils erfolgreicher Verhandlung über Teegläser, Geschirr, Teppiche, Gewürze, kocht Badia mit der in Marrakesch bekannten Jouhra im Hotel Riad Mena. Badia erzählt, wie aufgeregt sie war, mit einer solchen Ikone zusammenzuarbeiten. „Jouhra war anfänglich so streng mit mir, vor allem weil ich Marokkanerin bin, aber im Ausland lebe. Ich hatte Angst vor ihr, aber dann, als sie merkte, dass sie es besser kann als ich, war sie Zucker. Ich bin ja Autodidaktin, habe mir alles selbst beigebracht. Und da stehe ich mit ihr am Herd und war so aufgeregt, dass ich am liebsten weggerannt wäre.“



Überall in der Stadt gibt es ruhige Oasen: Vom Riad Brummell aus schaut Badia über die Dächer der Stadt. Das Riad Mena wird von Palmen überwölbt.






Badias Konzept bei der Auswahl des Restaurants ist so simpel wie gut: „From bottom to top“. Also: das gleiche Gericht oder Menü in einer Straßenküche, in einem einfachen Lokal und beim Fine Dining zu bestellen, um zu verstehen, wo der Unterschied liegt. Der ist eigentlich ganz einfach: Er liegt in der Qualität der Zutaten. Im weitesten Sinn schmeckt das Essen immer ähnlich, aber die teureren Restaurants mit den besseren Zutaten werden immer feiner. Die Art der Zubereitung dagegen ist dieselbe: mit Hand und vor allem mit Herz. Das habe ich bei Badia gelernt: Es geht immer darum, alles mit dem Herzen zu machen.

Vanessa berichtet, nicht ohne Mitleid, wie sie zugesehen haben, als ein für den Abend benötigtes Huhn im Souk vor ihren Augen geschlachtet wurde. Raus aus dem Käfig, und bevor es einen Mucks machen konnte, war der Kopf ab, und es hing im Eimer zum Ausbluten. Frischer geht nicht, aber es sei schon auch verstörend gewesen. Geschmeckt hat es trotzdem allen.




„Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel die gegessen haben“ – „die“, das sind Badia und Vanessa, behauptet Nada. „Die sind an jedem Essensstand stehengeblieben und haben alles probiert. Selbst eine Kartoffel im Brot mit Käse fanden sie so gut, dass sie beinahe eine weitere Portion bestellt hätten.“ Der Hauptgang kommt: Schwarzfederhuhn mit Sternanis und Honig-Quitten. Eigentlich wollte ich nicht so viel essen, aber alle guten Vorsätze werfe ich jetzt über Bord. Es ist zu lecker.

Dann sitze ich kurz mit Heiner Georgsdorf, seiner Frau Annette und Martin Wenzel zusammen, und wir diskutieren über Maurizio Cattelans „Comedian“. Wobei „diskutieren“ zu viel gesagt ist – wir lachen eigentlich nur über die ganze Aufregung. Witzig, dass man heute noch mit einer Banane als Kunstwerk so provozieren kann.

Die Nachspeise: marokkanische Pfannkuchen mit zerlassener Butter und Honig. Ich hätte mich bei den Vorspeisen besser zusammenreißen sollen. Mit letzter Kraft schleppe ich mich aufs Sofa – es war zu viel. Egal. Badia setzt sich neben mich und fragt: „Hast du eigentlich etwas gegessen?“ Ich schaue sie entgeistert an, und sie lacht wieder. Dieses typische Lachen, das so ansteckend ist.








Von Badia Ouahi bekocht zu werden ist purer Luxus. Man sitzt mit interessanten Personen in ihrem privatem Wohnzimmer zusammen, und man bekommt frische marokkanische Küche im Überfluss serviert. Die selbst marinierten Oliven in Harissa sind ein Traum, der Taktouka-Brotaufstrich harmoniert gut mit dem frisch gebackenen Sauerteigbrot, der Blumenkohl mit Tahini, Sesam und Zaalouk hat den perfekten Biss, und der Hauptgang – ein Schwarzfederhuhn mit einer Sauce aus Sternanis und Honig-Quitten – ist schwer in Worte zu fassen.








Geschirr und Zutaten, eine Woche zuvor in Marrakesch erstanden, runden das Bild ab. Badia ist nicht nur Chefköchin des Frankfurter „Schirn-Cafés“, sondern auch Inhaberin, Geschäftsführerin, Interior Designerin und vor allem eine herzliche Gastgeberin. In ihrer Küche kreiert sie ihre eigene unaufgeregte Weltküche mit marokkanischem Einfluss und viel Herz. Denn, wie Badia sagt: „Mach alles mit deinem Herzen.“












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