Warum Zitronenwassser das perfekte Morgenritual ist | ABC-Z

Sieben Stunden Trockenheit. Der Hals ist kratzig, die Lippen rau. Es ist sieben Uhr morgens und ich weiß: Ich brauche mein Lebenselixier. Warmes Wasser, das alle Beschwerden wegspült. Mit dem Saft einer reifen Zitrone, so sauer, dass sich meine Nase zusammenzieht und es im Bauch kribbelt. Zwei Schlucke, drei, dann spüre ich: Ich bin bereit für den Tag.
Der Drink meines Lebens hat nichts mit Alkohol zu tun, im Gegenteil: Es geht mir um Frische, um das Sich-gut-Fühlen. Ich möchte in dieser Kolumne, in der ja häufig die anregende Wirkung von alkoholischen Getränken beschworen wird, sagen: Das geht auch gesund! Scheut euch nicht vor der warmen Säure am Morgen – gönnt sie euch! Die wenigen Minuten morgens gehören nur mir und meinem Glas Zitronenwasser. Meistens schaue ich dabei einfach aus dem Küchenfenster, jeder Mindfulness-Verfechter wäre begeistert. Der Kastanienbaum blüht (im Frühjahr), und ich höre die Vögel zwitschern, Symbolbild Ruhe vor dem Sturm.
Ich habe schon einiges probiert, um meinen Start in den Tag zu perfektionieren. Wann genau ich damit begonnen habe, weiß ich gar nicht mehr so genau. Kurz vor meinem 30. Geburtstag müsste es gewesen sein – also vor etwa drei Jahren. Tipps dazu gibt es in den sozialen Medien schließlich zuhauf: Meditieren, Yoga oder eine kalte Dusche? Das alles hat seine Vorteile, aber braucht Zeit. Ich wollte eine Routine, die mich nur wenige Sekunden kostet.
Apfelessig habe ich sofort aufgegeben
Mit Apfelessig habe ich angefangen – und nach ein paar Tagen direkt wieder aufgegeben. Die Säure war für meinen Magen einfach zu viel. Dann stieß ich auf mein Wundermittel: die Zitrone. Sie ist zwar auch sauer, aber durch das warme Wasser wohltuend, ja sogar belebend. Lebenselixier meine ich nicht übertrieben!
Ohne wissenschaftliche Evidenz lässt sich allerdings viel behaupten. Und ich habe es ja schon angedeutet, ich möchte mit diesen Zeilen auch Skeptiker überzeugen. Also rufe ich Karsten Müssig an und bin zunächst beruhigt: Der Ernährungsmediziner findet mein Morgenritual grundsätzlich nicht schlecht. Denn Flüssigkeit regt die Verdauung an, der Stoffwechsel kommt in Schwung. Müssig sagt: Im Sommer trinken ohnehin viele Menschen, vor allem ältere, zu wenig – und viele finden Wasser zu fad. „Dann raten wir gerne zu einem Geschmackszusatz. Das kann Zitrone sein, aber auch Gurke oder Minze.“
Zitrone schneidet im Vergleich gar nicht so schlecht ab. Sie enthält zum einen Vitamin C, ein Antioxidans, das hilft, Giftstoffe abzubauen, und gut ist für die Immunabwehr. Zum anderen Elektrolyte, die wichtig für den Körper sind und die wir durchs Schwitzen verlieren. Belegt ist laut Müssig außerdem, dass die Zitronensäure den Magen-Darm-Trakt aktiviert.
So besonders ist die Zitrone leider nicht
Einen allein zitronenspezifischen Vorteil kann er mir aber leider nicht nennen. „Wissenschaftlich wurden die Effekte der Zitrone auf den Körper kaum untersucht“, sagt er stattdessen. Wer schneller satt sein möchte, der kann vor der Mahlzeit ein Glas Zitronenwasser trinken. Aber: Auch geschmackloses Wasser reicht aus, um den Magen zu füllen.

Und, noch ein Dämpfer: Die Säure greift den Zahnschmelz an. „Wer Zitronenwasser trinkt, sollte sich also nicht gleich im Anschluss die Zähne putzen“, sagt Müssig. „Im besten Fall den Mund mit Wasser ausspülen.“ Und grundsätzlich einen Strohhalm nutzen, um Kontakt mit den Zähnen zu vermeiden. Aufpassen sollten außerdem Menschen, die einen empfindlichen Magen haben und beispielsweise an Sodbrennen leiden. Betroffene sollen, so Müssig, den Saft dann einfach niedriger dosieren.
Nicht stärker als 50 Grad erhitzen
Pauschale Ausreden gibt es also nicht, jeder kann das Zitronenwasser zumindest probieren. Aber dennoch muss ich mir vermutlich eingestehen, dass meine Verklärung von Lemon Water doch etwas mit der Verklärung alkoholhaltiger Getränke gemein hat: Mit reiner Vernunft lässt sich das jedenfalls nicht erklären, dass ich so auf Zitrone – und nur auf Zitrone – schwöre.
Vielleicht aber helfen rationale Gründe, um weiter zu überzeugen. Zum Beispiel: Es ist kinderleicht, das Getränk herzustellen. Nur stärker als 40 bis 50 Grad sollte man das Wasser nicht erhitzen, sonst bleibt nichts übrig vom Vitamin C. Im Zweifel lieber warmes bis heißes Wasser aus dem Hahn nehmen.
Und: Kaffee als Morgenritual schließt den zitronigen Genuss nicht aus. Ich appelliere, werbe, rege an: Erst das Glas Wasser mit einem Spritzer Zitrone trinken und im Anschluss – ganz in Ruhe – die Tasse Kaffee genießen. Es wird nicht die Welt verändern, aber glauben Sie mir: Sie tun etwas nur für sich – und wann macht man das schon? Geben Sie sich ein paar Versuchstage, und Sie werden meinen Liebesbrief an dieser Stelle besser verstehen.