Warum Marokko im Westsahara-Konflikt auf Trump setzt | ABC-Z

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Seit Jahrzehnten erhebt Marokko Anspruch auf die Westsahara. Nun hofft Marokko, dass sich nach Frankreich auch die USA auf seine Seite schlagen. Beide Staaten haben dabei andere Konflikte und Mächte im Blick.
Beifallsstürme wie diese schlagen Emmanuel Macron zu Hause in Paris nur noch selten entgegen: Mit stehenden Ovationen bedachten die Abgeordneten des Parlaments in Marokko den französischen Staatspräsidenten, als der im vergangenen Oktober zum Thema Westsahara diese – historischen – Worte sprach: „Für Frankreich fällt die Gegenwart und die Zukunft dieses Gebiets unter die Verantwortung Marokkos.“
Damit sprach Macron für die Weltöffentlichkeit deutlich hörbar genau das laut aus, was seine Gastgeber sich seit langem ersehnen: das klare Bekenntnis, dass Frankreich die Gebietsansprüche Marokkos auf die Westsahara anerkennt. Macrons Worte verschoben das machtpolitische Gewicht in der Region und gaben darüber hinaus dem geopolitisch folgenreichen Konflikt eine völlig neue Wendung.
Sarah Yerkes von der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace wertet Macrons Äußerung so: „Wenn sich sowohl Frankreich als auch die USA und dazu noch Spanien hinter Marokko versammeln, also alle wichtigen Mitspieler in diesem Konflikt, dann ist das bedeutsam.“
Es war Donald Trump, der während seiner ersten Amtszeit im Namen der USA und als erstes Mitglied des UN-Sicherheitsrats die Ansprüche Marokkos auf das rohstoffreiche Territorium an der nordwestafrikanischen Küste anerkannte. Nun ist er zurück im Weißen Haus – und Marokko verbindet damit große Hoffnungen.
Löste in Marokko Begeisterung aus: Frankreichs Präsident Macron (hier 2017 bei einem Staatsbesuch mit Marokkos König Mohammed VI.)
Zwei Nachbarstaaten ringen um die Macht
Seit Jahrzehnten vergiftet der Streit um die Westsahara vor allem die Beziehungen Marokkos zum Nachbar Algerien. Vor 50 Jahren zog die Kolonialmacht Spanien aus dem Gebiet am Atlantik ab. Sodann begann das Ringen um die Kontrolle: Die sogenannte „Polisario“-Front setzt sich für einen unabhängigen Staat Westsahara ein und beherrscht auch einen Teil des Landstrichs. Unterstützt werden die Rebellen von Algerien, dem flächenmäßig größten Land Afrikas.
Algeriens Rivale Marokko hingegen kontrolliert bereits den deutlich größeren Teil der Westsahara und strebt die Eingliederung der gesamten Region in das eigene Staatsgebiet an. 2020 wurde dieser Konflikt um das Wüstengebiet so brisant, dass es zu militärischen Zusammenstößen kam. Die UN-Beobachtermission MINURSO, an der auch die Bundeswehr mit bis zu vier Militärbeobachtern beteiligt ist, soll weitere Kämpfe verhindern.
Karte von Marokko, der Westsahara und Algerien.
Zwei Großkonflikte wirken sich aus
Was in der Westsahara geschieht, ist geostrategisch bedeutsam, nicht zuletzt deshalb, weil die Westsahara mit mindestens zwei weiteren Großkonflikten eng verknüpft ist.
Da ist zum einen der Nahostkonflikt. Trump gab 2020 im letzten Jahr seiner ersten Amtszeit den Ansprüchen Marokkos seinen Segen, weil das Land im Gegenzug Israel als Staat anerkannte.
Zum anderen hat das Werben Frankreichs und der USA um Marokko auch viel mit dem wirtschaftlichen Vordringen Chinas und der militärischen Ausbreitung Russlands in Westafrika zu tun.
Stabilität als Ziel – auch wegen Russland
Der Westen ist auf der Suche nach einem stabilen Partner in einer unruhigen, um nicht zu sagen explosiven Region. Südlich von Marokko, der Westsahara und Algerien, liegt der Sahel mit den von Krisen, Terrorismus und Staatsstreichen heimgesuchten Staaten wie Mali, Niger, Burkina Faso.
Dort vergrößerte Russland seinen Einfluss zuletzt massiv, während sich der Westen auf dem Rückzug befand: „Dadurch, dass im Sahel in den vergangenen Jahren die Instabilität explosionsartig Raum griff, ist es im Interesse aller, dass der Westsahara-Konflikt gelöst wird“, meint Sarah Yerkes im Gespräch mit der ARD.
Aktuellen Berichten zufolge plant Marokko, unterstützt von den USA und Frankreich, in der Westsahara nun den Bau eines Flughafens. Von dort aus sollen mit Drohnen und Jets islamistische Stützpunkte in der Sahelzone bekämpft werden, wie die spanische Zeitung La Razon schreibt. Man wolle verhindern, dass die Region zu einem „neuen Afghanistan“ werde.
Und noch ein sichtbares Zeichen gibt es für die Annäherung des Westens an Marokko: Diese Woche wurde dort in einer feierlichen Zeremonie die Ankunft der ersten sechs in den USA bestellten Apache-Kampfhubschrauber begangen.
Die Kehrtwende in der französischen Haltung indes hat zu einer handfesten Krise in den Beziehungen zur Ex-Kolonie Algerien geführt. Nicht geholfen haben dürfte dabei auch, dass Paris nur wenige Stunden nach der Macron-Rede auf der Internetseite des Außenministeriums die Westsahara auf Landkarten bereits als Teil Marokkos auswies.
Da, wo die Befreiungsfront Polisario herrscht, zeigen sie stolz ihre Waffen. Doch die Lage ist für sie schwieriger geworden.
Algerien ohne Unterstützer
Algeriens Problem: Da auch US-Präsident Trump seine Haltung kaum ändern wird, bleiben kaum mehr bedeutsame Akteure übrig, die den marokkanischen Ansprüchen etwas entgegensetzen: „Ich sehe nicht, dass es realistisch gesehen eine Zukunft für eine unabhängige Westsahara gibt“, unterstreicht Yerkes.
Wie sensibel jede Äußerung zu diesem Thema in der Region aufgenommen wird, erfuhr auch Deutschland vor wenigen Jahren: Weil die Bundesrepublik eine Befassung des UN-Sicherheitsrats mit dem Westsahara-Konflikt forderte, nachdem Trump so eindeutig Stellung bezogen hatte, löste das eine schwere diplomatische Krise mit Marokko aus.
Die ist seit dem Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Rabat im Sommer 2022 bereinigt – auch wenn sich an der deutschen Position seitdem nichts geändert hat.
Wie die meisten EU-Staaten betrachtet Berlin den Status der Westsahara als völkerrechtlich weiterhin ungeklärt. Frankreich, Spanien und die USA hingegen haben sich politisch festgelegt. Und Marokko dürfte alles dafür tun, dass es auf diesem vorgezeichneten Pfad auch kein Zurück mehr gibt.