Warum Frauen noch nicht gleichberechtigt sind | ABC-Z

„Führung geht nicht in Teilzeit“
Männer, die das sagen, verkennen, dass die meisten Menschen, die Teilzeit arbeiten, Frauen mit Kindern sind. Zwei Drittel aller Frauen mit Kindern unter zwölf Jahren arbeiten Teilzeit. Somit sprechen Männer, die diesen Spruch bringen, dem Großteil aller Mütter und vielen Frauen die Befähigung ab, Führungskräfte zu werden. Dabei geht Führung in Teilzeit gut, man sieht es in anderen Ländern. Es ist ein Vorurteil, das sich sehr hartnäckig hält, gerade in westdeutschen Unternehmen.
„Frauen sind zu emotional, um Teams zu führen“
Der Spruch ist sexistisch. Da wird Frauen unterstellt, dass sie generell emotionaler seien als Männer. Eine moderne Variante der hysterischen Frau, die wir im 19. Jahrhundert in der Literatur finden. Eine Variation davon ist, dass Frauen aufgrund ihrer Menstruation an bestimmten Tagen des Monats unzurechnungsfähig seien. Also dieser ganze Komplex, dass Frauen aufgrund ihrer Biologie nicht so gut als Entscheiderinnen tätig sein könnten wie Männer. Aber das Gegenteil ist der Fall: Männer treffen sehr viele emotionsgetriebene Entscheidungen, nur sind die gesellschaftlich anerkannter. Wenn Männer in hohen Führungspositionen riesige Risiken eingehen und Milliarden in irrsinnigen Deals verbrennen, wird das als visionär oder mutig bezeichnet. Tut das eine Frau, ist es verantwortungslos. Und wenn man sich Kriminalstatistiken anschaut: Wer begeht Totschlag, wer fährt Straßenrennen, wer kloppt sich in Bars, wer ist für Körperverletzung verantwortlich? Alles hochemotional, zumeist begangen von Männern.
„Ich habe fast nur Frauen im Team und fördere diese schon“
Es gibt Männer, die das schon ganz gut machen. In der Regel ist dieser Spruch aber eher ein Alibi, das Männer nutzen, um sich aus der weiteren Verantwortung zu stehlen. Das Problem dabei ist, dass wir Männer, selbst die aufgeklärtesten unter uns, nie aufhören dürfen zu lernen und zu wachsen. Ich kenne keinen einzigen Mann, der nicht ab und zu einen komischen Spruch bringt, sich selbst überschätzt oder Frauen unterschätzt. Das Problem ist, dass diese Männer das Gefühl haben, ihre Arbeit sei erledigt. Das ist aber nicht so. Der Weg eines Verbündeten hört nie auf, solange wir es mit strukturellem Sexismus zu tun haben.
„Dann brauchen wir aber auch eine Quote für Frauen bei der Müllabfuhr“
Männer übersehen die Größe, Aggressivität und Omnipräsenz von strukturellem Sexismus. Sich da so ein Beispiel rauszusuchen und damit zu argumentieren, dass die gesamte Gleichstellungsbewegung unfair sei, ist eine völlige Verzerrung der Debatte. Weil Frauen unabhängig von ihrem Job in jedem gesellschaftlichen Bereich mit struktureller, teilweise auch physischer Gewalt zu tun haben. Es gibt einen Größenunterschied bei der Frage, wie benachteiligt Männer und wie benachteiligt Frauen sind. Die Nachteile, die Männer haben, sind real, aber lange nicht so massiv, nicht so omnipräsent und schädigend wie die, mit denen sich Frauen tagtäglich auseinandersetzen müssen.

„Wir brauchen mittlerweile Männer- statt Frauenförderung“
Wir haben eine Zeit lang Trainings in einer großen Bank durchgeführt und immer wieder zu hören bekommen: „Bei uns wird man nicht mehr befördert als Mann, nur noch Frauen werden befördert.“ Also haben wir uns von der Personalabteilung die Zahlen raussuchen lassen. Und es stellte sich heraus: Es wurden weiterhin mehr Männer als Frauen befördert. Die Wahrnehmung der Männer war nicht deckungsgleich mit der Realität im Unternehmen. Und das sehen wir sehr häufig, dass das Gefühl der Benachteiligung deutlich größer ist als die tatsächliche Benachteiligung, die Männer im Unternehmen erleben.
„Wir haben doch unsere Gleichstellungsbeauftragte“
Diesen Spruch bringen Männer in Führungspositionen sehr häufig. Sie vermeiden damit, sich selbst verantwortlich zu fühlen. Dabei ist es so wichtig, dass Männer in Führungspositionen das Thema selbst setzen und nicht nur Frauen dafür verantwortlich machen. Weil sie damit Männern in niedrigeren Positionen zeigen: Geschlechtergerechtigkeit geht auch uns Männer an, gerade uns Männer in Führung. Das hat einen tollen Effekt auf viele jüngere Männer. Solange Männer die Lösung an Frauen delegieren, ist das eine riesige verpasste Chance. Der Kulturwandel wird nicht klappen, solange nur Frauen für dieses Thema verantwortlich sind und Männer sich raushalten.

„Wir sollten nach Kompetenzen entscheiden und nicht nach Geschlecht“
Das ist einer der häufigsten Sprüche. Der Großteil der Männer geht davon aus, dass das aktuelle Wirtschaftssystem fair sei. Und dass sie heute schon objektiv messen und bewerten, wer die höchste Kompetenz mitbringt. Aber das ist nicht der Fall. In den meisten Firmen sehen wir, dass Männer deutlich häufiger befördert werden als Frauen, auch wenn sie nicht besser qualifiziert sind als Frauen. Männer unterschätzen alle möglichen Wahrnehmungsverzerrungen, die dazu führen, dass Frauen anders bewertet werden, obwohl sie die gleiche Qualifikation mitbringen. Dazu gibt es ungezählte wissenschaftliche Untersuchungen, zum Beispiel die mit den Lebensläufen ohne Foto, wo nur der weibliche Vorname zu einem männlichen geändert wird und dann die Männer viel öfter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden. Das heißt, wenn Männer diesen Spruch sagen, verstehen sie eigentlich dieses ganze System nicht, in dem Frauen weniger Potential zugeschrieben wird als Männern.
„Wenn Frauen sich so anziehen, wollen sie ja auch die Aufmerksamkeit“
Das ist eine Form von blaming the victim und wird häufig angewandt, wenn eine Frau einen sexuellen Übergriff erlebt hat. Die Verantwortung wird der Frau zugeschoben und nicht den Tätern, die in aller Regel Männer sind. Das ist ein perfides Spiel, das leider zu viele Männer und auch Frauen akzeptieren. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Da ist diese Studentin, die eine Prüfung hat bei einem männlichen Professor, und es ist bekannt, dass dieser männliche Professor bessere Noten verteilt, wenn sich die Studentinnen in der Prüfung etwas freizügiger anziehen. Was soll sie tun? Sich freizügig anziehen, die bessere Note kriegen? Und damit dieses sexistische System legitimieren? Oder mit der schlechteren Note leben? Also in jedem Fall hat die Frau das Gefühl, nur verlieren zu können.
„Frauen sind doch schon gleichberechtigt“
Wo sollen wir da anfangen? Erstens der Punkt Sorgearbeit. Frauen machen in Deutschland drei Viertel aller Sorgearbeit, also Haushalt, Kinder, Einkauf, Pflege und emotionale Arbeit. Ich kenne viele Paare, die sich für feministisch halten. Dann kommt das erste Kind, und sofort ist man in den alten Rollenmodellen drin. Das heißt, selbst fortschrittlichste Männer tappen oft in diese Sorgearbeitsfalle. Dann der Punkt sexuelle oder physische Übergriffe. Fast jeden zweiten Tag bringt ein Ex-Partner oder ein Partner seine Freundin oder Frau ums Leben, es gibt nichts Vergleichbares auf der männlichen Seite. Und der dritte Punkt: Wie werden Frauen in Sprache, in Medien, in kulturellen Bildern dargestellt? Da kann man nicht von Gleichberechtigung sprechen. Frauen werden seltener berücksichtigt, das ist eine gut dokumentierte Ungleichbehandlung von Frauen und Männern.