Warum Facebook und Instagram Faktenprüfer abschaffen | ABC-Z
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Der Mutterkonzern von Facebook und Instagram will seinen Umgang mit Falschmeldungen grundlegend ändern. Wie soll das neue Modell funktionieren? Und wie hängt die Kehrtwende mit dem Machtwechsel in Washington zusammen?
Von Michael Ertl und Detlev Landmesser, tagesschau.de
Der Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl hat beim Internetkonzern Meta eine politische Neuorientierung ausgelöst. Konzernchef Mark Zuckerberg nennt die Wahl einen “kulturellen Wendepunkt”. Mit der Abschaffung externer Faktenprüfer in den USA will das Unternehmen nach jahrelanger Kritik der Republikaner das Blatt wenden. Ein Überblick.
Wie funktionieren die Faktenchecks bisher?
Meta betreibt unter anderem die Social-Media-Netzwerke Facebook, Instagram und Threads. Dem Unternehmen wurde in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, die Verbreitung von Fake News auf seinen Plattformen – zum Beispiel während Wahlen in den USA und Europa – nicht effektiv zu unterbinden.
Daraufhin startete Meta eine Kooperation mit unabhängigen Faktenprüfern, die gegen Bezahlung in unterschiedlichen Ländern und verschiedenen Sprachen mögliche Falschmeldungen untersuchen. Wird eine Nachricht als nicht wahr eingestuft, führt das zu Warnhinweisen für die jeweiligen Posts oder zu einer eingeschränkten Verbreitung. Außerdem nutzen die Plattformen Filter, um Inhalte mit Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen automatisch zu verhindern.
Was ändert sich?
Meta-Chef Zuckerberg hat einschneidende Änderungen des bisherigen Moderationsmodells angekündigt. In den USA stellt der Konzern die Zusammenarbeit mit den unabhängigen Faktenprüfern ein. Ersetzt werden sollen diese durch sogenannte Community Notes. Dabei sollen Nutzer die Möglichkeit erhalten, falsche oder irreführende Aussagen als solche zu kennzeichnen und einordnenden Kontext hinzuzufügen, erklärte Zuckerberg.
Ein ähnliches System gibt es bereits auf Elon Musks X (ehemals Twitter), einem Konkurrenten von Meta. “Die Faktenprüfer waren einfach zu politisch voreingenommen und haben mehr Vertrauen zerstört, als sie geschaffen haben, vor allem in den USA”, sagte Zuckerberg in seiner Ankündigung.
Außerdem sollen Filter nur noch für illegale und schwerwiegende Verstöße verwendet werden. Bei geringfügigen Verstößen wird laut Zuckerberg künftig nicht mehr automatisch, sondern erst nach Nutzerbeschwerden geprüft, ob ein Inhalt gegen die Richtlinien verstößt. Die Hürde für das Löschen eines Posts wird so angehoben.
Zusätzlich wolle Meta politische und gesellschaftliche Themen, die in den letzten Jahren auf den Plattformen weniger prominent angezeigt wurden, wieder stärker in den Fokus rücken. Zuckerberg nannte dabei die Themen Migration und Geschlechterfragen. In diesen Bereichen wolle er bisherige Beschränkungen aufheben, weil sie “nicht mehr im Einklang mit der öffentlichen Meinung” stünden.
Wie begründet Zuckerberg die Änderungen?
Zuckerberg sagte, die Plattformen hätten versucht, Sorgen über die Verbreitung von Falschinformationen im Netz nach Trumps erstem Wahlsieg 2016 anzugehen, “ohne uns zu Schiedsrichtern der Wahrheit aufzuschwingen”. Dies habe zur Entwicklung von Systemen geführt, die zu viele Fehler machten und zu viel Zensur verursachten. “Selbst wenn sie nur einen Prozent der Beiträge versehentlich zensieren, betrifft das Millionen von Menschen”, so der Facebook-Gründer.
Er räumte ein, dass es mit dem neuen Ansatz “mehr schlechte Dinge” auf den Plattformen geben werde. Dafür werde man aber weniger Fehler mit übertriebener Moderation machen. Auf diese Weise wolle man “zu den Wurzeln der freien Meinungsäußerung auf Facebook und Instagram zurückkehren”.
Was werfen die Republikaner Meta vor?
Besonders aus dem Lager der Republikaner wird Meta seit Jahren vorgeworfen, die Plattformen würden konservative Meinungen zensieren. Der künftige US-Präsident Trump hatte Facebook im Wahlkampf unter anderem als “Feind des Volkes” bezeichnet. Zuckerberg würde den Rest des Lebens im Gefängnis verbringen, wenn man zu dem Schluss komme, dass Meta in den Wahlkampf eingreife, so Trump.
Nach der Erstürmung des Kapitols in Washington am 6. Januar 2021 durch Trump-Anhänger hatte Facebook Trumps Konto gesperrt, dieses Anfang 2023 allerdings wiederhergestellt. Trump betreibt inzwischen auch seine eigene Plattform Truth Social.
Wie bereitet sich Meta sonst auf den Machtwechsel in Washington vor?
Neben den Änderungen im Umgang mit Falschmeldungen hat Zuckerberg sich mit einer Reihe von Maßnahmen darum bemüht, sein Verhältnis zum künftigen US-Präsidenten zu verbessern. Unter anderem spendete er – wie auch andere Tech-Konzerne – eine Million Dollar für Trumps Vereidigungszeremonie am 20. Januar in Washington. Ende November traf er sich mit Trump zum Abendessen in dessen Privatanwesen in Florida.
In einer weiteren Geste in Richtung Trump machte Zuckerberg in der vergangenen Woche den Republikaner Joel Kaplan zum neuen Politikchef bei Meta. Zuvor hatte dieses Amt der liberale Politiker und ehemalige Vizepremier Großbritanniens, Nick Clegg, inne. Zuckerberg berief heute zudem den Chef des Ultimate-Fighting-Kampfsportverbands, Dana White, in den Meta-Vorstand. White gilt als enger Verbündeter Trumps.
Was könnte Zuckerbergs geschäftliches Kalkül sein?
Werden wie von Zuckerberg angekündigt “dramatisch” weniger Inhalte aus Metas Plattformen herausgefiltert, verspricht dies eine Zunahme des Contents und mehr Aufmerksamkeit für die Inhalte – gerade wenn diese besonders umstritten sind. Damit winken dem Konzern tendenziell höhere Umsätze bei der Verwertung der zusätzlichen Interaktionen, insbesondere über Werbeanzeigen. Die geplanten Vereinfachungen dürften zudem die Inhaltsmoderation insgesamt kostengünstiger machen.
Diese direkten wirtschaftlichen Effekte werden aber wohl überschaubar bleiben. Zuckerberg dürfte bei seiner Kehrtwende vielmehr das wirtschaftliche Gesamtrisiko des Konzerns während der neuen Trump-Amtszeit im Blick haben.
Insbesondere das regulatorische Umfeld stellt für den Social-Media-Konzern angesichts seiner gewaltigen Marktmacht ein Existenzrisiko dar. Ihm drohen wettbewerbsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Zerschlagung. Eine dem Konzern wohlwollender gegenüberstehende Regierung wird weniger geneigt sein, gegen diese Marktmacht vorzugehen.
Wie steht Meta wirtschaftlich da?
Wirtschaftlich steht Meta zurzeit glänzend da. Gemessen an den Seitenabrufen bleibt Facebook trotz stagnierender Nutzerzahlen der weltweite Marktführer unter den Social-Media-Plattformen. Im Dezember 2024 betrug der Marktanteil 63,9 Prozent. Mit weitem Abstand folgte Instagram mit einem Anteil von 13 Prozent – ebenfalls Teil des Meta-Konzerns.
Im dritten Quartal 2024 steigerte der Konzern seinen Umsatz im Jahresvergleich um 18,9 Prozent auf 40,6 Milliarden Dollar. Der Gewinn stieg um mehr als ein Drittel auf 15,7 Milliarden Dollar. Laut Meta nutzten im dritten Quartal 3,29 Milliarden Menschen täglich mindestens eines der Kernprodukte des Unternehmens (Facebook, WhatsApp, Instagram oder Messenger).
Gleichzeitig investiert der Konzern massiv in generative KI sowie virtuelle und erweiterte Realität. Während diese Zukunftsbereiche aktuell noch Milliarden verschlingen, sehen Analysten hier weitere geschäftliche Potenziale.
Was bedeuten die Änderungen für den Rest der Welt?
Die Abschaffung unabhängiger Faktenprüfer gilt zunächst nur für die USA. Für Deutschland und andere Länder gibt es laut dem Konzern keine unmittelbaren Pläne dafür. Ähnliche Änderungen in der EU könnten Meta auf Konfrontationskurs mit dem europäischen Digitalgesetz Digital Services Act bringen. Dieses sieht strengere Regeln für Falschinformationen und Hassrede auf Online-Plattformen vor, als das in den USA der Fall ist.
Zuckerberg kritisierte in seiner Ankündigung die Europäische Union, in der eine ständig wachsende Zahl von Gesetzen erlassen würde, “welche die Zensur institutionalisieren und es schwierig machen, dort etwas Innovatives aufzubauen”. Meta plane, gemeinsam mit Trump gegen Regierungen weltweit vorzugehen, “die amerikanischen Unternehmen angreifen und darauf drängen, mehr zu zensieren” – auch in Europa.
Was fallen die Reaktionen auf die Entscheidung von Meta aus?
Bundesdigitalminister Volker Wissing (parteilos) sagte am Rande der Technikmesse CES in Las Vegas, er vertraue und setze darauf, dass die EU-Kommission sich das Vorgehen von Meta “genau anschaut, es streng prüft und gegebenenfalls die notwendigen Maßnahmen einleitet”.
Die EU-Kommission warnte Meta davor, das Faktencheck-Programm auch in der Europäischen Union zu beenden. Thomas Regnier, Sprecher der Kommission im Bereich Digitales, sagte dem MDR, dass das Gesetz über digitale Dienste unter anderem vorsehe, dass die Plattformen systemische Risiken wie “Desinformation oder negative Auswirkungen auf den zivilgesellschaftlichen Diskurs” minderten. Sollte Meta auch in der EU nicht mehr mit unabhängigen Faktenprüfern zusammenarbeiten, müsse die Plattform im Sinne des Gesetzes “eine eigene Risikobewertung durchführen und der Kommission einen Bericht vorlegen”.
Der Kommissionssprecher führte weiter aus: “Falls sich die Plattform dann nicht an das Gesetz über digitale Dienste halten sollte, könnten wir tatsächlich auch eine Geldstrafe erlassen, die bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes einer solchen Plattform mit sich ziehen könnte.”
Der designierte US-Präsident Trump sieht Metas Kurswechsel auch als seinen Verdienst. Auf die Frage, ob er glaube, dass Zuckerberg direkt auf die Drohungen reagiert habe, sagte er bei einer Pressekonferenz: “Wahrscheinlich.”