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Warum es richtig ist, dass Jan Böhmermann diesen rechten YouTuber enthüllt hat | ABC-Z

D ie Front der nicht öffentlichen Öffentlichkeit ist sensibel. Sie bildet in der vorpolitischen Digitalität den radikalen Resonanzraum für „alternative Meinungen“, die dann schnell zu „politischen Wahrheiten“ werden. Erfährt diese Front jedoch Kritik und Gegenwehr, beklagt sie schnell eine Political Correctness oder bejammert ein Doxing. Der rechte YouTuber des Kanals „Clownswelt“ ist nach seinem Outing nun ihr neues Opfer der angeblichen Meinungsdiktatur.

Seit fast vier Jahren ist Marc-Philipp über den Kanal „Clownswelt“ und „KetzerKirche“ auf Youtube online. Längst ist er einer der reichweitenstärksten YouTube-Blogger für die AfD. Stand: Montagmittag, „300.000 Abonnenten“. 2021 startet der gescheiterte Lehramtsstudent seine Online-Karriere mit einem Clowns-Avatar. Feiert online mögliche hohe Abschiebungen und warnt vor Hormonen im Wasser, die Männer homosexuell werden lassen.

Tschüss Anonymität

All das jedoch tat der Blogger, wohnhaft in einem kleinen Ort in Nordrhein-Westfalen, bisher anonym. Bis zum vergangenen Freitag, als Jan Böhmermann in der Show „ZDF Magazin Royale“ die gemeinsamen Recherchen mit der Zeit präsentierte. Dort nennen sie nicht nur Vorname, Berufsweg und Wohnort des Gitarristen, sie belegen auch seine Relevanz in der digitalen Schlachtreihe für den diskursiven Kampf zur Akzeptanzgewinnung für die AfD.

Mit emotionalem Content wird Hass und Hetze forciert. Gern ironisch, gern witzig – und doch wissen die Influencer genau, was sie tun

Denn der vermeintliche „Clownie“ ist hochpolitisch. Er beschimpfte schon Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Kriegstreiber, griff Ricarda Lang (Grüne) wegen ihres Körpers an und beleidigte Greta Thunberg von Fridays for Future als „zurückgeblieben“. Der bemühte Clou: alles gekleidet in Ironie und geschützt von der Meinungsfreiheit. So schreibt er auf seinem Youtube-Kanal, dass die „Beleidigungen“ der „satirischen Kunstfigur (…) grundlegend nicht ernst gemeint“ seien.

Kampfplatz der AfD

Die AfD nutzt schon lange diesen Kampfplatz, um Geneigte zu gewinnen. Die ihr nahe stehenden, extrem rechten Netzwerke „Ein Prozent“ oder „Kanal Schnellroda“ rund um Philip Stein und Götz Kubitscheks flankieren die Schlachtlinie.

Mitten im Diskursgetümmel auch verschiedene rechtsextreme Influencerinnen: Charlotte Corday bzw. Hörig oder Anna Leiste. Nicht immer prangt das Logo der AfD oder eines rechten Netzwerkes auf dem Blog oder den Instagram-Accounts. Die Userin soll doch nicht gleich durch klare politische Intentionen verschreckt, sondern erst mal mit „unpolitischen“ Motive angesprochen werden.

Und so entsteht ein Diskursraum, in dem die Wege kurz sind und die Meinungen sich überschneiden. Mit emotionalem Content werden dabei Hass und Hetze forciert. Gern vermeintlich ironisch, gern bemüht witzig – und doch wissen die Influencer genau, was sie tun. Sie spielen der selbsternannten Alternative zu. Und so bedient sich auch der rechtsextreme thüringische AfD-Landtagsfraktions- und Landesvorsitzende, Björn Höcke, bei „Clownswelt“ als Quelle.

Anonymität nimmt rechte Kräfte stillschweigend hin

Diese digitale Guerilla, die die breite Öffentlichkeit sucht und beeinflussen will, sollte in ihrer Radikalität und Relevanz nicht relativiert werden. Marc-Philipp spricht von sich selbst sogar als „politisches Vorfeld“. Leute wie ihn in der Anonymität zu lassen, nimmt ihre menschenverachtende Agitation und die Normalisierung der AfD und anderer rechter Kräfte stillschweigend hin.

Nicht jede oder jeder, der oder die sich in sozialen Medien schon einmal über „Gutmenschen“ und „68er“ negativ geäußert oder Homofeindliches oder Rassistisches von sich gegeben hat, muss gleich gänzlich geoutet werden. Die Reichweite und die Wiederholung sind das Kriterium.

Böhmermann hat die Kritik an der Kritik schon kommentiert: Wer im Internet mit einer so großen Öffentlichkeit „die ‚Wahrheit‘ sagt, der kann doch auch sein Gesicht zeigen“. Vermeintlich alternativ sei die rechte Position auch nicht mehr bei dem großen Zuspruch im „gesellschaftlichen Mainstream“.

Die Kritik an dem Outing verkennt, dass ein demokratischer Diskurs auch die politische Verantwortungsübernahme für die eigenen Positionen braucht. Ein Nein zum Outing bejaht so viel mehr eine intransparente Debatte. Bei Themen dieser gesellschaftlichen Dimension ist das nichts weniger als eine Täter*innen-Opfer-Umkehr. Die angeblich ironisch Markierten erscheinen gar als verbitterte Spaßbremsen. Sie können einfach nicht mitlachen, wenn, ach so witzig, gespaßt wird, sie zu „remigrieren“ oder zu eliminieren.

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