Warum ein Steuerberaterbesser ist als der liebe Gott | ABC-Z
Berlin. Kolumnist Dieter Puhl über Dinge, die seinen Nachtschlaf stören – und eine glückliche Fügung im Leben.
Das Finanzamt gehört nicht zu meinem Freundeskreis, die Kommunikation mit ihm macht einfach keinen Spaß. Es ist aber auch nicht gut, Sachen einfach liegen zu lassen, die Augen zu verschließen. Warum ich es mir im Leben leider manchmal unnötig schwer mache.
Es fängt manchmal bereits mit dem Einschlafen an. Grundsätzlich habe ich damit keine Probleme, fragen Sie meine Freundin, manchmal beklagt sie sich liebevoll darüber, dass ich abends während einer Unterhaltung sogar mitten im Satz einschlafen kann. Verdrängen kann ich auch ganz gut und Dinge, die mich belasten, kann ich prima an die Seite legen. Meist. Meist ist aber nicht immer und dann wälze ich mich von einer Seite auf die andere, der Schweiß steht mir auf der Stirn und manchmal greife ich zum letzten Mittel, um dann doch noch in den Schlaf zu kommen.
„Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen“, wir alle kennen das Sprichwort. Ist meins nicht gut, hilft Markus Lanz zur Not. Nicht dass ich etwas gegen sein Talkformat habe, seine Stimme wirkt einfach sehr beruhigend auf mich. Und nachts aufzuwachen, weil mich etwas drückt und sei es eine Leiche im Keller, ich kenne auch das zur Genüge. Dann durch die Wohnung zu tigern, eine Tasse Kaffee zu machen, um danach noch schwerer wieder in den Schlaf zu finden, auch das ist mir nicht fremd. Eine Flasche Bier sollte helfen, ich habe es ausprobiert, es schmeckte aber nicht morgens um drei und danach musste ich sogar noch ständig auf die Toilette.
Stets erledigte ich alles auf den letzten Drücker
Anderen bei ihren Angelegenheiten ganz gut helfen zu können, beruflich oder privat – und dabei seine eigenen Dinge zu vernachlässigen: Ich kenne da noch ein paar andere Kandidatinnen und Kandidaten. Bei mir fing das bereits in der Schule an, stets erledigte ich alles auf den letzten Drücker. Vermeintlich Unangenehmes wurde verschoben und verschoben, manchmal bis der Adrenalinspiegel schließlich ins Unermessliche stieg. Irgendwie klappte es dann meist doch noch, wenn auch auf den letzten Drücker. Immerhin, Schule und Studium habe ich geschafft.
Springt der Zeiger der Uhr aber genau auf eine Minute vor zwölf, bitte glauben Sie mir, ich werde dann sehr wach. Vermutlich ist das übrigens ein Punkt, der mich die letzten 40 Jahre von den Menschen unterschied, mit denen ich es beruflich zu tun hatte: Mit Respekt, viele ließen manchmal leider alles anbrennen und schauten sie auf die Uhr, war es oft bereits 12.30. Die Zuspitzung ist dann, wenn man nicht mal mehr seinen Briefkasten leert.
Ob ich gegenüber Menschen, mit denen und für die ich gearbeitet habe, immer emphatisch war, können diese besser beurteilen als ich. Auf jeden Fall hauten mich menschliche Schwächen nicht so schnell um, einige sind mir doch selbst vertraut.
Zurück zu Unerledigtem, zu den kleinen Bergen, die sich türmen: „Oh weh, das kommt mir sehr bekannt vor“, schriebt gerade Susanne auf Facebook. Ich schilderte hier mein teilweises Unvermögen. „Ich glaube, da kenne ich noch jemanden“, gab Wolfgang vor wenigen Minuten zu, während Lillo berichtet, wie sie plötzlich nachts wach wird, um nach fehlenden Papieren zu suchen. Schön und danke – niemand verurteilt mich, sondern ich bin in guter Gesellschaft. Denn es sind alles sehr fitte und freundliche Menschen. Und niemand ist perfekt.
Ich gelobe keinesfalls Besserung, dafür bin ich wohl zu alt
Und zur Not hilft der liebe Gott, schreibt Ole. Ich will ihm keinesfalls widersprechen. Besser ist vermutlich ein Steuerberater und habe ich diese Woche gefunden. Und wie so oft im Leben, ich bin ein Glückskind: Eigentlich wollte er ja niemanden aufnehmen, „ich bin restlos voll“, sagte er. Für menschliche Schwächen aber war er sehr empfänglich (ganz lieben Dank!). Geduldig scheint er auch zu sein und ich glaube, dort, wo es nötig ist, nimmt er mich an die Hand.
Kurz: Er macht‘s. Etwas Arbeit steht uns noch bevor. Die Aussicht aber, bald alles restlos erledigt zu haben und endlich vernünftig ein- und durchzuschlafen, erscheint mir sehr tröstlich. Ich gelobe keinesfalls Besserung, dafür bin ich wohl zu alt, ist jemand aber unbeholfen und schusselig mit seinem Kram, ich nehme ihn in den Arm. Und vielleicht kann ich ja helfen!