Politik

Warum die Kritik an Friedrich Merz widersinnig ist | ABC-Z

Friedrich Merz ergeht es so wie vielen bekannten Bundespoli­tikern in der Berliner Republik, an denen herumgemäkelt wird: Dahinter steckt nicht in erster Linie das eigene Unvermögen, sondern das Interesse derer, die an ihm herummäkeln oder herummäkeln lassen. Prototyp dafür war der ehemalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck, der einer medial bestens inszenierten Intrige aus der eigenen Partei zum Opfer fiel; ein anderes gutes Beispiel war Annegret Kramp-Karrenbauer, die aus dem Dunstkreis des Kanzleramts madig gemacht wurde.

Sie galten dann irgendwann als no­torisch „unfähig“ oder „überfordert“, was insofern stimmte, weil sie es von einem gewissen Zeitpunkt an einfach niemandem mehr – vor allem Medien nicht – recht machen konnten.

Merz ist auf gutem Wege dahin, denn es gibt offenbar genug Leute, die ihm sein Amt missgönnen – in der eigenen Partei, am Kabinettstisch, beim Regierungspartner SPD, erst recht in der Opposition. In der eigenen Partei, weil es unter Ministerpräsidenten und in der Fraktion noch immer Leute gibt, die ihn für unerfahren und sich selbst schon deshalb für geeigneter halten, das Kanzleramt auszufüllen. Am Kabinettstisch und in der SPD, weil sich schon jetzt Vizekanzler und andere für die „Zeit danach“ warmlaufen.

Er stößt an die Grenzen der Koalition

Verwunderlich ist es dennoch, wenn Merz zum Sündenbock einer enttäuschenden Regierungspolitik gemacht wird. Der Kanzler bestimmt zwar den Kurs, aber durchsetzen kann er sich nicht einmal mithilfe seiner grundgesetzlich verbürgten Richtlinienkompetenz. Sie stößt an die Grenzen der Koalition. Will ihm diese Koalition nicht folgen, nützt ihm die beste Kompetenz nicht.

Helmut Kohl war nur so gut, wie die FDP es wollte, Gerhard Schröder nur so stark, wie es die Grünen zuließen, Angela Merkel nur so flexibel, wie die SPD mitmachte. An Olaf Scholz sah man, wo der Kanzler landet, wenn der kleinste Partner quengelt und querschießt.

Der kleinste Partner ist dieses Mal die CSU, und es sieht vorläufig nicht so aus, als dass sie sich einen Vorteil davon verspräche, wenn Merz als so führungsschwach gälte wie Scholz. Anders ist es mit dem anderen Partner, der SPD. Sie hat in kurzer Zeit die Rolle eingenommen, die in der Ampelkoalition die FDP gespielt hat. Sie agiert unwillig, bremsend, spielverderbend, allerdings aus der entgegen­gesetzten Richtung.

Von einer Reformagenda ist die SPD meilenweit entfernt

Von einer „neo­liberalen“ Agenda, die eine von Tony Blair inspirierte SPD Deutschland auferlegte, als das Land in einer ähnlich prekären Lage war wie jetzt, ist die SPD meilenweit entfernt. Mit ihr ist nicht zu machen, was Schröder mit ihr und mit Deutschland vor zwanzig Jahren machte. Das bedeutet aber auch: Mit ihr kann Merz nicht durchsetzen, was er und seine Partei wollen – und was er den Wählern versprochen hatte. Das Widersinnige: Nicht die SPD, sondern Merz zieht die Kritik auf sich.

Der CDU-Vorsitzende hat mehrmals hervorgehoben, dass er sich eine von ihren Niederlagen erholte, eine starke SPD wünsche. Das war mit Blick auf die AfD gesagt, die von der CDU allein nicht bezwungen werden kann. Es ist kaum anzunehmen, dass Merz dabei an eine SPD dachte, die wieder stärker werden würde als die CDU.

Aber sein Wunsch hatte dennoch gravierende Folgen: Der Koa­litionsvertrag geriet ganz nach dem Geschmack der Sozialdemokraten, und natürlich steckte dahinter auch das Ziel der SPD, wieder stärker zu werden als die Union. Ihr Ziel ist ganz offensichtlich ein rot-rot-grünes Bündnis. Will sie die Grünen nicht an die CDU verlieren und der Kette von großen Koalitionen, die immer kleiner werden, entgehen, bleibt ihr keine andere Perspektive.

So verwässert, zerbröselt und verdirbt ein Reformprojekt nach dem anderen. Das beste Beispiel ist die Rente. Eine Kommission wird dazu raten, wozu unzählige Kommissionen schon vor ihr geraten haben. Nichts davon wird wohl in dieser Wahlperiode noch kommen. Die SPD bereitet sich vielmehr darauf vor, im Wahlkampf vor Rentenkürzungen zu warnen, die sie verhindert habe, die CDU aber weiterhin durchsetzen wolle.

Ein anderes gutes Beispiel: Klima. Was sich in Deutschland abspielt, ist ein Abbau von Industrie, ohne dass sich die Produktionsbedingungen verbesserten. Die SPD zeigt keinerlei Anstrengungen, daran etwas zu ändern. Ein drittes Beispiel: Wehrtüchtigkeit. Die Bundeswehr bleibt bis auf Weiteres ein Torso. Der Grund? Die SPD.

Nicht Merz ist daran schuld, sondern die komfortable Lage der SPD. Sie kann sich sicher sein, dass CDU und CSU auf sie angewiesen sind. Zur Merz-Kritik gehört deshalb auch die Merz-Treibjagd: in Richtung einer Öffnung zur AfD.

Kaum eines der Projekte, schaut man sich Programm und Getöse der AfD einmal genauer an, lässt sich mit ihr aber besser beackern. Es wäre der beste Weg, der SPD, den Grünen und der Linken den Zulauf zu sichern, den sie brauchen, um eine Mehrheit links der Mitte zu sichern. Angesichts dieser ganzen Misere sei die Frage erlaubt: Wo zum Teufel ist eigentlich die FDP?

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