Kultur

Warum die Börsen trotz Trump von Rekord zu Rekord eilen | ABC-Z

Herr Stephan, die Welt macht sich Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen der Politik von Donald Trump – und die Börsen eilen zum Teil von einem Rekord zum nächsten. Was ist da los?

Die Zollpolitik der Vereinigten Staaten ist sicherlich nicht dazu geeignet, mehr Wachstum und Wohlstand zu erzeugen. Dass die Aktienmärkte dennoch mit einer gewissen Gelassenheit auf die Entwicklungen blicken, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen spricht die amerikanische Regierung vehemente Drohungen aus, die aber meist wieder abgeschwächt oder zurückgenommen werden. Am Markt hat sich der Ausdruck „TACO“ („Trump always chickens out“, „Trump kneift immer“) etabliert. Zum anderen blicken die Marktteilnehmer nicht nur auf die wachstumsdämmende Handelspolitik, sondern auch auf die wachstumsfördernden Maßnahmen. Da sind in den Vereinigten Staaten die Steuersenkungen und die Deregulierung zu nennen, in Europa die Fiskalpolitik. Insgesamt könnte sich dadurch im kommenden Jahr ein höheres Wachstum ergeben. Und schließlich haben die Unternehmen eine hervorragende Berichtsaison hingelegt. Die Gewinne der Unternehmen des amerikanischen Aktienindex S&P 500 sind im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 13,2 Prozent gestiegen, 8,8 Prozent stärker als erwartet worden war. Beim Index Stoxx 600 sind die Gewinne zwar nur um 3,1 Prozent gestiegen, lagen aber auch um 5.5 Prozent höher, als zuvor erwartet worden war. In den Vereinigten Staaten wurden die Gewinnerwartungen für das Gesamtjahr sogar nach oben revidiert.

Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege der Deutschen Bank für Privat- und Firmenkunden.Picture Alliance

Sollten Anleger vorsichtig sein, weil die Märkte die Risiken womöglich gerade unterschätzen?

Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis für die erwarteten Gewinne der kommenden zwölf Monate von mehr als 22 für den S&P 500 und mehr als 14 für den Stoxx 600 sind die Märkte sicherlich nicht preiswert. Korrekturen sind jederzeit möglich. Jedoch differenziert der Markt. Bei Sektoren mit strukturellen Schwächen oder stärkerer Zollbelastung sind die Gewinnerwartungen stark nach unten korrigiert worden. Beispielsweise wurden die Gewinnentwicklungen für europäische Autohersteller und Zulieferer in den vergangenen sechs Monaten um fast 30 Prozent nach unten genommen. Für europäische Banken wurden die Erwartungen hingegen um mehr als fünf Prozent angehoben. Eine Entwicklung, die sich auch an den Börsenkursen widerspiegelt. Während der Stoxx 600 „Autos und Autoteile“ in diesem Jahr um knapp zwei Prozent gefallen ist, konnte der Stoxx 600 „Banken“ um rund 50 Prozent zulegen. Der Markt differenziert folglich. Langfristig orientierte Anleger sollten sich dieser Differenzierung bewusst sein und entsprechend gezielt die Risiken eingehen, die mit ihren Risikopräferenzen kompatibel sind.

Sehr gut entwickelt sich derzeit der amerikanischen Technologieindex Nasdaq. Ist der Schwung durch die Künstliche Intelligenz so stark, dass er alle Trump-Risiken locker aushält?

Der Index Nasdaq 100 liegt in den ersten sieben Monaten des Jahres in Dollar knapp 13 Prozent im Plus. Tatsächlich haben viele Big-Tech-Unternehmen sehr gute Quartalsberichte vorgelegt. Hinzu kommt, dass diese Quasi-Monopolisten vielfach kaum von den Zolldiskussionen betroffen sind – insbesondere, wenn sie etwa Software oder Cloud-Dienstleistungen anbieten. Im Gegenteil, der schwächere Dollar lässt die im Ausland erzielten Gewinne in Dollar steigen. Ich gehe davon aus, dass wir immer noch am Anfang der AI-Revolution stehen. Entsprechend sind die Gewinnaussichten der Technologiewerte auch weiterhin gut. Ich setze trotz möglicher höherer Schwankungen weiterhin auf digitale Gewinne.

Man sagt oft, der Dax hänge gar nicht mehr so stark von der Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland ab, sondern eher von der in Amerika. Warum läuft der Dax dann gut?

Die Kursentwicklung des Dax weist tatsächlich keine Korrelation zum deutschen Bruttoinlandsprodukt auf. Der Dax spiegelt die offene deutsche Wirtschaft wider. Entsprechend ist der Dax sehr viel stärker von der Weltkonjunktur abhängig als von Deutschland. Nichtsdestotrotz unterstützt die Erholung der deutschen Wirtschaft. Analysten prognostizieren, dass das Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent, dass ich kommendes Jahr für Deutschland sehe, die Gewinne der Dax-Unternehmen um sechs Prozent steigern sollten. Zudem hat sich das Wachstumspaket aus Berlin positiv auf die Bewertungen ausgewirkt. Auch die Sektorstruktur des Dax ist zyklisch, also konjunkturabhängig ausgelegt. 30 Prozent der Marktkapitalisierung werden der Industrie zugesprochen, 22 Prozent den Finanzwerten, 17 Prozent der Technologie und acht Prozent dem zyklischen Konsum , zu dem Automobile und Sportbekleidung zählen. Da Infrastruktur und Modernisierung nicht nur in Deutschland vorangetrieben werden sollen, dürften diese Sektoren von den entsprechenden Konjunkturprogrammen profitieren. Denn die Unternehmen des Dax sind auch mit Beschaffung, Produktion und Absatz global aufgestellt.

Was kann man Anlagern raten, denen das alles etwas unheimlich ist?

Klassischerweise bieten sich Anleihen für risikoaversere Anleger an. Staatsanleihen werden als erstes in den Blick genommen, weisen aber momentan niedrige Renditen aus. Bei Unternehmensanleihen sind die Risikoaufschläge auf Staatsanleihen stark gesunken. Anleger sollten deshalb grundsätzlich diversifizieren. Das bedeutet, dass neben Aktien und Anleihen auch in andere Anlageklassen investiert werden sollte. Dazu gehören sicherlich auch sogenannte Alternative Investments, die Investitionen in Infrastruktur oder Private Equity möglich machen. Die Mischung der Anlageklassen hängt von den Risikopräferenzen der Anleger ab.

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