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Fußball: Ostvereine gegen Pyrotechnik-Strafen und für Regionalliga-Neuregelung – Sport | ABC-Z

Gleich zweimal hat der Fußball-Osten in den vergangenen drei Wochen offensiv seine Interessen artikuliert. Zunächst protestierten Fans und Offizielle von 16 ostdeutschen Vereinen – ohne RB Leipzig, aber mit dem in Westberlin gegründeten Zweitligisten Hertha BSC – gegen den Pyro-Strafenkatalog des DFB. Am vergangenen Mittwoch ging es dann ums nächste Makro-Thema: die Aufstiegsregelung in die dritte Liga. Dass der Meister der Nordost-Staffel der Regionalliga noch immer kein automatisches Aufstiegsrecht hat, halten viele Offizielle für ein Unding. Wie auch, dass sie permanent für Pyrotechnik-Vergehen ihrer Anhänger zur Kasse gebeten werden – ohne dass man ihnen erklären könnte, wie genau sie diese hätten verhindern können.

Die Strafpraxis des Deutschen Fußball-Bundes sei intransparent und aus der Zeit gefallen, las man also im Aufruf „Verbandsstrafen abschaffen“, denn ihr fehle eine wichtige Unterscheidung: die zwischen „gefährlicher“ Pyrotechnik, die auch nach Ansicht der Unterzeichner weiterhin sanktioniert werden sollte – und harmloser, die als Stimmungselement weit über die Ultra-Kreise hinaus akzeptiert sei. Als „missbräuchliche Verwendung“ wiederum definieren die Unterzeichner den „gezielten Einsatz gegen Personen oder Wurf auf das Spielfeld“. Gegenwärtig werde jedoch auch der Einsatz von Pyrotechnik bestraft, bei dem niemand zu Schaden komme. Der „positive Einfluss auf die Atmosphäre in den Stadien“ sei allgemein anerkannt, heißt es weiter.

Belege für diese Behauptung liefern die Unterzeichner nicht. Den Eindruck, dass bunt leuchtende Fackeln im Gegensatz zu Böllern und Rauch im Stadion mehrheitlich akzeptiert werden, teilen aber auch Fan- und Vereinsvertreter aus Westdeutschland. Der DFB unterscheidet hingegen in seinem Strafenkatalog nur insofern zwischen „gefährlicher“ und vermeintlich ungefährlicher Pyrotechnik, als er aufs Spielfeld geworfene Fackeln härter sanktioniert. Pro Pyro-Gegenstand werden ansonsten pauschal 1000 Euro in der ersten Bundesliga, 600 Euro in der zweiten Bundesliga und 350 Euro in der dritten Liga fällig. Wird ein Feuerwerkskörper nicht nur gezündet, sondern auch geworfen oder abgeschossen, kostet das 3000 Euro (1500/ 750).

1,5 Millionen Euro verdiente der DFB zuletzt pro Jahr an den Pyro-Strafen. In seinem Pokalfinale wird aber auch immer gezündelt

Für den DFB ist das ein einträgliches Geschäft. Ligaübergreifend gingen für das Jahr 2023 rund 1,5 Millionen Euro an den Dachverband, 700 000 davon entfielen allein auf die dritte Liga mit ihren zahlreichen Traditionsvereinen. Auch Thomas Kessen hält die Zeit für reif, die Law-and-Order-Linie bei der Pyrotechnik zu verlassen: „In Zeiten, in denen sich nicht einmal mehr die einschlägigen Boulevardmedien über Pyro ereifern, sollten sich auch Verbände und Sportgerichte hinterfragen“, sagt der Sprecher des Fan-Zusammenschlusses „Unsere Kurve“.

Die ostdeutsche Initiative wirft die Frage auf, welchen Nutzen eine Praxis habe, die seit Jahren ihr angebliches Ziel, ein pyro-freies Stadion, verfehle. Und dass das Berliner DFB-Pokal-Finale, bei dem der DFB selbst als Veranstalter fungiert, Jahr für Jahr zu den Fußballspielen gehört, bei dem am meisten gezündet wird, beweise doch, dass der repressive Weg gescheitert sei, heißt es bei Fans und Vereinsvertretern.

In Chemnitz trafen sich vergangene Woche Vereinsverantwortliche verschiedener Regionalligavereine und forderten eine Reform der Aufstiegsregelung der Regionalligen. Im Bild (von links): Daniel Meyer, Sportdirektor des Halleschen FC, Tommy Haeder, Geschäftsstellenleiter des Chemnitzer FC, Ralph Grillitsch, Präsident des FC Carl Zeiss Jena. (Foto: S. Sonntag/Imago)

„Wir sehen doch alle, dass wir der Probleme nicht Herr werden“, sagt auch Ralph Grillitsch. Der Präsident des Regionalligisten FC Carl Zeiss Jena ist einer der Initiatoren der Initiative und hält die gesamte Debatte für widersprüchlich. Er verspüre schon eine „kognitive Dissonanz“, sagt er lachend, wenn er sehe, wie die Feierlichkeiten vor dem EM-Eröffnungsspiel in München 2024 von der Uefa mit Pyrotechnik orchestriert wurden – während er permanent aus dem gleichen Grund hohe Summen an die Verbände überweisen müsse. Und zwar unabhängig davon, ob „minutenlang Rauch das Spielfeld vernebelt, oder ob kurz zwei Blinker im Block zu sehen sind, weil jemand aus der Fanszene gestorben ist“. So oder so: „Für uns im Osten ist das ein echter wirtschaftlicher Faktor, zumal wir politisch nicht gerade überrepräsentiert sind.“

Viele Vereinsführungen fragen sich, warum der Osten 35 Jahre nach dem Mauerfall so schlecht dasteht

Das beweise auch die Aufstiegsregelung in die dritte Liga, mit der allerdings auch Vertreter aus den West-Regionalligen nicht zufrieden sind. Dass es nun der Osten ist, der sich aus der Deckung wagt, ist allerdings ebenso wenig Zufall wie die Pyro-Initiative kurz zuvor. Viele Vereinsführungen zwischen Rostock und Chemnitz fragen sich mittlerweile grundsätzlich, warum der Osten auch 35 Jahre nach dem Mauerfall strukturell so schlecht dasteht. Neben den wirtschaftlichen Rahmendaten, die in Zwickau nun mal schlechter sind als in Heidenheim, machen einige dafür auch die Tatsache verantwortlich, dass die Ost-Vertreter im DFB selten als mutige Lobbyisten der eigenen Interessen auftraten. War man zu lange zu devot?

Es ist jedenfalls kein Zufall, dass die Klubs nun binnen kurzer Zeit zweimal selbst aktiv wurden: Am Mittwoch luden Vertreter von Ost-Regionalliga-Klubs wie RW Erfurt, Chemnitzer FC oder eben Jena zu einer Pressekonferenz nach Chemnitz, auf der sie die Forderung nach einer „Aufstiegsreform 2025“ artikulierten: „Meister müssen aufsteigen.“ Bei fünf Regionalligen wäre das problemlos möglich – wenn auch fünf Drittligisten abstiegen. Das jedoch ist seit Jahrzehnten ebenso wenig durchsetzbar wie eine Lösung, die aus fünf Regionalligen halt vier macht.

Auch in Magdeburg mag man Pyrotechnik: Fans am Freitagabend im Zweitligaspiel gegen Köln. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Die Meister der Staffeln West und Südwest erhalten dabei jedes Jahr einen festen Aufstiegsplatz. Das ist einigermaßen plausibel, da auf deren Territorien gemeinsam über 50 Prozent der gemeldeten Männermannschaften kicken. Die Meister der Staffeln Nordost, Nord und Bayern teilen sich jährlich rotierend einen Aufstiegsplatz, während die beiden anderen Staffelmeister den vierten Platz in Aufstiegsspielen ausspielen. Richtig zufrieden ist mit dieser Praxis niemand. Denn so ist es möglich, dass ein Team mit 20 Punkten Vorsprung Erster wird – aber dann nicht aufsteigt, weil etwa der Schiedsrichter im Entscheidungsspiel eine Fehlentscheidung trifft.

Im Detail sei man kompromissbereit, sagen nun die Ost-Vertreter. Den Status quo werde man aber nicht weiter akzeptieren, betont Daniel Meyer vom Halleschen FC: „Es ist nicht mehr damit getan, uns zu vertrösten.“ Das gilt offenbar auch für die Pyro-Initiative. Um damit beim Verband wirklich Gehör zu finden, müssten sich wohl im größeren Stil auch West-Vereine anschließen. Dass die Klubs aus den neuen Bundesländern überhaupt die Initiative ergriffen hätten, sei aber nur ein erster Schritt, sagt Ralph Grillitsch aus Jena. Man sei gerade dabei, sich bundesweit zu vernetzen.

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