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War nicht alles schlecht, oder?: Olympia in Deutschland? Das ist sportlich | ABC-Z

Olympische Spiele nach gut 70 Jahren im Land der Sonderbaren? Ein verwegener Gedanke. In München, Berlin, NRW und Hamburg sind sie so kühn und bewerben sich – trotz bröselnder Brücken, digitalem Nirwana und übellauniger Locals. Für Deutschland kann das eine große Chance sein.

Olympia 24 in Paris war magisch. Ja, es war auch unfassbar teuer und ziemlich voll. Vor allem aber war es magisch. Es gab Momente, da schien die Welt so zu sein, wie die Welt eigentlich sein sollte. Beschwingt, friedlich, lebensfroh, begeisternd und offen. Derzeit präsentieren deutsche Bewerber im sportlichen Wettbewerb gegeneinander Ideen, wie wir hierzulande so ein Wunder erleben könnten. In nicht einmal 20 Jahren, also kurz nachdem die Infrastruktur landauf-landab ertüchtigt sein wird. Das zweite Wunder: Die Olympia-Konzepte sollen nachhaltig und kostentransparent sein, divers und klimaneutral. Und alle sollen auf dem Weg dahin mitreden dürfen – was schon einmal stark nach Marathon klingt.

Überraschenderweise ist Markus Söder für München und Kai Wegner für Berlin. Daniel Günther macht mit Kai gemeinsame Sache, bringt Kiel mit ins Boot. Während München selbstbewusst die Mia-san-mia-Linie fährt: Bayern first und alone, hat sich Berlin realistisch auf seine Stärken besonnen – und so gut wie alle anderen Bundesländer gebeten, mitzumachen. In Brandenburg wollen sie golfen und paddeln. Ist das nicht wunderhübsch?

“Wir wollen das IOC nicht in unserer Stadt”

Nein, sagt das Bündnis NOlympia und kündigt harten Widerstand an. Die links-grüne Truppe verspricht alles in Bewegung zu setzen, damit die Geißel Olympia die Berliner*innen verschonen wird. Da braucht sich keiner zu wundern: Schließlich geht es gegen “finanzielle Gigantonomie” einer “privat-kapitalistischen Institution”, die “keine demokratische und ökologische Veranstaltung veranstalten kann”. Ups. Das sitzt.

2024 in Paris gab es ständig was zum Wundern. Sicher auch, weil sich Paris, diese unverschämt schöne Stadt, besonders herausgeputzt hatte. Eine glänzende Erscheinung! Da, liebe NOlympias, müsst Ihr Euch nicht so dolle sorgen, falls die Berlinenden beim Volxbegehren ihr Kreuz falsch setzen: Schönheit gehört nicht zu den Berliner Kernkompetenzen; das gilt sicher auch bei Olympia. Es droht also keine kulturelle Unterdrückung der Indigenen. Außerdem wird’s eh vielleicht München oder Hamburg.

Franzosen sprechen in für sie fremden Sprachen. Oh my God!

Kaum zu entscheiden, wer in Paris beseelter war: die farbenfrohen Fans aus aller Welt oder die glücklichen Einheimischen. “Wir waren so dagegen”, denglischt das Pärchen am Tisch neben uns im Bistro. “Aber jetzt: Ist es nicht wonderful?” “O.k., merde, mit den Staus, weil eine Autobahn-Spur ist reservé für Olympioniken. Aber halb so schlimm. Und alles klappt so good.” Zwischen den nächsten Santés verteilen wir Komplimente ohne Ende. “Crazy”, sagt die Frau. “Extraordinaire”, sagt ihr Mann. “Es kommt uns so vor, als könnten nun wir Franzosen Dinge, für die doch Ihr Deutsche berühmt seid.”

So ist das mit Klischees. Sie werden bisweilen von der Realität überholt. Und es stimmt: Der Charme der Gastgeber wurde nur noch übertroffen von Ihrer hyper-perfekten Organisation. Vor allem, wenn es darum ging, Menschenmassen von irgendwo in irgendeine Sportarena zu bringen – schnell, sicher, pünktlich und bequem. Spätestens bei diesem Punkt stellt sich deutschen Olympiabewerbern eine Frage in geradezu merkelanischer Wucht: Schaffen wir das?

“Die Deutsche Bahn ist so im Oasch”

Zu tief in unserem kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben sich die Schmäh-Gesänge der Ösis über gewisse Minderleistungen der Deutschen Bahn bei der Fußball-Europameisterschaft. Unvergessen sind die Bilder von verzweifelt gestrandeten Fans vor bösartig programmierten Fahrkartenautomaten. Wir erinnern die Sonderzüge, die als quasi fliegende Holländer niemals ihr Ziel erreichten. Stichwort Holländer: Nur ‘sofort raus aus dem Zug und rein in den Flieger’ hat es ihnen erlaubt, ihr Halbfinale gegen England zu verlieren. Schnee von gestern? Nö. Ganz frisch sind die Posts der Bielefelder Fans vom DFB-Pokalfinale vor einer Woche: “Grüße an die BVG! Bitte nicht so viele Busse und Bahnen gleichzeitig ausfallen lassen. Damit kommt der Ostwestfale gar nicht so gut zurecht…” Und als es die Fans endlich bis zum (Olympia!-)Stadion geschafft hatten, dauerten die Einlasskontrollen länger als das Spiel.

Bei Olympia in Paris hingegen wurden selbst Einlasskontrollen mit bemerkenswerter Willkommenskultur zelebriert – Holà, merci-bienvenu, enjoy, viel Glück. Quatschen, scherzen, herzen. Ganz Paris war von den Fröhlichen bevölkert. Ganz Paris? Nein, eine von Germanen besetzte Arena trotzte mit hingebungsvoller Bräsigkeit der allgemeinen Festtagsstimmung: das Deutsche Haus, Treffpunkt des deutschen Sports. Mit Akribie achteten sie dort auf besonders lange Schlangen beim Einlass. Das ist nicht so schwer, wenn konsequent nur eine von drei möglichen Sicherheits-Schleusen “bedient” wird, mit barschem Ton notabene.

Und was wäre wenn?

Keiner weiß, wann Europa wieder dran ist mit Olympia. Erst recht nicht, ob es dann heißen wird “The winner is” – wahlweise Berlin, Hamburg, München oder Wanne-Eickel. Aber kommt dieser Moment, kann es großartig werden. Wenn wir es schaffen, hilfsbereit, positiv und herzlich die Welt in die Arme zu nehmen. Wenn wir uns gemeinsam an uns selbst erfreuen. Wenn wir es schaffen, für Sicherheit zu sorgen ohne Obrigkeitsattüden und Busse und Bahnen verlässlich rollen lassen. Wenn wir unsere alten Tugenden neu entdecken und mit einer Prise savoir vivre en Allemagne garnieren. Dann kann’s ein zweites Sommermärchen geben. Das täte den Deutschen, dem Volk der Sonderbaren, so gut: ein nachhaltiges Programm für Einigkeit und Spaß und Miteinander. Und falls das alles nichts wird?

Uns bleibt immer noch Paris.

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