Politik

War nicht alles schlecht, oder?: Mit Staat allein ist kein Staat zu machen | ABC-Z

Der Bürokratieabbau erlebt derzeit einen Hype – in Reden. Doch die schwarz-rote Koalition traut sich nicht an die nötigen Reformen. Sie bläht den Staat bislang weiter auf. Und die Berliner SPD flirtet sogar mit den Unternehmens-Enteignungs-Fantasien, die von Linksaußen kommen.

“Erst wenn der letzte Mittelständler vernichtet, der letzte Industriebetrieb geschlossen, der letzte Handwerksmeister ausgewandert ist, werdet ihr merken, dass man mit Staatswirtschaft nicht überleben kann.” (frei nach einer Weissagung der Cree)

Der Berliner Senat hat sich einen XXL-Haushalt gebastelt. Die schwarz-roten Koalitionäre wollen sich so viel Geld genehmigen wie nie zuvor: allein nächstes Jahr rund 44 Milliarden Euro. 2027 darf es noch ein Milliardchen mehr sein. Warum auch nicht? Zwar nehmen sie im Wirtschaftswunderland Berlin bei weitem nicht so viel ein, wie sie ausgeben wollen. Aber da gibt es letzte verbliebene Rücklagen und verschlungene Pfade, neue Schulden machen zu dürfen: Notkredite, Klimakredite, konjunkturbedingte Kredite, Kredite-Kredite. Berlins CDU-Finanzsenator Stefan Evers begründet die Schuldenorgie vor allem mit zwei Fässern ohne Boden: stark steigende Personalkosten und extrem steigende Sozialausgaben.

Nicht zuletzt für Sozialdemokraten ist Schulden machen ein Herzensanliegen. Nehmen wir Lars Klingbeil. Er interpretiert die Rolle des Bundesfinanzministers anders als sein Vorgänger. Noch ist reichlich übrig vom 500 Milliarden Euro schweren Sonder”vermögen” Infrastruktur, jener schwarzen Morgengabe vor der Kanzlerwahl im März. Und Friedrich Merz selbst will die boostern oder mehrfach hebeln, mit den von Großkonzernen versprochenen 631 Milliarden. Was bei dieser Multiplikation rauskommt, können die wenigstens ausrechnen.

Egal, die SPD will mehr. Damit der Fluss nicht abreißt, ist Herr Klingbeil schon diese Woche ganz drängelig. Der lästige Grundgesetz-Pickel Schuldenbremse muss rasch ausgedrückt, also reformiert, werden. Möglichst gestern soll eine wohl besetzte Expertenkommission diesen Job wissenschaftlich fundiert erledigen. Dann kann der Staat auch künftig ohne Ende investieren und verteilen. Was für ein Segen für uns alle!

Reformieren ist anstrengend, Geld besorgen einfach

Politiker sagen: Wir brauchen das Schuldengeld, um das Land und die Wirtschaft wieder flottzumachen. Unternehmer sagen: Ja, ist schön; dringender brauchen wir wieder Luft zum Atmen, weniger Gängelung, weniger Lasten, weniger Bürokratie. Ökonomen sagen: Ohne Strukturreformen und ohne Bürokratieabbau wird nix wieder flott, entfachen wir mit dem vielen Geld nur ein Strohfeuer. Die für die Wirtschaft zuständige CDU-Ministerin Katharina Reiche wird da wahrscheinlich nicht widersprechen. Aber was tut sie sonst noch so?

Richtig ist: Der Bürokratieabbau erlebt derzeit geradezu einen Hype – in Reden. Union und SPD fordern unentwegt Strukturreformen – als wären sie in der Opposition und müssten sich aufs Fordern beschränken. Dabei sind sie die Exekutive und könnten machen statt fordern. Aber machen ist in vielerlei Hinsicht sehr anstrengend. Außer beim Schulden machen. Weshalb sich auch diese Regierung bei Strukturreformen und Bürokratieabbau eher valentinös verhält: “Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab’ ich mich nicht getraut”.

Passierschein A38 – Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars

Bislang trauen sich die Koalitionäre nur, die Bürokraten-Hydra lediglich am Köpfchen zu kitzeln. Für echte Monster, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, gilt weiter Artenschutz. Neue Monster werden gerade in die Welt gesetzt; aktuell das noch zu Ampelzeiten an der FDP gescheiterte Tariftreuegesetz. Die von staatlichen Regulierungen beseelte Arbeitsministerin Bärbel Bas plant dafür auch gleich noch eine neue Behörde mit zusätzlichen Planstellen. Kommt das Gesetz, wird es ein neuer Klops für alle Unternehmen, die einen öffentlichen Auftrag ergattern wollen. Von wegen einfachere Ausschreibungen. Vielmehr wächst der Hydra ein weiteres Köpfchen. Noch einmal zum Mitschreiben: Es hieß Abbau, nicht Aufbau.

Unterdessen hat Kanzleramtsminister Thorsten Frei eine umfassende Reform des Bürgergelds angekündigt, mit dem Ziel: viel weniger Empfänger. Die Union liebt solche Ankündigungen. Der Realitätscheck später offenbart oft ernüchternde Ergebnisse – wie beim AfD-Halbierungsversprechen. Diesmal könnte es am Koalitionspartner liegen: Auf dem SPD-Parteitag hatte Frau Bas unter frenetischem Jubel versprochen, mit ihr gebe es keinen sozialen Kahlschlag. Auch der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh zeigte sich im Interview unbändig stolz, weil Berlin weiter über seine Verhältnisse leben wird: “Mit mir wird es keinen sozialen Kahlschlag geben”. Das Sprachbild ist auf Deutschland bezogen geradezu grotesk: In allen Baumärkten zusammen gibt es nicht annähernd genug Äxte und Kettensägen, um den deutschen Sozialstaat kahlzuschlagen. Das will auch niemand.

Das Bürgergeld ist eine von 500 verschiedenen Sozialleistungen in Deutschland. Das haben Ökonomen mithilfe künstlicher Intelligenz herausgefunden. Eine Reform dieses aufgeblähten Wusts tut wirklich Not. Wenn, ja wenn man nicht etwas ganz anderes im Sinn hat: nicht weniger Staat, sondern mehr. Viel mehr. Dazu flirtet die Berliner SPD aktuell heftig mit der Linken von heute und der von vorgestern. Sie plant, private Firmen zu vergesellschaften, sie zu enteignen, mindestens grob in sie hineinzuregieren. Der SPD-Gesetzesvorschlag enthält zudem die Absicht, dafür eine neue Vergesellschaftungsbehörde zu schaffen.

Noch hat niemand die Absicht, auch eine Mauer zu bauen.

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