War der Verkauf an die Unicredit ein Versehen? – Wirtschaft | ABC-Z
Der italienische Bankkonzern Unicredit will die Commerzbank übernehmen und versetzt den Finanzplatz Frankfurt und die Berliner Politik in Aufruhr. Hat Deutschland aus Versehen die Unabhängigkeit der Commerzbank aufs Spiel gesetzt? Hat CDU-Chef Friedrich Merz recht, wenn er sagt, es sei bei der Privatisierung alles schiefgegangen, was schiefgehen kann? Und wie geht es weiter? Fragen und Antworten im Überblick:
Wurde der Bund von der Unicredit überrascht?
Dazu gehen die Meinungen auseinander. Einerseits hat die Bundesregierung die Sache selbst losgetreten, als sie vor etwa zwei Wochen bekannt gab, den 16,5-Prozent-Staatsanteil an der Commerzbank privatisieren zu wollen. Die Italiener boten bei der anschließenden ersten Auktion der Finanzagentur des Bundes den höchsten Preis und erhielten den Zuschlag. Erst kurz vor dem Abschluss des Verkaufs erfuhr die Finanzagentur nach eigener Aussage, dass Unicredit bereits 4,5 Prozent der Aktien über den Markt gekauft hatte, was auf eine Beteiligung von insgesamt neun Prozent hinausläuft. Dass sie ein Übernahmeangebot erwägen, teilte Unicredit am nächsten Tag mit. Obwohl Unicredit in den vergangenen Jahren keinen Hehl aus ihrem Interesse an der Commerzbank gemacht hatte, wertet das Bundesfinanzministerium das Vorgehen als „Anschleichen“. Es habe keine Vorwarnung gegeben. Unicredit-Chef Andrea Orcel hingegen sagte im Interview mit Bloomberg, sein Interesse sei bekannt gewesen. Als es im Sommer Marktgerüchte gegeben habe, der Bund wolle verkaufen, habe er begonnen, Aktien zu kaufen.
Hätte der Bund den Einstieg verhindern können?
Die Finanzagentur des Bundes hat die Anteile nicht einfach am Aktienmarkt verkauft, sondern Investoren über ein beschleunigtes Bookbuilding-Verfahren meistbietend angeboten – über die Investmentbank JP Morgan. Das Verkaufsinteresse sei breit im Markt angekündigt worden, sagte eine Sprecherin der Finanzagentur. Zudem habe man diskriminierungsfrei verkaufen wollen – eine Auflage der EU nach der staatlichen Rettung. Man habe das Verfahren angeblich nicht mehr abbrechen können, als man erfahren haben, dass Unicredit bereits Großaktionär der Commerzbank ist. Auch habe man erst zu diesem Zeitpunkt erfahren, dass Commerzbank-Chef Manfred Knof seinen 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängert. Der Bund hätte sehr wohl anders vorgehen können, sagt hingegen Natalie Hayday, Geschäftsführerin der Investmentgesellschaft 7Square. „Solche Verkaufsverfahren sind ohnehin nicht diskriminierungsfrei, weil ganz viele Arten von Investoren nicht teilnehmen können“, sagt die Bankerin. Es wäre möglich und auch üblich gewesen, die Zuteilung an strategische Investoren auszuschließen. „Dann hätte Unicredit immer noch über den Aktienmarkt kaufen können, aber der Bund hätte seine strategische Position bei der Commerzbank zum Teil und wohl nicht ganz beabsichtigt an Unicredit weitergegeben.“
Wird es Widerstand gegen die Unicredit geben?
Der Bund hält noch zwölf Prozent der Aktien, die er in frühestens 90 Tagen verkaufen könnte. Er kann also noch weiter mitreden und wird das vermutlich auch tun. Außerdem muss Unicredit ein Inhaberkontrollverfahren der EZB-Bankenaufsicht durchlaufen, wenn sie den Aktienanteil auf über zehn Prozent erhöht. Den Antrag dazu will Unicredit in den nächsten Tagen abgeben. Er dürfte aber keine allzu große Hürde darstellen, da Unicredit bereits von der EZB kontrolliert wird und sich die EZB stets für europäische Bankenzusammenschlüsse ausgesprochen hat. Der Bund wiederum hat rein rechtlich wenig Handhabe, die Übernahme zu verhindern. Er kann den Italienern zwar zu verstehen geben, dass der Einstieg unerwünscht sei. Dies aber wäre ein politischer Affront. Wer sich bereits offen dagegen in Stellung gebracht hat, ist die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Auch der Commerzbank-Vorstand möchte – wenig überraschend – lieber unabhängig bleiben und hat die Investmentbank Goldman Sachs und eine PR-Agentur damit beauftragt, Argumente gegen eine Übernahme zu sammeln. Deutsche Wirtschaftsverbände sehen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hingegen für den Mittelstand kein Problem in der Übernahme.
Was wird Unicredit nun tun?
Unicredit-Chef Orcel macht keinen Hehl aus seinem Interesse und dürfte daher weiter Aktien am Markt kaufen. Ab einem Anteil von 30 Prozent muss er ein Übernahmeangebot machen, zu dem sich dann auch der Vorstand der Commerzbank äußern muss. Orcel scheint Geduld zu haben. Selbst wenn er erst einmal auf Widerstand stieße, sehe er sich als aktiver Investor, sagte er dem Handelsblatt.
Kommt noch ein weißer Ritter?
Die großen Fragen sind nun: Wird sich ein anderer Interessent melden? Kommt es noch zu einem Bieterkampf? Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge erwägt die Deutsche Bank, den Zwölf-Prozent-Anteil des Bundes zu übernehmen. So wolle sie verhindern, dass „vor ihrer Haustür“ ein neuer Konkurrent entsteht. Vor einigen Jahren hatten Deutsche Bank und Commerzbank allerdings bereits Fusionsgespräche abgebrochen. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing gilt nicht als Freund dieser Kombination. Ein Sprecher sagte, die Deutsche Bank konzentriere sich auf ihre eigene Wachstumsstrategie. Nicht ausgeschlossen ist, dass sich die spanische Santander oder die französische BNP zu Wort meldet. Ihnen wurde jedenfalls immer Interesse an der Commerzbank nachgesagt.