Waldtherapiekongress in Wartenberg: Wie der Wald auf die Gesundheit wirkt – Erding | ABC-Z

Einfach still dastehen, die Augen schließen, dem Wind in den Bäumen lauschen, die Luft schmecken. Immer mehr Menschen entdecken Waldbaden für sich. Wie gesundheitsfördernd ein gezielter Aufenthalt im Wald sein kann, darüber haben sich jetzt internationale Experten beim ersten Wartenberger Waldtherapiekongress ausgetauscht. Das gemeinsame Ziel: Waldbaden soll als medizinische Therapieform anerkannt werden.
Die geriatrische Reha-Klinik Wartenberg im Landkreis Erding, eine der größten Einrichtungen für Altersmedizin in Bayern, liegt auf einer kleinen Anhöhe und ist von einem rund 30 Hektar großen Wald- und Parkgelände umgeben. Ideale Voraussetzungen also für einen Kongress, der sich mit klinischer Waldtherapie beschäftigt. Über hundert Teilnehmende aus Medizin, Forschung, Wirtschaft und Praxis verfolgten in Präsenz oder online die Veranstaltung.
Mit Unterstützung des bayerischen Gesundheitsministeriums läuft in Wartenberg seit Ende 2024 eine Studie über „Klinische Waldtherapie bei geriatrischen Patienten“. Dazu gehören ausgeschilderte Waldtherapie-Pfade auf dem Gelände. In Kleingruppen werden die Seniorinnen und Senioren auf einem rollator- und rollstuhlgerechten Waldpfad zu Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen angeleitet. Dabei sollen Ressourcen und Selbstheilungskräfte aktiviert werden.
An Stationen der Therapie-Pfade konnten auch die Kongressgäste praktische Übungen kennenlernen. An Station acht zum Beispiel wartete Manuela Fischer auf eine Gruppe. Sie ist Waldtherapeutin mit Zertifikat der International Nature and Forest Therapy Alliance. Beim Waldbaden gehe es darum, die Umgebung bewusst und mithilfe gezielter Übungen unter Anleitung „mit allen Sinnen wahrzunehmen“, anstatt, wie beim Spazierengehen oder Wandern, sich auf Bewegung oder Leistung zu konzentrieren.
Unter Anleitung der Waldtherapeutin bildeten die Gäste einen Kreis, atmeten die frische Luft ein, ertasteten mit geschlossenen Augen Tannenzapfen und Kastanien, rochen an Zapfen und Moos, hörten in die Stille des Waldes hinein und machten verschiedene Körperübungen. Im Kreis stand auch Professor Qing Li von der Nippon Medical School in Japan. Der eigens für das zweitägige Forum angereiste Waldtherapie-Pionier gilt als Begründer der Entspannungstechnik namens „Shinrin Yoku“: Auf Japanisch bedeutet „Shinrin“ Wald und „Yoku“ Bad. Ziel von „Shinrin Yoku“ ist es, Stress abzubauen, das Immunsystem zu stärken und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Pflanzliche Abwehrstoffe sollen das menschliche Immunsystem stärken
Bei der Tagung berichtete der Begründer der sogenannten Forest Medicine von seinen ersten Forschungserkenntnissen an der Nippon Medical School, die laut dem Kongressveranstalter bereits 2007 Belege dafür erbrachten, dass das menschliche Immunsystem durch die sogenannte Phytonzide des Waldes, also pflanzliche Abwehrstoffe, stimulierbar ist.

In Japan gehört Shinrin Yoku längst zur anerkannten Gesundheitsvorsorge. So weit ist man in Deutschland noch nicht. Auch wenn sich in Wartenberg Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Australien und Japan einig waren, dass Waldtherapie wirksam und zukunftsweisend ist. Zentrale Ergebnisse zeigten, dass Waldtherapie signifikante Wirkungen auf körperliche und psychische Gesundheit entfaltet – insbesondere bei Stresssymptomen, chronischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Störungen, psychosomatischen Beschwerden sowie in der Rehabilitation.

Wie die Zuhörer des Kongresses erfuhren, verbindet ein aktuelles Forschungsprojekt an der Universität Greifswald zum Beispiel Psychologie, Kardiologie und Präventionsforschung. An der Universität Wien läuft das europaweite Projekt „Dr. Forest“, das sich multizentrisch mit der Wirkung von Wald auf die menschliche Gesundheit befasst.
Der Berliner Arzt Michael Jeitler, Leiter der Hochschulambulanz für Naturheilkunde an der Charité, informierte über die grundsätzlich positiven therapeutischen Effekte von sogenannten Greenspaces auf die menschliche Gesundheit. Zugleich verwies er auf die rasante Urbanisierung, die dazu führen werde, dass in 25 Jahren etwa zwei Drittel der Bevölkerung in der Stadt leben werden. Der Zugang zu Grünflächen wie Parks, Gärten oder Wäldern werde somit zur Herausforderung. Für alle, denen der Weg zu weit ist in den Wald, gibt es aber Hoffnung.

Laut Jeitler werden künftig „effektive digitale Naturerlebnisse“ („Nature Mimicking“) an Bedeutung gewinnen. Mithilfe von Bildern und Pflanzen, natürlichen Einrichtungsmaterialien oder ätherischen Ölen hole man sich die Natur sozusagen in die eigenen vier Wände. Auch die gute alte Fototapete mit Waldmotiv, ein Relikt aus den Achtzigerjahren, könnte wieder in Mode kommen.
Jeitler betonte zugleich, dass aktuell für eine wissenschaftlich nachgewiesen wirksame Behandlungsmethode die Datenlage nicht ausreichend sei. „Wir brauchen belastbare klinische Aussagen“, sagte er. Wenn weiter intensiv geforscht werde, rechnet der Mediziner frühestens in zehn Jahren mit einer „robusten Studienlage“.
Ein großer Schritt dorthin ist die jüngst in Wartenberg gegründete „Allianz für den Wald als Gesundheitsquelle“. Die Mitglieder wollen Forschungsergebnisse verknüpfen, sich noch stärker vernetzen und die Arbeit weiter ausbauen für eine wissenschaftliche, politische und gesellschaftliche Anerkennung der Therapieform.
Ein zweiter Kongress zur Waldtherapie wird in Wartenberg Ende April 2026 stattfinden
Ellis Huber, Arzt und Gesundheitspolitiker, hob die gesundheitspolitische Relevanz hervor. Waldtherapie könne „Prävention, Therapie, Rehabilitation und Gesundheitskompetenzbildung“ gleichermaßen fördern und somit das Gesundheitssystem entlasten. Zugleich herrschte auf dem Kongress Einigkeit darüber, dass nicht nur die menschliche Gesundheit in den Fokus zu rücken sei, sondern auch der Wald als ökologisches System.
Constantin von Stechow, Geschäftsführer der Klinik Wartenberg, zeigte sich begeistert von der Resonanz auf den Kongress. Eine Fortsetzung ist bereits in Planung. Von 24. bis 25. April 2026 wird der zweite Wartenberger Waldtherapiekongress stattfinden.





















