Waldhüter, Naturschützer und Gründungschef des Nationalparks Bayerischer Wald: Zum Tod von Hans Bibelriether – Bayern | ABC-Z

Der Nationalpark Bayerischer Wald hat viele Väter. Allen voran den Nestor der deutschen Umweltbewegung, Hubert Weinzierl. Er warb seit den frühen Sechzigerjahren dafür, an den Hängen des Rachel und Lusen ein weitläufiges Schutzgebiet einzurichten. Und dann die vier CSU-Politiker Alfons Goppel, Hans Eisenmann, Edmund Stoiber und Reinhold Bocklet. Ohne Goppel, damals Ministerpräsident, und seinen Agrarminister Eisenmann wäre 1970 die Gründung des Nationalparks nicht möglich gewesen. Und das Duo Stoiber (Ministerpräsident) und Bocklet (Agarminister) setzte 1997 seine Erweiterung durch – gegen erbitterte Widerstände der Einheimischen, die das Schutzgebiet lieber heute als morgen wieder weg gehabt hätten.
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Aber es gibt nur einen Mann, der die Basis dafür gelegt hat, dass der Nationalpark Bayerischer Wald das hochkarätige Schutzgebiet werden konnte, das es heute ist. Das ist Hans Bibelriether. Wegen des gebürtigen Mittelfranken und studierten Försters spielt der Nationalpark Bayerischer Wald heute in der gleichen Liga wie der amerikanische Yellowstone-Nationalpark, der Krüger-Nationalpark in Südafrika und andere weltberühmten Naturjuwelen. Er war von 1969 bis 1978 Leiter des Nationalparkamts und von 1978 bis 1998 Leiter der Nationalparkverwaltung. Er hat dafür gesorgt, dass der internationale Nationalpark-Grundsatz „Natur Natur sein lassen“ auch im Nationalpark Bayerischer Wald eingehalten wird, und er hat das gegen alle Proteste durchgehalten.
Die Formel „Natur Natur sein lassen“ ist der Goldstandard des Naturschutzes weltweit. Sie besagt, dass natürliche Prozesse ungestört und frei von menschlichem Einfluss ablaufen dürfen. Und zwar auch dann, wenn sie aus menschlicher Sicht die Natur zumindest zunächst zerstören. Wie zum Beispiel ein Sturm, der Tausende Bäume umlegt. Oder die massenhafte Vermehrung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer, der ganze Wälder vernichtet.
Bei der Gründung des Nationalparks im Bayerischen Wald war nicht ausgemacht, dass diese Formel auch dort gelten soll. Wegbegleiter von Bibelriether wie der Ehrenvorsitzende des Bundes Naturschutz, Hubert Weiger, erinnern sich gut daran, dass sich Kommunalpolitiker, Wirtschaftsleute und große Teile der Bevölkerung den Nationalpark lange Zeit als eine Art unverbindlichen Naturpark für Touristen vorstellten.

Deshalb waren Enttäuschung und Frust immens, als Bibelriether plötzlich mit der Nationalpark-Formel „Natur Natur sein lassen“ ernst machte. 1972 hatte ein Sturm in dem jungen Schutzgebiet 3000 Fichten umgerissen. Bibelriether ließ die Bäume liegen und verrotten, statt sie zu beseitigen. Dass zehn Jahre später an der Stelle ein kräftiger Jungwald herangewachsen war, interessierte keinen. Dann da hatte sich im Nationalpark der Borkenkäfer ausgebreitet und vernichtete auf den Höhenzügen Tausende Hektar Fichtenwald. Die Wut und der Zorn auf Bibelriether waren immens. Der Forstmann galt vielen als „Totengräber des Bayerischen Walds“, er erhielt Morddrohungen am Telefon. Bei einem Faschingszug in der Region fuhr einmal ein Wagen mit einem dürren Baum mit, an dem eine Puppe mit dem Namen des Nationalparkchefs aufgehängt war.
Inzwischen sind Wut und Zorn verraucht. Die allermeisten Einheimischen und Kommunalpolitiker haben Frieden mit dem Nationalpark geschlossen. Ein wichtiger Grund ist, dass Bibelriether mit dem Nationalpark-Grundsatz „Natur Natur sein lassen“ sehr weitsichtig gehandelt hat. In den vormals toten Regionen wächst inzwischen nämlich ein einzigartiger Mischwald heran, wie man ihn in seiner Pracht und seinem Artenreichtum eben nur in einem Nationalpark erleben kann. Das hat nicht nur die übergroße Mehrheit der Einheimischen von ihrem Nationalpark überzeugt, wie regelmäßige Umfragen zeigen. Sondern der Nationalpark zieht Jahr für Jahr Unmengen von Besuchern und Urlaubern von außerhalb an. Dieser Tage ist Hans Bibelriether im Alter von 91 Jahren gestorben.