Wohnen

Waldbaden – jetzt auch im heimischen Wohnzimmer! – Gesellschaft | ABC-Z

Stress ist die Beulenpest dieses eigentlich noch total jungen, aber nicht mehr freshen Jahrtausends. Das weiß jeder, der schon mal in einer flächenversiegelten Großstadt zur Arbeit gefahren ist, ebendort Matcha-Pfannkuchen in einem Matcha-Pfannkuchen-Restaurant essen gehen musste, weil die Pizzeria keinen freien Slot mehr hatte, um abends in die Mietwohnung mit bronzefarbener Dunstabzugshaube zurückzukehren. Also die Wohnung jetzt, nicht die Dunstabzugshaube.

Und da wir uns hier in Deutschland befinden, was an sich schon ein Stressor ist, bedeutet eigentlich auch sonst alles und jeder einen einzigen Hustle. Das Putzen, das Kochen, die ewige Handydaddelei, der Schlaf, das Wegmoderieren von Kindern und Partnern in ihre jeweiligen Betreuungseinrichtungen und Büros: nichts als Arbeit – körperliche Arbeit, digitale Arbeit, emotionale Arbeit. Auch wenn all das auf den Zeitraffervideos im Internet so effizient und meditativ zugleich aussieht, zwei Seinszustände, die in Deutschland übrigens keinen Widerspruch darstellen, sondern ein Ideal.

Was also tun, wenn man diese Balance aus Anspannung und Entspannung einfach nicht raushat, wenn einem die Dinge schnell über den Kopf wachsen, man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, man glaubt im Wald, im Chaos, im Nichts zu stehen und irgendwann beginnt, immer aufgebrachter in diesen kaum noch erkennbaren Wald hineinzurufen, sodass er ja geradezu cholerisch zurückrufen muss, er, der den Deutschen doch so lieb ist, dieses Stückchen Zen in einer Nation ohne Ruhepuls.

Doch dann, kurz bevor es zum Äußersten kommt und der hart arbeitende Mensch sich wie die Axt in diesem grundgütigen Wald aufführt, erreicht uns plötzlich folgende Nachricht mit der Wucht eines Sundowners: Wie ein Team des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in einer aktuellen Studie herausgefunden hat, kann virtuelles Waldbaden beim Stressabbau helfen, das emotionale Wohlbefinden verbessern. Das ist insofern sehr beruhigend, als dass es neben Arbeiten, Yoga und Flirten nun eine weitere Sache gibt, für die man seine Wohnung nicht verlassen muss.

Wenn jetzt noch jemand den Urlaub erfindet, der sich zu Hause antreten lässt – brennt der Wald in Griechenland nicht ohnehin ständig? –, wenn bald das Reden abgeschafft wird, weil der Chatbot es eh besser kann, und das Essen durch virtuelle Mahlzeiten ersetzt wird, voll praktisch, Babys ohne fremde Hilfe im Wohnzimmer geboren werden können, geht doch, und neu ertinderte Freunde sich per Knopfdruck auf der Couch im Wohnzimmer materialisieren, hallo Schönheit, dann ist gesellschaftlicher Friede vermutlich erreicht.

Falls man sich nach ein paar Monaten Wohnungsbaden doch einsam fühlen sollte und dann draußen auf der Straße noch andere Kulturpessimisten herumschluffen, die auf der Suche nach einem echten Supermarkt oder Krankenhaus sind, und sich alles plötzlich eng und voll und viel zu stressig anfühlt, einfach losrennen und laut rufen: Ich bin Waldbader, lassen Sie mich durch!

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