Wahlkampfthema Erbschaftsteuer: Union will Erleichterung bei Eigenheimen, Rot-Grün für Erhöhung | ABC-Z
Es wäre eine große Entlastung für viele Erben. Sie sollen auch dann von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie das Familienheim nicht selbst bewohnen – sondern vermieten. Das ist der Plan der Union. Dafür kommt Rückhalt von FDP und AfD. Doch SPD und Grüne planen im Gegenteil mit Erhöhungen.
Knapp ein Jahr vor der nächsten planmäßigen Bundestagswahl zeichnet sich in Bund und Ländern Streit über eine Reform der Erbschaftsteuer ab. Es geht darum, wie die geschätzt rund 400 Milliarden Euro, die in Deutschland derzeit jährlich vererbt werden, verteilt werden sollen. Während das rot-rot-grün regierte Bremen einen Antrag in den Bundesrat eingebracht hat, nach dem große Erbschaften künftig stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden sollen, setzen sich Union und FDP für Entlastungen ein.
Demnach sollen Erben von Eigenheimen künftig auch dann von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie die jeweiligen Häuser nicht selbst nutzen.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag Alexander Dobrindt kündigte in der „Bild“-Zeitung an, dass die Union die Forderung nach einer Senkung der Erbschaftsteuer auf Eigenheime in ihr Bundestagswahlprogramm 2025 aufnehmen wolle. Geplant sei, dass Eigenheime auch dann steuerfrei an die nächste Generation übertragen werden könnten, wenn die entsprechenden Häuser von den Erben vermietet werden. „Die Menschen haben Angst davor, dass Immobilien nicht vererbt werden können, weil ihnen der Staat zu tief in die Tasche greift“, begründete Dobrindt den Vorstoß. Die Erbschaftsteuer für Eigenheime müsse deshalb reduziert werden.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Michael Schrodi kritisierte Dobrindts Vorstoß. Werde ein geerbtes Eigenheim vermietet, ließen sich die Mieteinnahmen nutzen, um Steuern auf den über dem Freibetrag liegenden Anteil zu zahlen, so Schrodi zu WELT. „Das Vermögen bleibt in der Familie.“ Auffällig sei zudem, dass Dobrindt nicht auf die Abschaffung existierender Steuerschlupflöcher für größere Erbschaften eingehe. „Bei der letzten Reform hat die Union dafür gesorgt, dass Superreiche mit Vermögen über 26 Millionen Euro oft unter ein Prozent Steuern zahlen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass CDU/CSU als Cheflobbyisten der Wohlhabendsten agieren, während die Vermögensungleichheit in Deutschland weiterwächst“, so Schrodi.
Unterstützung für den Vorstoß erhält Dobrindt hingegen sowohl von der AfD als auch von der FDP. So verweist die AfD darauf, dass sie bereits im Jahr 2023 einen Antrag in den Bundestag eingebracht habe, in dem sie die vollständige Abschaffung von Erbschaft- und Schenkungssteuer gefordert hatte.
Claudia Raffelhüschen, für das Thema Erbschaftsteuer zuständige Berichterstatterin der FDP-Bundestagsfraktion, verwies auf Anfrage von WELT darauf, dass Deutschland das Land „mit den weltweit höchsten Erbschaftsteuersätzen zwischen Ehegatten und Verwandten in direkter Linie“ sei. „Deshalb ist es richtig, darüber nachzudenken, die Erbschaftsteuer zu reformieren. In einem ersten Schritt könnte man etwa die selbst genutzten Immobilien innerhalb der Familie generell, auch bei Vermietung, von einer Erbschaftsteuer befreien.“ So schnell wie möglich sollten die Freibeträge an die Inflationsrate angepasst werden, so Raffelhüschen. Sie forderte die CDU-regierten Bundesländer auf, einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat einzubringen.
Seit Ende vergangener Woche liegt der Länderkammer zu diesem Thema bereits ein Antrag des Bundeslandes Bremen vor. Darin setzt sich der Senat allerdings unter anderem für eine generelle Erhöhung der Erbschaftsteuer für große Erbschaften ein. Die Freibeträge für kleinere Erbschaften sollen dagegen erhalten bleiben. Bremen begründete seinen Vorstoß, der auch eine Wiedereinführung der Vermögensteuer vorsieht, unter anderem mit den „erheblichen Einnahmeausfällen durch Bundesgesetze“, aufgrund derer die öffentlichen Haushalte von Ländern und Kommunen derzeit „massiv unter Druck“ stünden.
Der Senat verwies unter anderem auf das im Frühjahr verabschiedete „Wachstumschancengesetz“, das wesentlich zulasten der Länderkassen gehe. Einnahmen aus der Erbschaftsteuer stehen den Bundesländern zu.
„Diese Steuerlücke ist ungerecht“
Auch die Grünen-Bundestagsfraktion spricht sich in einem Anfang der Woche veröffentlichten Positionspapier für eine Reform der Erbschaftsteuer aus. Die Partei will ebenfalls vor allem hohe Erbschaftsbeträge stärker besteuern und setzt sich unter anderem für Änderungen an den sogenannten „Verschonungsregeln“ ein, mit deren Hilfe hohe Vermögen nach Einschätzung der Grünen „oft komplett steuerfrei vererbt werden“ könnten.
So weist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch darauf hin, dass „sehr reiche Erben, die 300 und mehr Wohnungen erben“, derzeit keinerlei Erbschaftsteuern zahlten. „Diese Steuerlücke ist ungerecht, wir wollen sie schließen“, so Audretsch zu WELT. An den Steuerfreibeträgen für kleinere Erbschaften, insbesondere für Eigenheime, wollen die Grünen festhalten. Allerdings solle bei einem Verkauf von geerbten und nicht selbst genutzten Immobilien künftig auch über die bisherige Spekulationsfrist von zehn Jahren hinaus Erbschaftsteuer anfallen.
Bisher wird eine Erbschaftsteuer auf Eigenheime nicht erhoben, wenn entweder der Ehepartner oder ein Kind des oder der Verstorbenen das Haus für mindestens zehn Jahre selbst bewohnt. Andernfalls kann in beiden Fällen nur ein Höchstfreibetrag von 500.000 Euro (Ehepartner) beziehungsweise 400.000 Euro (Kinder) angerechnet werden.
Vor dem Bundesverfassungsgericht ist seit 2023 eine Normenkontrollklage anhängig, mit deren Hilfe das Bundesland Bayern die Bundesregierung dazu verpflichten lassen will, die Freibeträge zu erhöhen. Zur Begründung führt die CSU-geführte Landesregierung unter anderem an, dass die Freibeträge seit dem Jahr 2008 nicht mehr angehoben wurden, Grundstücks- und Immobilienpreise dagegen kräftig gestiegen seien.
Korrespondent Ulrich Exner ist bei WELT für die norddeutschen Bundesländer zuständig.