Politik

Wahlkampf-Talk bei Illner: Inhalte dann nächstes Jahr | ABC-Z

Zwei Monate vor der Bundestagswahl geraten die Programme der Parteien bei Maybrit Illner in den Hintergrund. Erst mal gilt es, Stilfragen zu klären.

Kaum ist das Ampel-Aus samt wochenlanger Schlammschlacht verdaut, setzt sich die verächtliche Tonalität im gerade beginnenden Bundestagswahlkampf fort. Maybrit Illner hat zwar die Frage “Wahlkampf der teuren Versprechen?” über ihre letzte Sendung dieses politisch ereignisreichen Jahres geschrieben – es geht aber vor allem um den Umgang der politischen Gegner.

“Den Ton hat der Bundeskanzler gesetzt”, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit Blick auf Olaf Scholz’ Einlassung, CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz rede gerne “Tünkram”, also Unsinn. Dem FDP-Chef Christian Lindner sprach Scholz zudem im Bundestag die sittliche Reife ab. Merz revanchierte sich, Scholz’ Auftreten sei zum fremdschämen.

Auch der neue Parteivorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, hat beim Bundeskanzler eine gewisse Selbstgerechtigkeit ausgemacht, kritisiert aber zugleich die Opposition, die alles schlechtrede. “Ist das der Lage im Land angemessen? Holt das irgendwen ab?” Er wünsche sich eine Lernkultur, Differenzierung und Selbstkritik der politischen Akteure. Ob es selbstkritisch sei, wenn der stark kritisierte Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Umfragewerten von 13 Prozent als Kanzlerkandidat antrete, fragt Illner und erwischt den Grünen-Chef damit auf dem falschen Fuß.

Zur Verteidigung des Kanzlers sitzt SPD-Chef Lars Klingbeil in der Runde. Es sei normal, dass sich die Tonart im Wahlkampf verschärfe, sagt er. Wohl wissend, dass Weihnachten vor der Tür steht und der Wahlkampf erst mal Pause hat, ergänzt er: “Es wird im nächsten Jahr um Inhalte gehen.”

Dabei gäbe es jetzt schon manches zu klären: Wie kann die Transformation der Wirtschaft gelingen, in Einklang mit Klimaschutzzielen? Bei der Union klingt vieles nach Rückbesinnung auf frühere Erfolgsmodelle, die auf dem globalen Markt jedoch nicht mehr ganz so gefragt sind. Insofern wäre es ganz spannend zu hören, wie die Klimapolitik der Union aussehen würde. Dazu lässt sich Dobrindt, einst im Abgas-Skandal stark kritisierter Verkehrsminister, weder freiwillig ein noch wird er danach gefragt. Sein Mantra, das sich durch die Sendung zieht, lautet: “Heizungsgesetz abschaffen!”

Söder mauert gegen die Grünen

Als Frage des Stils kann auch gelten, wie CSU-Chef Markus Söder permanent eine Koalition mit den Grünen ausschließt und der Union – deren Wahlsieg vorausgesetzt – eine zweite Koalitionsoption neben der SPD verbaut. Dobrindt bläst ins gleiche Horn wie sein Parteichef: “Kann man den Politikwechsel mit denjenigen machen, die maßgeblich dafür gesorgt haben, dass wir in dieser wirtschaftlichen Situation sind?” Er antwortet selbst: “Nein.”

“Wenn es nicht mehr möglich ist, dass Demokraten miteinander normal sprechen, haben wir demnächst Verhältnisse wie in den USA”, entgegnet ihm der grüne Kollege Banaszak. Die Union rede mehr über Grünen als über die eigene Arbeit. Er versucht es sogleich mit Inhalt: “Die Grünen sind dafür, den Klimaschutz voranzutreiben, die Union will ihn gerne rückabwickeln.”

Das eröffnet die Gelegenheit, die unterschiedlichen Programme der drei anwesenden Parteien zu skizzieren. Doch wann immer es ansatzweise um Konkretes gehen könnte, fallen Dobrindt oder Illner zuverlässig ins Wort. Als die Schriftstellerin Juli Zeh anmerkt, dass auch die Medien ihren Anteil an der Politikverdrossenheit haben, stimmt Maybrit Illner bereitwillig zu, schließlich wird das eigene Format wohl kaum gemeint sein.

Über Zumutungen redet man lieber nicht

“Ich würd’ gern auch was sagen”, sagt Lars Klingbeil, der eine Lobrede auf das breite Angebot der demokratischen Mitte ansetzt, um dann die politischen Vorhaben der SPD so vage wie möglich zu umreißen: “Wir haben ein Problem, was wirtschaftliches Wachstum und die Sicherheit von Arbeitsplätzen angeht. Wer hat welches Angebot und wer kümmert sich um die Alltagssorgen der Menschen und die Frage: Wie wird das finanziert?”

Während es nach dem Ampel-Aus mit Blick auf den Innovationsstau aus allen Parteien hieß, dass Zumutungen auf die Bevölkerung zukommen würden, ist davon in den Parteiprogrammen wenig zu lesen. Union, SPD, Grüne, FDP – alle versprechen finanzielle Entlastungen für den Großteil der Bevölkerung. Darüber, wie genau das umgesetzt werden soll, wo doch die Ampel-Regierung nicht zuletzt am fehlenden Geld zerbrach, gehen die Gäste nicht ins Detail. “Ich treffe viele reiche Menschen, die mir sagen: Wir sind bereit, mehr Steuern zu bezahlen”, sagt Klingbeil.

Vorweihnachtliche Heiterkeit kommt auf, als es um den SPD-Vorschlag geht, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu senken. Als nach der russischen Invasion in die Ukraine die Lebensmittelpreise drastisch stiegen, hatte Scholz einen identischen Vorstoß seines Ernährungsministers Cem Özdemir noch abgelehnt. Weil die Maßnahme aber ohnehin nicht die Probleme des Landes lösen würde, “machen wir uns ein bisschen lustig”, sagt die Moderatorin. Ganz im Ernst fügt Klingbeil an, dass die nächste Regierung eine Menge Arbeit vor sich habe. Sein Arbeitsauftrag: “Kein Schnickschnack.”

Back to top button