Wirtschaft

Wahlkampf: Rot-Grün versteckt sich hinter dem „antifaschistischen Schutzwall“ | ABC-Z

Deutschland wird dem globalen Zeitenwandel nicht gerecht: In Außen- und Innenpolitik, in Wirtschaft und Gesellschaft warten Herausforderungen, die eine Politik ohne Wenn und Aber fordern. Rot-Grün jedoch hält am eingeschlagenen Kurs fest. Friedrich Merz bleibt daher nur eine Handlungs-Option.

Lange war Friedrich Merz im Rennen um die Kanzlerschaft mit angezogener Handbremse unterwegs. Aus Angst, den deutschen Michel nur ja nicht zu erschrecken, sah er zu, wie sich Titelverteidiger Olaf Scholz mit Schlaftablettenpolitik à la Angela Merkel in den Umfragen nach vorn schob.

Wie Elefanten standen die Themen, die Deutschland zu ersticken drohen, im Raum: der Kampf um die Kulturhoheit in der Gesellschaft, die geopolitischen Umwälzungen in der Welt und die neue technische Revolution. Nach den schrecklichen Morden in Aschaffenburg hat Merz endlich die Handbremse bei der Migrationspolitik gelöst – ein bisschen. Nun muss sie ganz und in allen Bereichen weg.

Die selbsterklärten „progressiven“ Lobbyisten wollten das Klima und ihnen liebe Minderheiten schützen, indem sie den Leuten vorschreiben, was sie essen, wie sie sprechen, wohin und wie sie in den Urlaub fahren oder welche Heizung sie im Keller haben sollten. Die Grenzen sollten für alle Mühseligen und Beladenen der Welt offen sein.

Mit ihrem selbstgerechten Moralismus haben sie den Bogen im Kampf um die Kulturhoheit überspannt. Eine „anti-woke“ Gegenbewegung ist erstarkt, die ungezügelte Einwanderung aus fremden Kulturen ablehnt, den Wohlstand nicht dem Klimaschutz opfern und traditionelle Werte wiederherstellen will. Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA markiert ihren Sieg auf Weltebene. Deutschland hinkt – wie immer – hinterher.

Auf der globalen Bühne verfällt die Nachkriegsordnung und macht einer „Anarchie der Staaten“ Platz, in der sich Allianzen verschieben und nationale Interessen dominieren. Der Krieg erlebt als Mittel für nationale imperiale Ambitionen ein Comeback. In Konflikten, die von diesen Ambitionen ausgehen, ist Europa verwundbar, sowohl als geopolitischer Akteur als auch beim inneren Zusammenhalt der Europäischen Union. Unterwirft Putin-Russland die Ukraine, könnte es auch Polen besiegen und seine Einflusszone bis zum Rhein im Westen und den italienischen Alpen im Süden ausdehnen. Denn das militärisch impotente Deutschland wäre eine leichte Beute.

Merz muss mehr Trump wagen

Die „Allzwecktechnologie“ künstliche Intelligenz (KI) ist im Begriff, Wirtschaftsbranchen vom Gesundheitswesen bis zur industriellen Fertigung zu revolutionieren. Die technologische Dominanz der USA in der Entwicklung und Anwendung von KI steht in krassem Gegensatz zur langsamen und zögerlichen Übernahme in Europa.

Zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit müssen die Deutschen es zulassen, dass Altes niedergerissen werden kann, um Neuem Platz zu machen. Sonst bleibt statt „schöpferischer Zerstörung“ nur Zerstörung.

Demoskopen behaupten, zwei Drittel der Wähler wünschten einen Regierungswechsel – und damit wohl auch eine andere Politik. Viel besser als die Politiker in der Berliner Blase haben die Wähler erkannt, dass die multiplen Disruptionen Deutschland in den Abgrund stoßen werden, wenn umfassende Reformen ausbleiben.

Mit der „Brandmauer“ haben sich die rot-grünen Politiker jedoch einen „antifaschistischen Schutzwall“ errichtet, hinter dem sie sich verstecken und den Politikwechsel verhindern können. Um den Knoten durchzuschlagen, muss Merz mehr Trump wagen: Er muss für eine andere Politik ohne Wenn und Aber stehen. Und wenn Reformen nur mit einer auch von der AfD tolerierten Minderheitsregierung möglich wären, müsste er die Erneuerung Deutschlands vor den Erhalt der Brandmauer stellen. Sonst wird man über ihn nach Karl Valentin sagen: „Mögen hätte er schon gewollt, aber dürfen hat er sich nicht getraut.“

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute.

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