News

Wagenknecht gegen Weidel: Jetzt wissen wir, warum wir ihnen das Land nicht anvertrauen! | ABC-Z

Und – wer hat gewonnen? Ganz klar: Sahra Wagenknecht . Sie war konzentrierter als Alice Weidel, orientierter und stets genauer auf den Punkt. Außerdem ist Wagenknecht augenscheinlich belesener, es gab eine Situation, in der das klar wurde, nämlich: 

Als ausgerechnet die Ex-Kommunistin Wagenknecht die betonte reine Marktwirtschaftlerin und Gegnerin von Staatseingriffen Weidel darüber belehrte, dass der Ordoliberalismus sehr wohl einen starken Staat vorsieht – um nämlich die Wettbewerbsgleichheit großer und kleiner Unternehmen zu sichern. Das war Hochreck – und es stimmt. 

Wagenknecht hat Weidel voll und kalt erwischt

Nachdem man Weidel jetzt – endlich einmal – länger zuhören konnte im Fernsehen, weiß man noch weniger als vorher, was die AfD überhaupt ist. 

Das aber ist eine wertvolle Erkenntnis, Wagenknecht hat Weidel an diesem Punkt voll und kalt erwischt: Ist sie nur das charmante Gesicht einer eher völkischen Partei und deren wahrem Machthaber – Björn Höcke? Wenn der so nett (gemeint: harmlos) sei – weshalb wollte Weidel ihn denn rauswerfen? 2017 war das. Die Parteichefin antwortete: nicht. 

Und noch eine Erkenntnis ließ sich gewinnen: Mit einer AfD ohne Höcke könnte Wagenknecht sich augenscheinlich vorstellen, ein Bündnis einzugehen. Dies könnte – ausgerechnet in Thüringen – noch einmal sehr wichtig werden.

Deutschland wäre kein westliches Land mehr

Haben denn nun diese beiden hochintelligenten und gebildeten, selbstbewussten und telegenen Frauen das Zeug, Deutschland zu regieren – eine Frage, die sich immer drängender stellt, je stärker beide Parteien werden? Klare Antwort:  Nein, auf gar keinen Fall. Deutschland würde das, was es nie wieder sein darf – ein sehr großes, sehr unberechenbares Land in der Mitte Europas, mit einem unklaren Verhältnis zu der Supermacht, die seit einem Dreivierteljahrhundert unsere äußere Sicherheit garantiert.

Wagenknecht ist eine lupenreine Anti-Amerikanerin – sozusagen Oskar Lafontaine – ihr Ehemann – hoch drei. Und das westliche Verteidigungsbündnis, die Nato, garantiert für sie nicht unsere Freiheit, sie gefährdet sie. Mit einer Bundeskanzlerin Sahra Wagenknecht wäre Deutschland kein westliches Land mehr. 

Mit einer Regierungschefin Weidel wäre es auch nicht besser. Ihre These, die Osterweiterung der Nato sei praktisch an der russischen Aggression gegen die Ukraine schuld, hält der historischen Forschung nicht stand. Dementsprechend ist auch ihre These, es handle sich in der Ukraine um einen „Stellvertreterkrieg“, viel zu simpel. 

Brutale Täter-Opfer-Umkehr

Die Westbindung ist der eine Grund, weshalb man weder Wagenknecht noch Weidel trauen sollte. Der andere: Israel. Wagenknecht nennt in schönster Einseitigkeit und brutaler Täter-Opfer-Umkehr Israels Kriegführung gegen die terroristischen Vasallen des Iran „barbarisch“, er trage – und das geht gar nicht und es stimmt auch nicht – Züge eines „Vernichtungsfeldzugs“. Konsequent fordert Wagenknecht ein deutsches Waffenembargo gegen Israel. 

In sich ist das zwar hanebüchen, aber doch stimmig – antisemitisch ist es nicht. Das gilt auch für Weidel, wobei die AfD-Spitzenfrau und demnächst wohl Kanzlerkandidatin gewaltig ins Schlingern gerät. Erst halb für, dann ganz gegen Waffenlieferungen – und dann auch noch mit dem sachlich falschen Argument, die Bundesrepublik habe gar keine Waffen, die es zu liefern überhaupt imstande wäre. 

Enttäuschend phantasielos und phrasenhaft halten beide Politikerinnen an der „Zweistaatenlösung“ fest. Das ist eine Fiktion – und auch kein Deut besser als das, was Annalena Baerbock zum Thema abliefert. Eine Zweistaatenlösung ist, pardon: Blödsinn. 

Weder existiert eine klare und nachvollziehbare Vorstellung über das Territorium eines solchen Palästinenserstaates. Noch gibt es eine Idee, vom wem sich denn die Palästinenser repräsentieren lassen wollten, spitz formuliert: Von einem Holocaustleugner oder einem Hamas-Terroristen. Israel wird nie einen Staat tolerieren, der seine Bevölkerung ins Meer treiben will. Und auch im deutschen Interesse muss man sagen: Und das ist auch gut so. 

Überraschung beim Thema Migration

Schließlich das Thema, dass für die Deutschen in Ost und West derzeit die Nummer Eins ist: Migration. Wagenknechts migrationsskeptische Position ist erstaunlich unionsnah, Weidels dagegen schillernd. Wen genau sie nun sie aus Deutschland loswerden will, erfährt man nicht. Will sie den inzwischen integrierten syrischen Ex-Flüchtling abschieben, weil „Asyl nur auf Zeit“ gewährt werde, oder nicht, weil er dem Bruttosozialprodukt nutzt – es bleibt offen. 

An dieser Stelle ein Lob an den Moderator, der es wohltuend vermieden hat, in eine böse Falle zu tappen. Wie oft hat man in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit „Remigrations“-Plänen der AfD das Wort „Deportation“ gehört – übrigens auch vom Bundeskanzler, im Bundestag sogar.  

Nun: Dieses Wort steht in keinem AfD-Programm, und auf diesem ominösen „Potsdamer Treffen“ ist es auch nie gefallen. Auf diese billige Diffamierung hat Jan Philipp Burgard verzichtet – man muss ihm dankbar dafür sein. 

Überhaupt war dies eine gute und gut geführte Debatte. Sie verlief, ganz anders als andere Polit-Talks, im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, weitgehend phrasen-frei. Und man spürte die ganze Stunde über das aufrichtige Interesse der Redaktion am Erkenntnisgewinn. Umso wohltuender jeglicher Verzicht auf Belehrung des Publikums, die für die öffentliche Konkurrenz inzwischen so verstanden wird, als gehöre sie zum Sendeauftrag.  

Back to top button