Wirtschaft

Wachstum in Deutschland bleibt 2025 verhalten | ABC-Z

Vor einem Jahr galten sie noch als die großen Pessimisten und wurden von manchen ein wenig belächelt. Robin Winkler von der Deutschen Bank, Jörg Krämer von der Commerzbank und Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung gehörten damals zu den wenigen Volkswirten, die der deutschen Wirtschaft für das Jahr 2024 eine Schrumpfung pro­gnostizierten. Das wich deutlich von den Erwartungen der großen Wirtschaftsforschungsinstitute ab, die ein Wachstum von 0,5 bis 0,9 Prozent für wahrscheinlich hielten. Doch die Pessimisten behielten recht.

Das Statistische Bundesamt wird kommende Woche eine erste Schätzung für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2024 vorlegen. Schon jetzt aber gehen Ökonomen nahezu einhellig davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent geschrumpft sein wird. Deutsche Bank Research hätte damit mit seiner Prognose von vor einem Jahr eine Punktlandung hingelegt. Commerzbank und das IMK mit minus 0,3 Prozent lagen nur knapp daneben.

Die vom Steuerzahler finanzierten Konjunkturökonomen gingen mit ihren Prognosen dagegen fehl. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die „Wirtschaftsweisen“, rechnete vor einem Jahr für 2024 mit einem Wachstum von 0,7 Prozent, das RWI in Essen mit 0,8 Prozent, das Münchner Ifo-Institut und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) gar mit 0,9 Prozent. Da stimmt im Nachhinein nicht nur die konjunkturelle Richtung nicht, sondern auch das Ausmaß der Fehlprognose ist mit rund einem Prozentpunkt groß.

Nachwirkungen des Inflationsschocks

Das lässt sich nicht allein mit statistischen Revisionen oder den fiskalischen Wirren erklären, die das haushaltspolitische Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst hatte. Viele Ökonomen setzten wie im Lehrbuch darauf, dass mit höheren Tarifabschlüssen und steigenden Realeinkommen die Verbraucher wieder mehr konsumieren würden. Sie unterschätzten indes, wie stark die Nachwirkungen des Inflationsschocks die Verbraucher vor neuen Ausgaben zurückschrecken ließen. Unterschätzt wurde zudem, wie tief das verarbeitende Gewerbe in der Krise steckt, was zu einem abermaligen deutlichen Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen führte. Der nüchterne Vergleich der Prognosen von vor einem Jahr mit der tatsächlichen Entwicklung ist ein Warnsignal, auch die Prognosen für 2025 mit gehöriger Skepsis anzusehen.

Für dieses Jahr haben sich die Aussichten in den vergangenen Monaten verschlechtert, vor allem deshalb, weil sich die Stimmung und die Erwartungen der Unternehmen seit dem Herbst wieder deutlich eingetrübt haben. Die Wachstumsprognosen liegen so in etwa auf dem Vorjahresniveau. Ein drittes Rezessionsjahr nach 2023 und 2024 erwarten nur vereinzelte Finanzinstitute, während die Prognosen für 2025 sich im Durchschnitt auf ein sehr verhaltenes Wachstum von 0,3 bis 0,4 Prozent eingependelt haben. Unterstellt ist dabei in unterschiedlichem Ausmaß eine weitere Lockerung der Geldpolitik, weil die Inflation in ruhigeres Fahrwasser zurückgekehrt ist.

Auch die besten Prognostiker des Vorjahres sind in ihren Erwartungen zurückhaltend: Deutsche Bank Research setzt für 2025 eine Rate von 0,5 Prozent an, Commerzbank und das gewerkschaftsnahe IMK von 0,2 und 0,1 Prozent. Die großen Wirtschaftsforschungsinstitute decken eine Prognosespanne von Stagnation (Kieler IfW) bis zu 0,6 Prozent (RWI Essen) ab. Als überhöht gelten darf die Herbst-Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums, das noch ein Wachstum von 1,1 Prozent für dieses Jahr nennt.

Die Wirtschaftsverbände sind in der Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft weniger pessimistisch als noch vor einem Jahr. 20 der befragten 49 Verbände erwarten, dass die Produktion in diesem Jahr geringer ausfallen werde als 2024. Doch 16 Verbände rechnen mit einer Mehrproduktion ihrer Mitgliedsunternehmen. Das Übergewicht der negativen Stimmen ist deutlich geringer als noch vor einem Jahr.

Verhaltenere Erholung des privaten Konsums

Zwei Erkenntnisse haben sich in den Prognosen der Ökonomen weitgehend durchgesetzt. Erstens wird für dieses Jahr eine weitaus verhaltenere Erholung des privaten Konsums prognostiziert als noch vor einem Jahr, nachdem die Verbraucher im vergangenen Jahr auch unter dem Eindruck des früheren Inflationsschocks mehr gespart hatten, als von den Konjunkturforschern erwartet worden war. Den Konsum belasten dürfte zudem, dass mit einer schlechteren Lage am Arbeitsmarkt und einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 6 auf vielleicht 6,3 Prozent mehr Menschen um ihren Arbeitsplatz fürchten werden. Auch die Löhne dürften nicht mehr so stark steigen wie im vergangenen Jahr. Darauf weist unter anderem die Deutsche Bundesbank in ihrem Ausblick hin. Der private Konsum sei kein eigenständiger Motor der erwarteten Erholung mehr, schreibt die Bundesbank. Sie erwartet nicht kalenderbereinigt ein Wachstum von 0,1 Prozent, was der Sta­gnation nahekommt.

Als zweite Erkenntnis betonen die Ökonomen zunehmend, dass die deutsche Industrie von einer Erholung der Weltwirtschaft nicht mehr so stark profitiere wie früher. Die Wachstumsmisere der vergangenen Jahre sehen immer mehr Ökonomen als strukturelles Pro­blem des Standorts und nicht als konjunkturelles Problem einer vorübergehenden Nachfrageschwäche. Entsprechend trübe sind die Erwartungen für den Export und die Ausrüstungsinvestitionen.

Die Ausblicke von Unternehmen und Konjunkturforschern sind an diesem Jahresbeginn mehr als üblich von Unsicherheit geprägt, weil in Deutschland die Bundestagswahl ansteht und weil die Wirtschafts- und Handelspolitik des künftigen amerikanischen Präsidenten Donald Trump noch viele Fragezeichen hinterlässt. Sicher aber ist, dass das neue Jahr nach Berechnung des Statistischen Bundesamts 0,7 Arbeitstage weniger haben wird als das Vorjahr. Was die Arbeitnehmer erfreuen könnte, wird das Wirtschaftswachstum aufs Jahr gerechnet nach einer Daumenregel um ein bisschen weniger als 0,1 Prozentpunkte drücken. Angesichts der erwartet niedrigen Wachstumsraten wird sich aber auch das bemerkbar machen.

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