VW: Alle werden verlieren, denn die fetten Jahre sind vorbei | ABC-Z
Bei den Tarifgesprächen bei Volkswagen geht es letztlich auch darum, wer die Macht in Wolfsburg hat. Aktuell ist es die IG Metall – sie verteidigt die teuren Strukturen im Konzern. Die Frage muss erlaubt sein, wie sich VW das leisten soll. Stattdessen braucht es dringend Reformen.
Volkswagen steuert auf einen heißen Winter zu, auf Warnstreiks und Protestaktionen der Belegschaft. „Hinter jedem Adventskalendertürchen steckt eine Überraschung“, kündigte der Verhandlungsführer der IG Metall, Thorsten Gröger, vor den Tarifgesprächen am Donnerstag an. Letztlich geht es nicht nur um Einsparungen, Stellenabbau und Werkschließungen. Sondern auch darum, wer die Macht in Wolfsburg hat.
Bisher hat sie klar die IG Metall. Sie verteidigt die teuren Strukturen in Deutschland seit Jahren. Sie hält fest an Werken, deren Auslastung dramatisch gesunken ist, an einer überdimensionierten Verwaltung und zu großen Entwicklungsabteilungen.
Der ganze Apparat des Unternehmens ist teuer und schwerfällig. Aus Angst vor Konflikten hat sich VW diese Ineffizienz trotzdem geleistet – und sie durch Gewinne aus China und von anderen Konzernmarken überdeckt. Das ist nun nicht mehr möglich.
Der Zukunftsplan der Arbeitnehmer für die Tarifverhandlungen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim größten Streitpunkt die Fronten verhärtet sind: der Frage nach Werksschließungen. Dieses Konfliktthema liegt in den Tarifgesprächen gar nicht auf dem Tisch. Und Daniela Cavallo, die Betriebsratsvorsitzende, hat sehr früh eine rote Linie gezogen: Fabriken in Deutschland sollen nicht geschlossen werden. Allein in der Ankündigung sieht Cavallo schon „eine maximale Provokation“.
Dabei muss die Frage erlaubt sein, wie sich VW in Zukunft Fabriken leisten soll, die nur auf halber Kraft laufen. In Wolfsburg beispielsweise sind die Maschinen auf 800.000 Fahrzeuge ausgelegt, produziert werden aber nur um die 500.000.
Komponentenwerke wie Kassel oder Chemnitz werden absehbar immer weniger Verbrennungsmotoren und Getriebe herstellen. Es geht nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um einen vernünftigen Einsatz von Kapital.
Wie sich die Gewerkschaft diesen Einsatz vorstellt? Die Aktionäre sollen auf Dividenden verzichten, die Manager auf Boni. Konzernchef Oliver Blume dagegen hat als Ziel eine Rendite von 6,5 Prozent gesetzt – einen Wert, den die Marke VW seit Jahren nicht erreicht hat. Damit soll das Unternehmen die Mittel für die notwendigen Investitionen in die Zukunft selbst verdienen. Und am Kapitalmarkt so attraktiv werden, dass auch dort die Finanzierung künftiger Technologien möglich ist.
Die Parallelen zum Zustand des ganzen Landes sind frappierend. Volkswagen braucht Reformen – genauso wie der Wirtschaftsstandort Deutschland: weniger Bürokratie, mehr Produktivität, modernere Technologie. Das klingt harmlos, bedeutet aber, dass jeder etwas verlieren wird.
Die fetten Jahre sind vorbei. Die ruhige Merkel-Zeit, in der alle bequem auf einer bröckelnden Substanz gelebt haben, kommt nicht wieder. Auch bei VW dreht sich der Konflikt darum, wie radikal die Reformen ausfallen werden: Grundsanierung oder lauer Kompromiss.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.