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Vorteil Eintracht Frankfurt nach dem Boxkampf gegen Tottenham? | ABC-Z

In einer unendlichen Stadt namens London gibt es so viele Viertel, Märkte und Plätze, dass ein kleiner Stadtteil im Norden fast in Vergessenheit gerät. Es liegt an einem Fußballklub, den die Menschen Spurs rufen, dass das dann doch nicht passiert. Und an der berühmtesten Tochter Tottenhams: Adele.

In einem ihrer Lieder, „Hello“, singt sie von einer anderen Seite, auf der sie steht. Am Donnerstagabend, im Viertelfinale der Europa League, stand auf jener anderen Seite der Brasilianer Kauã Santos. 1:1 spielte Adeles Heimatklub, Tottenham Hotspur, gegen Eintracht Frankfurt. A thousand times, tausend Mal, mussten sie auf Santos‘ Tor geschossen haben, hätte sie weitersingen können.

Vergebens. Der Eintracht-Torhüter war zur Stelle, selbst in der letzten Szene des Spiels. Immer länger wurde ein Kopfball des Verteidigers Micky van de Ven, doch Santos streckte sich so, als ob er seinen Körper gerade in dem Moment nochmal verlängerte, in dem der Ball hinter ihm ins Tor zu fallen scheint. Danach pfiff Schiedsrichter Szymon Marciniak ein Spiel ab, das seinen Höhepunkt schon eine gute halbe Stunde früher erlebt hatte.

Ein echtes Pokalspiel

Zwischen der 50. und der 65. Spielminute erinnerte das Duell zwischen Tottenham und der Eintracht an einen Boxkampf. Erst taumelte die Eintracht in ihrer Ecke, setzte 90 Sekunden lang ihre Defensivbemühungen aus und sah, wie Mittelfeldspieler Lucas Bergvall erst traumhaft ans Lattenkreuz schoss, dann an die Latte köpfte.

Dann kamen die Frankfurter wieder auf die Beine und drängten die Spurs in ihre Hälfte. Ein echtes Pokalspiel war es zu diesem Zeitpunkt, eher ein Rückspiel eigentlich, ein Spektakel jedenfalls. Einmal rollte der Ball ins Seitenaus, die englischen Fans sprangen auf und wollten ihn so schnell wieder zu ihrem Verteidiger werfen, dass ihre Mannschaft direkt zum Gegenschlag ansetzt. Doch der Spanier Pedro Porro atmete erst einmal durch.

Möglich war diese Phase im Spiel, weil der Schiedsrichter jeden Zweikampf laufen ließ, der kein eindeutiges Foul war. Die knapp 58.000 Zuschauer sahen so, wie schön, wie schnell, wie intensiv ein Fußballspiel sein kann, wenn es nicht jede halbe Minute unterbrochen wird.

Ein anderer Grund für das Spektakel lag bei den Teams selbst: Beide können vieles gut, aber nichts besser als den Ball schnell auf und ab zu spielen. Das war schon in der ersten Halbzeit zu sehen, als die Spurs jedes Mal, wenn sie den Ball länger hielten, früher oder später hoch auf die linke Seite spielten.

Tottenham kontert per Hacke

Dort stand entweder Spielmacher James Maddison oder Außenspieler Heung-Min Son. Die Eintracht wiederum konzentrierte sich bei ihren Kontern auf ihren Stürmer Hugo Ekitiké. Der Franzose schlängelte sich schon nach sechs Minuten zum ersten Mal durch die englische Abwehr, angreifen wollte ihn niemand so recht, also schoss er ins rechte Eck – 0:1.

Ekitiké rutschte auf die englischen Fans zu, genau in der Pose, in der das früher sein Idol Thierry Henry im Trikot des Londoner Rivalen Arsenal getan hatte. Die Spurs drängten die Frankfurter daraufhin immer tiefer in deren Hälfte, bis sie über Son und Maddison kombinierten und besagter Porro nicht durchatmete, sondern in den Frankfurter Strafraum sprintete und per Hacke ausglich (26. Minute).

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Dann passierte eine Weile nichts, bis zum Boxkampf. Als den beide einigermaßen unbeschadet überstanden hatten, versuchte die Eintracht noch ein paar Mal zu kontern, aber ohne Ekitikés Überzeugung vom Spielbeginn. Die Frankfurter merkten: Ihr Gegner ist nicht dreimal so gut, nur weil die Mannschaft dreimal so teuer ist. Mehr als 800 Millionen Euro soll der Kader der Engländer wert sein.

Dann köpfte Van de Ven, und Santos hielt. Wenn jemand kurz vor Schluss doch noch scheitert, nennen das die Engländer in ihrer Umgangssprache „spursy“. Das ist, man ahnt es schon, eine Anspielung auf das Fußballteam aus dem Norden Londons, das es selten hinbekommt, wichtige Spiele für sich zu entscheiden.

„Fußballgötter beschäftigen sich mit anderen Teams“

Die eigene Zauderei wollte Spurs-Trainer Ange Postecoglou nicht als Grund für das Remis gelten lassen, das ein bisschen wenig schien nach einer dominant geführten Partie. Er sah höhere Mächte im Spiel: „Die Fußballgötter beschäftigen sich in dieser Saison mit anderen Teams.“ Ohne die Götter müssten es die Spurs also schaffen.

Ob es ihnen auch in Frankfurt gelingen wird, ihren Gegner minutenlang einzuschnüren, ist alles andere als sicher. Zu heimstark ist die Eintracht, gerade im Europapokal. „Zuhause wird es ein anderes Spiel“, sagte ihr Trainer Dino Toppmöller, nachdem seine Mannschaft in London lange verteidigte.

Sie tat es mit einer Viererkette, die so konzentriert spielte, wie es nur ein Verbund tut, der schon ein paar Spiele erlebt hat. Arthur Theate, Robin Koch, Tuta und Rasmus Kristensen sind alle seit Jahren keine Talente mehr – und in der Eintracht-Mannschaft damit eine Ausnahme.

Einer der Älteren, Theate, stellte nach dem Spiel eine einfache Rechnung auf: Wer zuerst zuhause spielt, muss gewinnen. Denn in der Woche darauf werde es auswärts komplizierter. Das hieße: Vorteil Frankfurt. Diese Formel mag für normale Duelle gelten, aber Tottenham und die Eintracht sind sich so ähnlich, dass am kommenden Donnerstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL), wenn sich entscheidet, wer im Halbfinale der Europa-League spielt, eine andere der Wirklichkeit näherkommt. Die Eintracht spielt zwar in Frankfurt, es ist ein Endspiel ohne Altlasten, weil die Auswärtstorregel längst Geschichte ist. Und dennoch, rechnete Dino Toppmöller vor, stünden die Chancen noch immer gleich: 50/50.

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