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Zufälliges Verhalten: Studie zur menschlichen Unberechenbarkeit – Wissen | ABC-Z

Was haben ein Feldhase, ein Elfmeterschütze und ein erfolgreicher Verhandler gemeinsam? Die Tatsache, dass sie zu einem gewissen Maß von erratischem oder zufälligem Verhalten profitieren können. Der Hase entkommt seinen Jägern mit höherer Wahrscheinlichkeit, wenn er plötzlich und vor allem zufällig Haken schlägt und die Fluchtrichtung wechselt. Auch der Elfmeterschütze trifft mutmaßlich besser, wenn er nicht jedes Mal in die gleich Ecke schießt, sondern die Bälle nach einem zufälligen Muster mal nach rechts, nach links, hoch, tief oder in die Mitte setzt – präzise Schüsse natürlich vorausgesetzt. Und auch ein Verhandlungsführer erzielt bessere Ergebnisse, wenn er sich ein wenig, aber wirklich nur ein wenig erratisch verhält. Entscheidend ist: Der Zufall kann helfen, dass Hase, Fußballer und Verhandler für das jeweilige Gegenüber schwerer berechenbar sind. Aber können Menschen das überhaupt – den reinen Zufall zulassen und in ihre Handlungen einbauen?

Die kurze Antwort lautet: kaum. Die längere Antwort fällt deutlich ausführlicher und etwas komplizierter aus. Gerade haben nun Psychologen um Tal Boger von der Johns Hopkins University und Sami Yousif von der University of North Carolina eine Studie veröffentlicht, wonach das Ausmaß der Neigung zu rein zufälligem Verhalten eine individuell recht stabile Eigenschaft sein könnte. Wie sie im Journal of Experimental Psychology: General berichten, wirkt in jedem Menschen offenbar so etwas wie ein persönlicher Zufallsgenerator mit festen Einstellungen. Wie sehr Verhalten oder Entscheidungen vom Zufall geprägt sind, scheint demnach ähnlich stabil zu sein wie andere Persönlichkeitsmerkmale.

In der Vergangenheit haben Psychologen nicht nur untersucht, wie Menschen Zufälle wahrnehmen oder auf sie reagieren. Sie haben sich auch dafür interessiert, wie gut Probanden zufällige Reihenfolgen generieren, also wie sie als menschliche Zufallsgeneratoren funktionieren. Müssen Studienteilnehmer immer wieder so tun, als hätten sie eine Münze geworfen oder einen Würfel gewürfelt, produzieren sie in der Regel Ergebnisreihen, in denen – vereinfacht gesagt – zu wenig Zufall und zu viel Regelmäßigkeit steckt. Zum Beispiel neigen sie dazu, Wurfergebnisse ungern zu wiederholen, weil das ihrer Zufallsintuition widerspricht: Nach einer gewürfelten 1 kann doch nicht wieder eine 1 fallen – und dann noch mal, oder? Dabei ist die Wahrscheinlichkeit bei jedem Wurf gleich groß. Bei solchen Aufgaben neigen Menschen also dazu, zu stark zwischen Optionen oder Ergebnissen zu alternieren und Wiederholungen zu meiden, schreiben die Psychologen um Boger und Yousif.

Auf berechenbare Weise unberechenbar

Diese menschliche Neigung wiederum beschert Wissenschaftlern die Möglichkeit, zu ermitteln, wie der Zufallsgenerator in Individuen jeweils kalibriert ist. Für ihre aktuelle Studie ließen die Psychologen um Boger und Yousif ihre Probanden in insgesamt drei Versuchen Zufallsreihen von Ziffern erstellen. Außerdem mussten sie zufällig Tasten auswählen, die je nach Versuch etwas unterschiedlich angeordnet waren. Einmal sollte es um Zahlen, einmal um räumliche Muster gehen – so die Idee dahinter. Schließlich wiederholten sie mit einem Teil der Probanden die Versuche nach einer Pause von einem Jahr, um zu prüfen, wie stabil die individuellen (metaphorischen) Zufallsgeneratoren im Denken der Probanden arbeiteten.

Die Ergebnisse zeigten, so die Forscher, dass die Teilnehmer erstens die üblichen Verzerrungen aufwiesen und zum Beispiel Wiederholungen stärker mieden, als dies per Zufall zu erwarten wäre. Zum anderen zeigten sie konsistentes Verhalten in den verschiedenen Aufgaben und auch über die Zeit. Egal, ob sie Zahlenreihen oder räumliche Muster erstellen sollten – ihr persönlicher Umgang mit dem Zufall fiel stets sehr ähnlich aus.

Auch nach einer Pause von einem Jahr offenbarte sich diese Form der Konsistenz. Jede Person verhält sich also vermutlich in einem berechenbaren Ausmaß unberechenbar, vergleichbar mit dem Hang einer Person zu riskantem Verhalten, Extraversion, Spontanität oder anderen Charaktermerkmalen. Anders gesagt: Jeder Mensch scheint auf berechenbare Weise unberechenbar zu sein.

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