News

Kann Konservative-Chef Friedrich Merz Kanzler? | ABC-Z


analyse

Stand: 14.04.2025 12:42 Uhr

In seinem politischen Leben hat CDU-Chef Merz viele Rollen ausgefüllt – aber noch kein Regierungsamt. Eine offene Frage bleibt, wie kompromissbereit er als möglicher Kanzler sein wird.

Es gibt Bilder von einem etwas abgekämpften CDU-Chef Friedrich Merz aus den vergangenen Tagen: Müder Blick, Schweiß auf der Oberlippe – so stellte er gemeinsam mit den Koalitionspartnern ihren Vertrag vor. Erst die harten Verhandlungen mit den Grünen zur Reform der Schuldenbremse, nun die machtbewusste CSU und eine SPD, die sich etliche Ministerien sichert: Es ist der Schleudergang zur Macht, den Merz durchmacht.

Schon jetzt dürfte das seinen Blick aufs Kanzleramt verändert haben. “Die Botschaft von Friedrich Merz an seine Partei war in der vergangenen Woche: Kompromiss muss nichts Schlechtes sein”, sagt Sara Sievert, Journalistin und Merz-Biografin. “CDU pur, das ist vorbei.”

CDU pur – das war die Botschaft der Merz-Getreuen im Wahlkampf. Überhaupt klang es in den Oppositionsjahren alles so leicht: keine Kompromisse mehr, Ansagen vom ersten Tag an. Genau dieser Stil hat Merz über Jahre zur Galionsfigur der Hardliner in seiner Partei gemacht.

Er wetterte gegen Koalitionen mit der SPD und stellte das Grundrecht auf Asyl in Frage. Dafür werde er “gefeiert wie ein christdemokratischer Märtyrer”, schrieb das Magazin Cicero 2018 und fragte: “Wird er die Leidenszeit der Konservativen beenden?”

Machtbasis verloren

Merz’ Problem im Kanzleramt dürfte werden, dass er genau diese Machtbasis verloren hat. Seine Truppen in der Union sind enttäuscht wegen all der Kompromisse, die Merz eingehen musste. “Er wird ausgerechnet von der Gruppe am meisten Druck bekommen, die ihn ins Amt getragen hat”, glaubt Sara Sievert. Merz müsse sich überlegen, wie er damit umgeht, wie er das rechte Lager der eigenen Partei einfängt.

Wie viel Macht das Kanzlerwort von Merz hat, dürfte sich etwa am Umgang mit der AfD zeigen. Merz hat immer wieder betont, wie zuwider ihm der Politikansatz der AfD sei, wie wenig er mit ihr zusammenarbeiten wolle. Beobachter halten das für glaubhaft. Ob er eine Zusammenarbeit oder Koalition aber mittelfristig auf Länderebene verhindern könne, sei sehr fraglich, sagt Biografin Sievert.

Vor allem aus Kreisverbänden im Osten kommen Forderungen zur Zusammenarbeit mit der immer stärkeren AfD. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kündigte im Bericht aus Berlin an, dass er Mitglieder, etwa im sächsischen Naunhof, besuchen und mit ihnen über ihre Forderungen sprechen möchte. Linnemanns Standpunkt: “Jetzt muss geliefert werden – dann wird die AfD auch wieder kleiner.”

Grüne kritisieren Merz’ Politikstil

Die AfD selbst schaut erwartbar kritisch auf Merz im Kanzleramt, wenn auch nicht so negativ wie auf seine Vorgänger. Merz war schließlich lange der Gegenspieler Angela Merkels – und Merkel wiederum die Antifigur für AfD-Anhänger. “Nach dem Desaster, was Merkel angerichtet hat – jetzt besser zu sein, ist fast kein Kunststück”, beschreibt der stellvertretende AfD-Bundessprecher Kay Gottschalk seine Erwartungen gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Zugleich glaubt er, dass Merz mit Merkel gemeinsam habe, dass beide “der Macht alles unterordnen”.

Die Grünen wiederum kennen Merz als Fast-Kanzler nun schon aus langen Verhandlungen rund um die Reform der Schuldenbremse. Immer wieder wurde seitdem aus grünen Kreisen kolportiert, Merz habe wenig zur Einigung beigetragen. Stattdessen habe CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Atmosphäre gerettet und die Kompromisse geschmiedet – ganz ähnlich, wie es SPD-Verhandler nun aus den Koalitionsgesprächen berichten.

Über den Verhandler Merz sagt die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge, er habe “die Idee, dass man Politik so macht, dass man selber der Boss ist und Ansagen macht – und die anderen sollen dann hinterher”. So funktioniere Politik aber nicht mehr. Es gehe “in diesem Jahrhundert viel mehr im Dialog, viel mehr im Kompromiss, weniger durch Ansagen”.

Zudem warnt Dröge den CDU-Chef, dass er einer von Markus Söder “betreuten Kanzlerschaft” entgegen gehe. Die CSU werde alles geben, um klar zu machen, dass Merz nur “von Söders Gnaden” Regierungschef ist, vermutet Dröge.

Wird er aktiv in der Außenpolitik?

Innenpolitisch wird Merz also gehörig unter Druck stehen. Seine Chance könnte die Außenpolitik sein. “Das ist ganz wichtig, denn das ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen”, sagt Sara Sievert. Merz werde versuchen, Europa zu stärken – und viel aktiver und verlässlicher zu sein als Noch-Kanzler Olaf Scholz.

Merz’ Verhältnis zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirkt wesentlich enger. Kurz nach der Wahl gab es Bilder eines vertrauten Gesprächs im Èlysée-Palast. Schon im Wahlkampf umriss Merz sein Ziel: “Wir müssen von einer schlafenden Mittelmacht zu einer aktiven Mittelmacht werden.”

Der neue Kanzler könnte also viel Zeit im Regierungsflieger verbringen. Damit währenddessen seine Koalition in Deutschland rund läuft, komme es nun darauf an, wie Merz sein engstes Umfeld baut. “Innenpolitisch muss er sich auf jeden Fall Leute in sein enges Team holen, die es dann hier für ihn wuppen”, sagt Sievert.

Wenig Regierungserfahrung

Bislang hat er mit Generalsekretär Linnemann und Thorsten Frei, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, zwei Männer im kleinsten Kreis, die wie er keine Erfahrung in Landes- oder Bundesregierungen haben. Aus den Verhandlungen der vergangenen Wochen ist immer wieder zu hören, dass man diese Leerstelle der CDU anmerke – auch deshalb hätten sich CSU und SPD in vielen Punkten durchsetzen können. 

Hardliner-Merz, Außen-Merz, Talkshow-Merz: Es gibt viele Rollen, die der 69-Jährige in seinem politischen Leben gefüllt hat. Bis er Anfang Mai wahrscheinlich zum Kanzler gewählt wird, hat er sich nun “ein paar Tage Urlaub” verordnet. Vielleicht ein Moment, um nach teils dramatischen Wochen nun in die neue Rolle zu finden. 

Back to top button