Von Ceausescu bis Assad: Disneyland der Diktatorenpaläste | ABC-Z
Im Sommer war ich in Bukarest. Es war sehr heiß, und ich lief mit einer Freundin um den „Casa Poporului“, was an sich schon ein Witz ist. Denn das „Haus des Volkes“, wie ihn Ceausescu nannte, war alles, nur kein Haus. In erster Linie war der riesige neoklassizistische Klotz aus Beton, Mörtel und Marmor und ziemlich hässlich. Ein Produkt des real existierenden Sozialismus eines größenwahnsinnigen und ausgesprochen geschmacklosen Diktators. Es wurde erst in den Achtzigerjahren errichtet, ist allerdings nicht gut gealtert.
Das betrifft nicht nur das Reaktionäre, Totalitäre, Monströse des Gebäudes, sondern auch seine Bausubstanz. Kaum hat man eine Ecke fertigsaniert, bröckelt es schon wieder. Unmöglich, so ein riesiges Ding instand zu halten. Es ist einfach viel zu groß. Auf der Suche nach dem Eingang des Museums für Gegenwartskunst hatten wir Gelegenheit, es von allen Seiten zu betrachten. Die Suche gestaltete sich als nicht einfach, denn das Gebäude beherbergt auch das rumänische Parlament – Senat und Abgeordnetenhaus, das Parlamentspalast-Museum, ein internationales Konferenzzentrum – und ist dabei trotzdem nicht ausgelastet.
Der gleiche Personenkult in Syrien und Rumänien
Ceausescu hatte für den Palast und das ihn umgebende Viertel mit seinen Paradestraßen und den Wohnungen für die Regimebeamten nicht nur 25 Prozent der Altstadt abgerissen, Kirchen, Synagogen und Häuser von circa 40.000 Menschen zerstört, sondern auch 40 Prozent des rumänischen Bruttosozialprodukts in den Bau gesteckt. Und das während die Menschen hungerten, froren und Strom sparten. So ist „Haus des Volkes“ vielleicht doch ganz treffend, wenn man bedenkt, dass der Diktator sich die Mittel für sein „Haus“ von der Bevölkerung zusammengeklaut hatte.
Während wir die langen Palastmauern entlangliefen, dachte ich an die Assad-Diktatur in Syrien. Ein wenig wehmütig, denn Ceausescu war längst gestürzt, während Assad noch fest auf seinem Thron saß. Der Sprung von Ceausescu zu Assad mag auf den ersten Blick weit erscheinen. Doch waren die Beziehungen eng zwischen den sozialistischen Diktaturen Nicolae Ceausescus und Hafez al-Assads. Für syrische Studenten gab es in Rumänien Stipendien und zwischen den beiden Ländern landwirtschaftlich regen Austausch, Rumänien baute in Syrien eine Ölraffinerie, eine Zementfabrik, eine Phosphatfabrik, Strom- und Gasübertragungsnetze und Hunderte öffentliche Gebäude.
Die Minen bleiben
Auch das Wesen der Diktatur ähnelte sich, der sozialistische Anstrich, der Personenkult, der gefürchtete Geheimdienstapparat, die arme, hungernde Bevölkerung. Nur wurde Ceausescu 1989 gestürzt und Hafez al-Assad nach seinem Tod im Jahr 2000 von seinem Sohn Baschar abgelöst, der das Land erst in eine wirtschaftliche, jedoch nicht politische Liberalisierung führte und dann in den Abgrund des Krieges.
Auf der Suche nach dem Eingang des Museums dachte ich auch an die grüne Scherbe, die zu Hause in meinem Bücherregal lag. Die grüne Scherbe stammte von einem der zahlreichen Paläste Saddam Husseins in den Gara-Bergen. Ich hatte sie bei einem Besuch vor ein paar Jahren eingesteckt. Saddam Hussein war gestürzt. Seine Paläste waren heruntergekommen, halbe Ruinen, mit Graffitis beschmiert. Der Palast in den kurdischen Gara-Bergen war noch einmal eine besondere Art der Machtdemonstration angesichts der 180.000 Kurden, die Saddam ermorden ließ.
Saddam selbst, erzählten mir die Peschmerga, die heute dort stationiert sind, habe diesen Palast nur ein- oder zweimal besuchen können, er sei mit dem Hubschrauber eingeflogen worden. Zu seiner Sicherheit habe man das umliegende Gelände mit Minen versehen. Saddam ist weg, die Minen aber sind immer noch da.
Dieser protzige Kitsch, dachte ich an diesem Augustnachmittag an der Palastmauer, man könnte fast denken, es sei ein Witz. Saddam Husseins Palast in Babylon beispielsweise, Mörtel und Beton auf antikem Fundament und Ziegeln, in denen sein Name eingraviert ist: Diktatoren-Disneyland. Das kann doch niemand ernst meinen. Aber Diktatoren brauchen sich nicht zu rechtfertigen.
Im Dezember 2024 wird auch in Damaskus der Diktator endlich aus seinem Palast vertrieben. Dieser Palast, der vom Vater Hafez al-Assad in den Achtzigern gebaut wurde und den Namen „Palast des Volkes“ trägt, was unweigerlich an Ceausescu „Casa Poporului“ erinnert, steht nun der Bevölkerung offen. 31.500 Quadratmeter, beige, weiß, grau, braun. Viel Marmor, Kronleuchter, Ornamente, orientalisch anmutend, Kitsch. Die Leute kommen und nehmen, was sie tragen können. In einem Video, das ich sehe, sagt ein Mann zu einer Frau, die einen Stapel Teller hinausträgt: „Nimm mit, was dir gehört.“
Dass es schon im Dezember so weit sein würde, hatte ich in der Augusthitze in Bukarest nicht geahnt. Dass auch diese Diktatur eines Tages fällt – schon. Es war eine Frage der Zeit und hat ohnehin zu lange gedauert.