Von armen Socken und Menschen mit Geldkoffer | ABC-Z
Berlin. Im Dezember hat Nächstenliebe Hochkonjunktur, danach vergessen viele ihre Nächsten wieder. So hält es Kolumnist Dieter Puhl mit dem Schenken.
Natürlich denke ich im Dezember mehr als sonst an obdachlose Menschen in unserer Stadt. Ihr Leben auf der Straße ist ja immer finster, aber gerade der Dezember ist ein sehr heftiger Monat für sie. Es ist kalt und die Einsamkeit drückt. Wie geht es den Kindern, was mit dem Rest der Familie? Vielleicht gab es früher eine Ehefrau, eine große Liebe? Erinnerungen können in dieser Zeit besonders schmerzen.
Ich muss mir aber eine Liste machen, denn andere möchte ich zum Weihnachtsfest auch nicht vergessen. Und ich muss mich sputen, es sind ja nur noch ein paar Tage. Geschenke für meine Familie und meine Partnerin werde ich hier nicht aufzählen, es wäre ja keine Überraschung, wenn sie jetzt in der Zeitung lesen, was sie an Heiligabend bekommen. Eine Flasche „Rotbäckchen“ für die Mutter meiner türkischen Nachbarin muss ich aber noch besorgen. Herzschwäche – vor zwei Wochen konnte ich der 89-jährigen Dame helfen, als sie ins Krankenhaus musste. Sie ist mittlerweile entlassen worden. Aber blass ist sie noch.
Eine Flasche Whisky hat mein afghanischer Zahnarzt schon bekommen. Er gab sich sehr viel Mühe mit einem eher ängstlichen Patienten. Den Kuchen für alle anderen aus der Praxis muss ich aber noch besorgen.
Etwas Geld bekommen auch die Männer, die das Treppenhaus reinigen
Leicht ist es bei meiner Briefzustellerin, zu schleppen hat sie jeden Tag schon genug. Über zehn Euro und eine Karte wird sie sich aber sicher freuen. Ich bin ja nicht Krösus und muss latente Freigiebigkeit leider drosseln. Aber wenn das immerhin einige so machen: Es ist kleine Aufmerksamkeit und ein Dankeschön für freundliche Arbeit. Etwas Geld bekommen auch die Männer, die das Treppenhaus reinigen. Das machen sie stets sehr ordentlich und ein Krösus ist sicher auch nicht unter ihnen.
Eine Flasche Wein für meine Nachbarn über mir, Antje und Olli: Tolle Nachbarn sind ein Sechser im Lotto. Sehr freundlich und hilfsbereit sind sie und sie meckern nicht, auch wenn ich ständig zu laut Musik höre.
Kaufen muss ich auch noch den Sekt für die Kellnerinnen und Kellner aus der „Kaffeerösterei“ um die Ecke. Ein gutes Stammcafé ist nämlich sogar der Sechser mit Zusatzzahl. Sekt auch für die Mannschaft, die beim Fleischer hier im Kiez arbeitet. Ich mag die Leute einfach.
An den Paketzusteller muss meine Freundin denken. Maria bestellt gerne oft und viel, ich kenne ihn kaum, gehe meine Sachen lieber einkaufen. Apropos einkaufen: Die Kassiererin bei Lidl finde ich auch sehr freundlich und will sie nicht vergessen.
Die drohenden Kürzungen drücken alle
Und nun zu den obdachlosen Menschen. Kontinuität geht da für mich vor Aktionismus. Was haben Menschen davon, wenn sich die belegten Brötchen im Dezember vor ihnen türmen? Etwas höher dürfen die regelmäßigen Gaben im Dezember natürlich ausfallen, aber der Winter nimmt doch gerade erst Anlauf. Im Dezember hat Nächstenliebe Hochkonjunktur, im Januar vergessen viele ihre Nächsten aber ebenso schnell wieder. Und Hilfe ist auch im Juni noch nötig.
Zehn Pfund Kaffee bringe ich der Bahnhofsmission Zoo dann im Januar vorbei. Besser sogar im Februar. Denn auch in sozialen Einrichtungen türmt sich gerade vieles. Am Zoo aber wollen 600 Gäste täglich auch noch im Frühjahr satt werden. Niemand sagt nein, wenn jemand morgen 100 Euro vorbei bringt: Geld türmt sich nicht, wird auch im Dezember nirgendwo gestapelt. Gerade jetzt müssen vielerorts große Löcher gestopft werden. Die drohenden Kürzungen drücken nämlich alle. Wer mag und kann, denke bitte an die Ehren- und Hauptamtlichen.
Wer wenig hat, gibt oftmals viel. Ich weiß, wovon ich rede, unterstützten mich doch in der Bahnhofsmission die eher armen Socken sehr großherzig. Deshalb sei bitte ein Wort zu den reichen, gar superreichen Menschen gesagt. Macht das mit der „Reichensteuer“ doch bitte einfach freiwillig. Menschen mit Geldkoffer sind schließlich überall willkommen!