Vom Aufstieg und Verschwinden Frankfurter Marken | ABC-Z
Wenn Marken verschwinden, bleiben oft nur Erinnerungen an erfolgreiche Zeiten. Die Frankfurter haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von erfolgreichen Marken verabschieden müssen. Und es ist anzunehmen, dass auch künftig Unternehmen kommen und gehen werden. Ob die Marke Commerzbank zum Beispiel im Frankfurter Stadtbild verbleiben wird, scheint seit dem Einstieg der italienischen Unicredit ungewiss. Und der Schriftzug eines Unternehmens wie Continental, das seit 1998 in Frankfurt produziert, könnte auch bald verschwinden, wenn der Konzern aufgespalten wird.
Telenorma
Ein Beispiel für eine einst erfolgreiche und heute fast vergessene Frankfurter Marke ist die Firma Telefonbau und Normalzeit AG, die den meisten Menschen unter Telenorma bekannt sein dürfte. Als der 20 Jahre alte Kaufmann Harry Fuld am 13. April 1899 die „Deutsche Privat-Telefongesellschaft H. Fuld & Co.“ gründete und an der Liebfrauenstraße in Frankfurt ein Geschäft eröffnete, bot er die Installation, Vermietung und Wartung von Telefonanlagen an, später kam die Produktion der Geräte hinzu. Die Telefontechnik war noch in den Anfängen, das Unternehmen profitierte davon, dass Haustelefonanlagen an das öffentliche Netz angeschlossen werden durften.
Binnen weniger Jahre versechsfachte sich die Zahl der Telefonanschlüsse im Reich, es entstanden Filialen in halb Europa. T+N wurde zu einem der weltweit größten Unternehmen der Branche, beschäftigte in Frankfurt bis zu 20.000 Mitarbeiter. Später wurde aus T+N Telenorma, Ende der Achtziger stieg Bosch in das Unternehmen ein, das Geschäft wurde dort in die Telekommunikationssparte eingegliedert, der Firmensitz am Güterplatz abgerissen. Damit war die Marke verschwunden, Teile des Geschäfts wurden unter dem Namen Tenovis weitergeführt und an die amerikanische Avaya verkauft, die heute in der Theodor-Heuss-Allee sitzt.
Cassella
Bis etwa 1960 wurde die Hanauer Landstraße an einer Stelle mehrmals am Tag für kurze Zeit gesperrt. Es waren Mitarbeiter der Cassella, die dann auf die Fahrbahn traten, Autos und Straßenbahnen stoppten und Rohstoffe für die Farbenproduktion aus dem Lager auf der gegenüberliegenden Seite schafften. Cassella gehörte zu den Firmen, die im 19. Jahrhundert den Weltruf der deutschen Chemie mitbegründeten. Ihre Anfänge reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, als der Frankfurter Chemiker Leo Gans die Entdeckung der ersten Verfahren der synthetischen Farbenchemie in Deutschland miterlebte.
Gans muss die Möglichkeiten erkannt haben, die sich mit der künstlichen Herstellung preiswerter Farben boten, und gründete mit seinem Schwager Bernhard Weinberg ein Unternehmen zur Herstellung von Anilinfarben in Fechenheim. Unter Weinbergs Sohn Arthur, der 1883 einstieg, wuchs das Unternehmen zum weltweit größten Hersteller synthetischer Farbstoffe. 1904 schloss sich Cassella mit dem Konkurrenten aus Höchst zusammen, 1925 gingen beide Frankfurter Farbwerke in der IG Farben auf.
Nach dem Krieg wurde die IG Farben aufgespalten, die Cassella entstand wieder als eigenständiges Unternehmen, das 1995 in der Hoechst AG aufging. Seinerzeit wurde auch die Kosmetiksparte geschlossen, die unter dem Namen Jade firmierte. Wenig später verkaufte Hoechst die Spezialchemie-Sparte an Clariant, 2012 sicherte sich Allessa, das den früheren Namen Cassella teilweise rückwärts enthält, die Markenrechte, das Logo ist Frankfurt erhalten geblieben.
Neckermann
Es gab Zeiten, da saßen Familien nicht vor dem Laptop und scrollten sich durch Onlineportale, sondern beugten sich am Esstisch über den neusten Versandhandelskatalog. Unter dem Slogan „Neckermann macht’s möglich“ traf das 1948 in der Mainzer Landstraße in Frankfurt gegründete Unternehmen im Wirtschaftswunderland den Nerv der Zeit und versorgte Nachkriegsdeutschland mit erschwinglicher Mode und Möbeln, mit Fahrrädern und Fertighäusern, mit Versicherungen und Pauschalreisen.
Der Neckermann-Katalog wurde zur Konsumbibel, das Unternehmen wuchs in Frankfurt und erlebte fortan immer wieder Umsatzkrisen, Fusionen, Übernahmen, Massenentlassungen, neue Eigentümer. 2012 wurde Neckermann abgewickelt, im früheren Neckermann-Gebäude an der Hanauer Landstraße ist nun ein Rechenzentrum untergebracht. Die Markenrechte wurden von der Otto-Gruppe übernommen, die zunächst noch einen Onlineshop unter dem Namen Neckermann weiterführte – doch auch der wurde inzwischen aufgelöst.
Latscha
Viele Erinnerungen gibt es in Frankfurt auch an die Lebensmittelkette Latscha. Unter dem Motto „Latscha liefert Lebensmittel“ war das Unternehmen, 1882 in Frankfurt gegründet, in der Region als Einzelhandelskette beliebt und führte dort zeitweise mehr als 250 Filialen. 1977 wurde Latscha an die Leibbrand-Gruppe verkauft, die Marke Latscha verschwand, aus den Läden wurden HL-Märkte.
Hoechst
Eine der spannendsten Wirtschaftsgeschichten der Stadt spielte sich um den einstigen Weltkonzern Hoechst AG ab. Die 1863 in Höchst begründeten Farbwerke stiegen unter dem Namen Hoechst AG in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts zum größten Pharmahersteller der Welt auf. Mitte der Neunziger beschäftigte das Unternehmen weltweit mehr als 160.000 Mitarbeiter. 1999 fusionierte die Hoechst AG mit dem französischen Unternehmen Rhône-Poulenc zu Aventis mit Hauptsitz in Straßburg. Die Marke Hoechst, das Logo mit Turm und Brücke, ist seitdem Geschichte. 2004 wurde Aventis vom französischen Pharmakonzern Sanofi übernommen, dessen Deutschlandgesellschaf t bis heute im Industriepark Höchst sitzt.
Dresdner Bank
Die Dresdner Bank, das sagt schon ihr Name, wurde nicht in Frankfurt gegründet, und doch prägte sie den Finanzplatz Frankfurt. Schließlich saß die Dresdner Bank von 1957 an in der Stadt, baute in den Siebzigern mit dem Dresdner-Bank-Turm das damals mit 166 Metern höchste Bankgebäude Kontinentaleuropas, beschäftigte Tausende Mitarbeiter. 2000 scheiterte eine Fusion mit der Deutschen Bank, 2001 übernahm die Allianz den Konzern, die Marke blieb erhalten. 2009 dann übernahm die Commerzbank die von der Finanzkrise arg gebeutelte Konkurrentin. Die Marke Dresdner Bank und das traditionsreiche Logo mit dem grünen Band sind seitdem verschwunden, im Silberturm sitzt heute die Bahn.
AEG
Auch der berühmte AEG-Konzern, dessen Geschichte 1883 mit dem Erwerb der Glühlampen-Patente für Deutschland durch einen Berliner Unternehmer begann, verlegte nach dem Zweiten Weltkrieg seine Zentrale nach Frankfurt. In den Siebzigern beschäftigte der Konzern mehr als 170.000 Mitarbeiter und war eines der größten Elektrounternehmen weltweit. 1985 wurde AEG von Daimler übernommen, 1996 wurde der Konzern aufgelöst. Drei Jahre später wurde das AEG-Hochhaus am Theodor-Stern-Kai, einst mit 45 Metern das höchste in Frankfurt, gesprengt.
Adlerwerke
Rund 120 Jahre lang prägten die Adlerwerke (ehemals Heinrich Kleyer AG) das Leben und Arbeiten im Frankfurter Gallusviertel. Gegründet im Jahr 1880, stellte das Unternehmen zunächst Fahrräder her, 1900 kamen Schreibmaschinen, Motorräder und Autos hinzu. 1914 stammte jedes fünfte Auto in Deutschland aus Frankfurt. Im Zweiten Weltkrieg waren die Werke eng in die Rüstungsproduktion der Nazis eingebunden.
Seit 1941 mussten dort Kriegsgefangene Zwangsarbeit verrichten, 1944 wurde dort ein Konzentrationslager in Betrieb genommen, mehr als 1600 Häftlinge mussten dort arbeiten, die wenigsten überlebten. Nach dem Krieg wurde die Auto-Produktion nicht weitergeführt. 1997 stieg Grundig ein und fusionierte Adler zur Triumph-Adler-Büromaschinen GmbH, 1998 wurde die Produktion der Schreibmaschinen eingestellt, das Werksgelände im Gallus verkauft.