Vollnarkose versus Regionalanästhesie: Wann welche Narkose? | ABC-Z

Video:
Narkose: Schonende Regionalanästhesie nur selten genutzt (8 Min)
Stand: 17.06.2025 14:57 Uhr
| vom
Für Operationen sind verschiedene Arten der Narkose möglich. Eine Vollnarkose macht bewusstlos, Regionalanästhesie betäubt nur bestimmte Nerven. Welche Risiken, Nebenwirkungen und Spätfolgen sind möglich?
Damit man während einer Operation, einem diagnostischen Eingriff oder in Notfallsituationen keine Schmerzen empfindet, nehmen Ärzte eine Betäubung (Anästhesie) vor. Grundlegend unterscheidet man dabei zwei mögliche Formen: eine Allgemeinanästhesie, umgangssprachlich auch Vollnarkose genannt, und eine Lokalanästhesie.
Bei der Vollnarkose sind die Betroffenen bewusstlos und müssen künstlich beatmet werden. Bei einer lokalen Anästhesie werden nur bestimmte Körperregionen (Regionalanästhesie) oder die Haut, Unterhautgewebe und Muskeln an einer Stelle (Infiltrationsanästhesie) oder die Hautoberfläche (Oberflächenanästhesie) betäubt. Bei einer lokalen Anästhesie bleibt der Patient bei Bewusstsein und atmet selbstständig.
Vollnarkose: Ausschaltung von Bewusstsein, Schmerz und vegetativen Funktionen
Eine Vollnarkose wird oft bei großen Operationen vorgenommen. Dabei werden Schmerzempfinden und Bewusstsein über das zentrale Nervensystem im Gehirn zeitlich begrenzt ausgeschaltet. Auch unwillkürliche körperliche Vorgänge (vegetative Funktionen) – wie Muskelanspannung, Blutdruckanstieg, ein mögliches Herzrasen und die Ausschüttung von Stresshormonen – werden dabei ausgeschaltet. Dadurch wird der Körper während des Eingriffs geschont, die Operation kann unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden und auf Komplikationen wie hohe Blutverluste kann adäquat reagiert werden.
Die Medikamente für die Vollnarkose können entweder als Gas über eine Atemmaske (Inhalationsanästhesie), per Spritze (totale intravenöse Anästhesie, TIVA) oder durch Kombination beider Verfahren (balancierte Anästhesie) verabreicht werden.
Vollnarkose: Kombination aus Gas- und intravenöser Narkose am häufigsten
Die sogenannte balancierte Anästhesie ist das Standard-Verfahren für eine Vollnarkose. Als Medikamente kommen meist Anästhetika wie Propofol, Flurane oder Lachgas zum Einsatz. Dazu werden Schmerzmittel (Analgetika) – wie Opioide – und Medikamente zur Muskelrelaxation gegeben. Vorteil dieses Verfahrens, also der Kombination von inhalativer und intravenöser Narkose, ist, dass die Narkosetiefe gut steuerbar ist und die Narkose so auch bei Nieren- und Leberinsuffizienz in der Regel gut möglich ist. Allerdings haben gerade die inhalativen Narkosemittel Nachteile: Zum einen können sie zu unangenehmen Nebenwirkungen wie akuter Übelkeit und Erbrechen nach der OP führen, zum anderen sind die oft verwendeten Flurane hochpotente Treibhausgase, die sehr klimaschädlich sind.
Häufige Risiken und Nebenwirkungen der Vollnarkose: Übelkeit und Erbrechen
Schwere Nebenwirkungen einer Vollnarkose sind extrem selten. Doch sie birgt Risiken. Die wohl häufigsten Komplikationen sind Übelkeit und Erbrechen nach der Narkose, insbesondere wenn Inhalationsanästhetika verwendet wurden. Zwar verschwinden die Beschwerden nach gewisser Zeit meist von selbst, aber sie können sehr quälend sein. Frauen und junge Menschen sind davon besonders häufig betroffen. Der Anästhesist oder die Anästhesistin kann während der Narkose bereits eine Prophylaxe dagegen verabreichen.
Mögliche Spätfolgen der Vollnarkose: Postoperatives Delir, Heiserkeit und Zahnschäden
Zu den schwerwiegenderen möglichen Folgen einer Vollnarkose zählt das postoperative Delir, früher auch Durchgangssyndrom genannt. Dabei handelt es sich um eine akute Bewusstseinsstörung, bei der die Aufmerksamkeit, aber auch kognitive Funktionen wie das Gedächtnis und die Wahrnehmung der Betroffenen, gestört sind. Sie leiden häufig an einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, Unruhe oder Antriebslosigkeit und sind desorientiert. Besonders bei älteren Menschen und großen Operationen tritt ein postoperatives Delir häufiger auf. Meistens verschwinden die Symptome nach einigen Tagen, aber das Delir kann auch chronisch werden und Spätfolgen wie bleibende kognitive Störungen nach sich ziehen.
Durch die künstliche Beatmung während der Narkose und die dafür verwendeten Gerätschaften kann es auch zu einer Verletzung der Stimmbänder, Heiserkeit oder Zahnschäden kommen. Auch eine allergische Reaktion auf Medikamente und Organschäden sind möglich.
Regionalanästhesie: Betäubung bestimmter Körperregionen
Bei einer Regionalanästhesie oder “Teilanästhesie” bleibt man als Patient oder Patientin wach und nur ein Teil des Körpers wird betäubt. Das funktioniert über die gezielte Injektion von Betäubungsmitteln in die Nähe von Nerven oder in die Vene einer Extremität. Dadurch wird der nachfolgende, von der Struktur versorgte Bereich vorübergehend schmerzunempfindlich. Das Verfahren ist filigran und läuft meist Ultraschall-gestützt ab. Durch einen Katheter kann so auch kontinuierlich betäubt werden.
Die wohl bekannteste Form der Regionalanästhesie ist die in der Geburtshilfe häufig verwendete Periduralanästhesie (PDA), bei der die Nerven direkt an der Nervenwurzel am Rückenmark betäubt werden. Die Folge: Der Körper wird unterhalb der Injektion für Schmerz unempfindlich, sodass auch Kaiserschnitte stattfinden können.
Vorteile der Regionalanästhesie: Seltener Übelkeit und Delir
Größter Vorteil der Regionalanästhesie ist, dass sich Betroffene danach oft schneller von einer Operation erholen und rascher wieder mobil sind. Es kommt seltener zu einem postoperativen Delir sowie postoperativer Übelkeit und Erbrechen. Auch für Menschen mit Vorerkrankungen – wie Herz- oder Lungenerkrankungen – kann das Verfahren von Vorteil sein, weil so mögliche Komplikationen, die bei einer Vollnarkose durch die Vorerkrankungen auftreten können, vermieden werden.
Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) wird das Verfahren in Deutschland trotz der möglichen Vorteile zu wenig genutzt.
Mögliche Nebenwirkungen einer Regionalanästhesie: Nervenschädigung, Infektion oder Blutung
Die Regionalanästhesie ist weniger kalkulierbar. Zum einen kann es einige Zeit dauern, bis das lokal injizierte Anästhetikum wirkt, zum anderen gelingt es in einigen Fällen nicht, den entsprechenden Nerv treffsicher und ausreichend zu betäuben. Und auch die Regionalanästhesie birgt Risiken und Nebenwirkungen: Bei der Injektion können Nerven verletzt werden, es kann zu Infektionen oder Blutungen kommen. Auch kann mit nachlassender Wirkung der Betäubung ein akuter sogenannter Rebound-Schmerz auftreten oder es kann auch hier zu allergischen Reaktionen auf das Anästhetikum kommen.
Vollnarkose versus Regionalanästhesie: Wann welche Narkoseform die richtige ist
Welches Narkoseverfahren gewählt wird, sollten Arzt oder Ärztin und Patient oder Patientin gemeinsam entscheiden. Es ist abhängig von den Wünschen der Betroffenen, ihrem Alter, persönlichem Risiko, Vorerkrankungen und der spezifischen geplanten Operation. Operationen, die über zwei Stunden dauern, lassen sich mit einer Regionalanästhesie oft nur schwer umsetzen. Zudem können die meisten Betroffenen, insbesondere Kinder, nur begrenzt lange in einer Position verharren. Operationen, die in Bauchlage oder sitzend durchgeführt werden müssen, sind für eine Regionalanästhesie eher ungeeignet. Auch laparoskopische Operationen schließen eine Regionalanästhesie aus.
Gerade für ältere Menschen bietet eine Regionalanästhesie dagegen viele Vorteile, weil es seltener zum postoperativen Delir sowie Komplikationen aufgrund möglicher bereits bestehender Grunderkrankungen kommt. Zudem erholen sich Betroffene schneller von dem Eingriff und können das Krankenhaus früher verlassen. Hüft-OPs, Hand- und Kniegelenks-Operationen, aber auch Krampfader-Eingriffe lassen sich in der Regel gut in Regionalanästhesie durchführen. Bedenken sollten Betroffene bei der Entscheidung auch ihr persönliches Risiko: Für Menschen mit stimmabhängigen Berufen – wie Schauspieler, Sänger oder Lehrer – kann eine Regionalanästhesie von Vorteil sein, da sie die Stimmbänder schont.
So bereiten sich Betroffene auf die Narkose vor
Sechs Stunden vor einer Vollnarkose dürfen Betroffene nichts mehr essen und keine trüben Flüssigkeiten mehr trinken. Sonst besteht die Gefahr, dass unter der Narkose Mageninhalt in Rachen und Lunge gerät. Das kann zu Lungenentzündungen und schweren Atemwegskomplikationen führen. In dieser Zeit sollte auch nicht mehr geraucht werden. Denn das verschlechtert die Sauerstoffversorgung, kann zu Bronchospasmen während der Narkose führen und erhöht das Risiko für weitere Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen.
Zwei Stunden vor der Narkose darf auch nichts mehr getrunken werden, auch keine klaren Flüssigkeiten. Make-up und Nagellack sollten Betroffene vor der OP entfernen. Denn Anästhesisten erkennen an den Fingerspitzen und der Durchblutung der Haut, ob eine mögliche Störung der Sauerstoffversorgung vorliegt. Es empfiehlt sich auch, rechtzeitig mit dem Arzt zu besprechen, welche Medikamente vor der Operation abgesetzt werden müssen. Betroffene, die schon einmal Komplikationen im Rahmen einer Narkose hatten, sollten ihren Anästhesie-Ausweis bereits zum Aufklärungsgespräch mitbringen. Auf diesem standardisierten Dokument werden bisherige relevante Vorkommnisse sowie zum Beispiel Medikamenten-Unverträglichkeiten notiert.