Volksentscheid vor 15 Jahren in Bayern: Das Rauchverbot und seine Folgen – Bayern | ABC-Z

Es mag für manche die größte Überraschung gewesen sein, dass Bayern doch nicht untergegangen ist. Damals, vor 15 Jahren, als ein Volksentscheid am 4. Juli 2010 das jahrelange Hickhack um das bayerische Rauchverbot beendete. Fortan durfte nicht mehr geraucht werden in Bayerns Gaststätten und Kneipen, Festzelten und Bars. Nirgends.
Der Untergang der bayerischen Wirtshauskultur wurde damals prophezeit, das Ende der Liberalitas Bavariae, wenngleich niemand so richtig sauber begründen konnte, was genau freiheitlich bayerisch daran soll, den Tischnachbarn vollzuqualmen. Und der Initiator des Volksbegehrens wurde zur Persona non grata. Der ÖDP-Politiker Sebastian Frankenberger musste um Leib und Leben fürchten, in nun rauchfreien Eckkneipen hing sein Konterfei wie ein Steckbrief an der Wand.
Heute weisen die Statistiken steigende Umsätze für die bayerische Gastronomie aus, aber, sagt Thomas Geppert, der Landesgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, das müsse man differenziert betrachten. Das Rauchverbot habe „einen drastischen Strukturwandel“ in der bayerischen Gastroszene herbeigeführt. Die Eckkneipen seien die Verlierer gewesen. Klar, sagt Geppert, „vielen sind in die Kneipe gegangen, weil sie daheim nicht rauchen durften“. Dürfen die in der Kneipe auch nicht mehr rauchen, bleiben sie eben weg. Und die Kneipen müssen schließen.
Die speiselastigeren Betriebe, Restaurants und Gaststätten also, hätten den Einschnitt besser verkraftet. Kann sich doch heute kaum noch jemand vorstellen, in einer vollgequalmten Wirtsstube sein Essen zu verspeisen. Aber, sagt Geppert, trotzdem hätte er sich damals eine Regelung mit mehr Ausnahmemöglichkeiten gewünscht.
Der Volksentscheid war das Ende einer dreijährigen Debatte und die damalige Staatsregierung hätte ihn sich sparen können, wäre sie konsequent geblieben. Denn die – damals noch allein regierende – CSU war es, die das strengste aller deutschen Rauchverbote einführte – und zwar bereits am 1. Januar 2008. Der damalige Fraktionschef Georg Schmid, der den Job später wegen der Verwandtenaffäre abgeben musste, hatte es in einem Anflug von Führungsstärke durchgesetzt und damit endlose Debatten um Ausnahmen für dies und das beendet.
Doch es wurde zur Farce: Tausende Wirte unterliefen das Gesetz, indem sie ihre Kneipen als Raucherklubs deklarierten. Wer sein Sozialleben nicht völlig aufgeben wollte, hatte unzählige Mitgliedsausweise jener Klubs in der Tasche. Und in vielen Fällen versuchten die Behörden erst gar nicht, das Gesetz durchzusetzen.
Die Wahlbeteiligung beim Volksentscheid war nicht besonders hoch
Schon nach der Kommunalwahl im Frühjahr 2008 war es vorbei mit der vermeintlichen Härte. Die CSU hatte mit 40 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis nach dem Krieg geholt, das führten viele auf das Rauchverbot zurück. Und da im Herbst 2008 die Landtagswahl parallel zum erstmals rauchfreie Oktoberfest stattfinden sollte, wurde das Regelwerk flugs gelockert. In Bierzelten durfte fortan wieder gequalmt werden. Was den Absturz bei der CSU bekanntlich nicht verhinderte: 43,4 Prozent, der Verlust der absoluten Mehrheit, ein Desaster für die CSU. Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein mussten gehen. Und auch wenn Wahlforscher bald herausgefunden hatten, dass es nicht am Rauchverbot lag, so waren viele in der CSU noch Jahre davon überzeugt, dass es eben doch so war.
Horst Seehofer übernahm die Spitzenämter in der CSU, zum ersten Mal seit 40 Jahren brauchte die Partei einen Koalitionspartner. Die neue schwarz-gelbe Koalition weichte das Rauchverbot weiter auf, nicht nur für Bierzelte gab es eine Ausnahme, auch für Nebenräume und kleine Kneipen. Die bayerische Volksseele sei durch das strenge Rauchverbot verletzt worden, analysiert Seehofer.
Aber das ständige Schrauben am Nichtraucherschutzgesetz hatte viele Bayern verärgert. Als die ÖDP ein Volksbegehren startete, war die Beteiligung hoch: 1,3 Millionen Bürger unterschrieben, deutlich mehr als die benötigten zehn Prozent. In der CSU verstanden viele das Signal und hielten sich bei den Kampagnen um den Volksentscheid auffällig zurück.
Die Wahlbeteiligung beim Volksentscheid war nicht besonders hoch, sie lag nur bei 37,7 Prozent. Aber offenbar war es den Initiatoren gelungen, die Befürworter eines Rauchverbots zu mobilisieren. Und die Gegner hatten wiederum das offenbar nicht geglaubt. Zumindest fielen die Reaktionen entsprechend überrascht aus. Denn das Ergebnis war eindeutig: 61 Prozent stimmten für den Gesetzentwurf der Initiative „Ja zum Nichtraucherschutz“.
Und heute? Gelegentlich hört man noch von Kneipen, in denen irgendwann spät am Abend die Aschenbecher auf der Theke stehen. Aber den Untergang des Bayernlandes, den befürchtet die CSU inzwischen eher, wenn die Grünen einmal mitregieren sollten oder wenn ein Veggieday auf Bayerns Volksfesten eingeführt würde.