Voigt neuer Ministerpräsident: Thüringens Brombeer-Experiment | ABC-Z
Mario Voigt hat ein politisches Kunststück vollbracht, um das ihn sein um sein Amt bangender Parteifreund Michael Kretschmer in Sachsen beneiden dürfte. Mit der Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen gleich im ersten Wahlgang, und das auch noch mit absoluter Mehrheit, hat er trotz fehlender eigener Mehrheit seiner „Brombeer-Koalition“ aus CDU, Wagenknecht-Partei und SPD wieder ein Mindestmaß an Stabilität und Berechenbarkeit im Freistaat hergestellt.
Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU umgangen
Dieses nicht zu unterschätzende Pfund zu Beginn seiner Amtszeit in einem Land mit der rechtsextremen und destruktiven Höcke-AfD als stärkster Kraft verdankt Voigt ausgerechnet seinem Vorgänger Bodo Ramelow und dessen Linkspartei.
Obwohl der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU unverändert gilt, hat Voigt mit der Linken eine Art Zusammenarbeit auch bei Gesetzesvorhaben vereinbart, die nicht Zusammenarbeit heißen darf.
Mit einem nicht schriftlich fixierten „Parlamentarischen Pflichtenheft“ im „3 plus 1“-Format, das regelmäßige Beratungen mit der Linken vorsieht, schreibt Thüringens neue Regierung höchst kreativ Geschichte.
Kreativ in ihrer Formulierungskunst war schon die Wagenknecht abgerungene Präambel im Koalitionsvertrag über den Ukrainekrieg, die den „kompromisslosen Friedenskurs“ des BSW festhält, aber eben auch die für CDU und SPD unabdingbare Westbindung Deutschlands (und damit auch Thüringens).
Es ist jedoch auch ein Kunststück, das manche westdeutsche CDU-Mitglieder, darunter auch solche wie CDA-Chef Radtke, erschaudern lässt. Für sie fühlt sich die Koalition samt Ministerposten für das russlandfreundliche BSW wie ein Kniefall vor Putin und wie ein Verrat an christdemokratischen Werten an.
Diese Debatte wenigstens bleibt Kretschmer erspart, weil das BSW in Dresden nicht auf den Brombeergeschmack kam. Die fehlenden zehn Stimmen für seine Wiederwahl im sächsischen Landtag zu gewinnen wird ein noch größeres Kunststück als das von Erfurt.