Vogelgrippe-Verdacht am Speichersee: 99 Kadaver, aber noch kein Laborergebnis – Landkreis München | ABC-Z

Die Zahl der toten Vögel rund um den Ismaninger Speicher ist inzwischen fast dreistellig: 99 Kadaver, hauptsächlich Graugänse, Schwäne und eine Stockente, hätten Vertreter des Veterinäramts und des Technischen Hilfswerks (THW) mittlerweile geborgen, teilt das Ebersberger Landratsamt mit. Außerdem würden immer wieder einzelne tote Vögel gemeldet, deswegen werde es wohl bald noch einmal eine Aufräumaktion geben.
Sieben Kadaver des ersten Fundes Anfang vergangener Woche habe man an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) geschickt, heißt es aus der Ebersberger Behörde, und dessen Labor habe eine Infektion mit einem Influenza-A1-Virus bereits bestätigt. Ob es sich dabei aber tatsächlich um den aggressiven Subtyp H5N1 handelt, also die Vogelgrippe, müssen nun Untersuchungen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) zeigen. Bislang allerdings sind von dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems bei Greifswald noch keine Ergebnisse beim Ebersberger Landratsamt angekommen.
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Woran das liegt? Wie eine Sprecherin des FLI mitteilt, sind die Kapazitäten des Instituts angesichts der vielen bundesweiten Vogelgrippefälle „ausgereizt, aber noch nicht überlastet“. Rund um München zum Beispiel kamen zuletzt eine Graugans und eine Stockente im Landkreis Fürstenfeldbruck hinzu, außerdem eine Graugans in Starnberg sowie eine Ente und ein Schwan am Ammersee. Die drei letzteren Funde sind allerdings noch nicht als Vogelgrippefälle bestätigt. Das Standarddiagnostikverfahren ist laut FLI ein Genomnachweis mittels quantitativer Echtzeit-PCR. Diese Methodik sei „auf einen hohen Durchsatz ausgerichtet und den älteren Techniken hinsichtlich Sensitivität, Spezifität und Zeit-bis-zur-Diagnose überlegen“. Das Institut veranschlagt dafür momentan einen Arbeitstag.

Allerdings gibt es bei der Analyse durchaus eine Priorität: Positive Proben aus Geflügelhaltungen oder Zoos würden gegenüber solchen von Wildvögeln vorrangig untersucht, erklärt das FLI. Einfach deshalb, weil bei Ausbrüchen in der Landwirtschaft von der EU etliche Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen vorgeschrieben seien, „die von den örtlichen Veterinärbehörden unverzüglich umzusetzen sind. Zum Beispiel die Sperrung und gegebenenfalls Räumung der Haltung, die Einrichtung verschiedener Zonen sowie die Überwachung beziehungsweise Prüfung benachbarter Haltungen.“
Die hohe Zahl verendeter Wasservögel am Ismaninger Speichersee indes legt mehr als nahe, dass es sich in dem Naturschutzgebiet vor den Toren Münchens um einen Ausbruch der Vogelgrippe handelt. Insofern gilt es nun, eine weitere Verbreitung zu verhindern, aus ökologischen wie ökonomischen Gründen. Ein Ausbruch in den Beständen von Nutztierbetrieben kann verheerende Folgen haben: Infizieren sich dort Hühner oder Gänse, müssen möglicherweise Hunderte oder gar Tausende Tiere vorsorglich getötet werden. Mit den drei großen Geflügelhaltern rund um den Speichersee ist das Veterinäramt Ebersberg, in dessen Zuständigkeitsgebiet die ersten Kadaver gefunden wurden, daher nach eigenen Angaben bereits seit Tagen in direktem Kontakt.
Momentan herrscht noch keine Stallpflicht, das heißt, die Tiere können im Freien bleiben. Doch die Behörden bitten Landwirte sowie Hobbyhalter dringend, die bekannten Präventions- und Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Weil sich das Virus zum Beispiel auch über Vogelkot ausbreiten kann, sollten in den Gehegen oder Ställen stets separate Schuhe oder Überzieher getragen werden. Empfohlen wird zudem, Geflügel in Freilandhaltung möglichst in geschützten Volieren unterzubringen, um den Kontakt mit Wildvögeln und deren Ausscheidungen zu vermeiden. Wenn ein Huhn Auffälligkeiten zeigt, sich etwa aufplustert oder nichts frisst, sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden.

:Wenn Kadaver im Naturparadies treiben
In den Schleusen hängen verendete Wildvögel – ob das H5N1-Virus die Todesursache ist, muss noch abschließend geklärt werden. Für Vogelkundler Manfred Siering steht unabhängig vom Labor-Ergebnis fest, dass Spaziergänger und Hundebesitzer vorsichtig sein sollten. Grund zur Panik bestehe aber nicht.
Robert Schmack, Vorsitzender des in Poing ansässigen Landesverbandes der Bayerischen Geflügelzüchter, findet deutliche Worte für die aktuelle Lage: „Die psychische Belastung der Landwirte ist enorm hoch“, sagt er. Schmack betreibt selbst eine Geflügelzucht im Landkreis Kelheim und hat genau wie seine Kollegen selbst alle Hände viel zu tun, wie er am Telefon sagt. Die Züchter hätten große Angst, dass die Vogelgrippe schon bald ihre Betriebe heimsucht. „Wir gehen jeden Tag mit Sorgenfalten in den Stall und schauen jede Maus seltsam an“, berichtet der Verbandschef. Die Viruslast sei in diesem Herbst um eine Zehner-Potenz höher als üblich, den derzeit stattfindenden Flug von Wildvögeln nennt Schmack „einen Seuchenzug“. Seinen Worten zufolge dürfte es schon bald die nächsten Fälle von Vogelgrippe entlang der Donau geben.
„Wir erwarten von den Ministerien eine Aufstallpflicht“
„Wir erwarten von den Ministerien eine Aufstallpflicht“, betont der Vorsitzende der Geflügelzüchter im Freistaat. Diese müsse umgehend angeordnet werden, sagt Schmack und verweist auf die massiven Ausbrüche in Norddeutschland, wo bereits Tausende Tiere hätten gekeult werden müssen. Mit der Anordnung aber, dass Hühner und anderes Federvieh nicht mehr im Freiland gehalten werden dürften, sondern im Stall bleiben müssten, könnten die Betriebe „wirksam geschützt werden“, solange der Zug der Wildvögel vonstattengehe.
Dass die Untersuchungen der Kadaver zum Nachweis des Virus so viel Zeit in Anspruch nehmen, hält Schmack für riskant: Angesichts der aktuellen Vorkommnisse auch rund um den Speichersee sei „Tempo das oberste Gebot“. Er und seine Züchterkollegen würden sich jedenfalls schon fragen, was das LGL und FLI täten, um der Lage Herr zu werden, so Schmack.

Fest steht: Auch die Bevölkerung kann zur Tierseuchenbekämpfung beitragen. Laut dem Ebersberger Veterinäramt wäre es sinnvoll, betroffene Gebiete zu meiden, um eine Verschleppung des Virus zu verhindern. Bei Spaziergängen sollte man generell die Wege nicht verlassen und, ganz wichtig, keine Wasservögel füttern, weil Schwarmbildung die Ansteckungsgefahr erhöht. Hundebesitzern wird empfohlen, ihre Tiere an die Leine zu nehmen. Sollte man auf einen Vogelkadaver stoßen, darf dieser keinesfalls berührt werden, auch nicht mit den Schuhen. Wenn man sich an diese Regel hält, „dann besteht für Spaziergänger keine Gefahr“, schreibt das Veterinäramt. Sofern es sich um Funde am Speichersee handelt, müsse keine Meldung an die Behörden erfolgen. Sollte jemand an anderer Stelle einen toten Vogel entdecken, wird um eine Mitteilung per Mail an veterinaeramt@lra-ebe.de (mit möglichst genauer Ortsangabe und der Telefonnummer des Finders) gebeten.





















