Wohnungsverlust in Berlin: Linke fordert Stopp von Zwangsräumungen | ABC-Z

Jahr für Jahr gibt es in Berlin mehr als 2.000 Zwangsräumungen, durchschnittlich etwa 6 pro Tag. Laut einer jüngsten Statistik des Bundesjustizministeriums waren im vergangenen Jahr 2.211 Haushalte davon betroffen, 135 mehr als noch im Jahr zuvor. Zählungen der Senatsverwaltung für Justiz kommen gar auf 2.495 Fälle in diesem und 2.369 im Jahr zuvor. Fakt ist: Die Zahl steigt – und sie geht auch auf vermehrte Kündigungen durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zurück.
Am Montag hat sich Elif Eralp, die Spitzenkandidatin der Linken zur Abgeordnetenhauswahl im kommenden Herbst, zu Wort gemeldet und sich gegen Zwangsräumungen von Wohnungen im Fall von Mietschulden ausgesprochen. „Es kann doch nicht sein, dass Menschen im Winter in der Kälte auf die Straße gesetzt werden“, so die Linken-Politikerin. „Wir stehen kurz vor den Weihnachtsfeiertagen, die Temperaturen sinken nachts unter null Grad, und parallel steigt die Zahl der Zwangsräumungen in der Stadt.“
Eralp sieht den Senat in der Pflicht und fordert einen Stopp der Zwangsräumungen wenigstens in den kalten Monaten. „Sehr schnell und unbürokratisch ginge ein Räumungsmoratorium zumindest bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU).“ Laut dem aktuellen Bericht zur Kooperationsvereinbarung vom Senat mit den LWU ist die Zahl der Räumungen im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent gestiegen; es gab 4.805 statt 4.399 fristlose Kündigungen und 541 durchgeführte Räumungen statt 479: „Ursächlich dafür kann das Auslaufen des Kündigungsmoratoriums zum 31. 12. 2023 vom Berliner Senat sein“, heißt es in dem Bericht.
Sehr schnell und unbürokratisch ginge ein Räumungsmoratorium zumindest bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften
Elif Eralp, Linke
Eralp fordert Strategien, um künftige Zwangsräumungen zu verhindern, und erinnerte an ein Modellprojekt der früheren linken Justizsenatorin Lena Kreck im rot-grün-roten Vorgängersenat, bei dem eine persönliche Zustellung der Räumungsklage an der Tür vorgeschrieben war, was aber vom aktuellen Senat nicht umgesetzt wurde.
„Die Menschen, die das betrifft, sind nicht selten drogenabhängig, haben psychische Probleme oder bekommen ihren Alltag nicht mehr auf die Reihe“, sagte Eralp. „Die öffnen nicht mehr ihre Briefkästen – aus Überforderung und Angst vor noch mehr Rechnungen.“ Ein persönlicher Kontakt sei die Möglichkeit, diesen Menschen dabei zu helfen, dass sie ihre Wohnung nicht verlieren, dass sie die Angebote von Mieter- bis zur Schuldnerberatung in Anspruch nehmen.
Kurzsichtige Politik
Zuletzt hatten Berliner Wohlfahrtsverbände den Senat mit einem eindringlichen Appell dazu aufgefordert, mehr dagegen zu unternehmen, dass Menschen ihre Wohnung verlieren. „Kurzfristiges Denken“ der Politik führe zu „vermeidbaren Folgekosten“, so Caritas-Direktorin Ulrike Kostka in der Berliner Morgenpost.
Zugleich warnte sie „vor einem Dammbruch“, da die prognostizierte Zahl der Menschen, die in den kommenden Jahren vom Staat untergebracht werden müssen, stark steige. Eine Studie des Deutschen Städtetages kam zu dem Schluss, dass jeder Euro, der in die Prävention von Wohnungslosigkeit fließt, am Ende sieben Euro einspare.
Die Liga der Wohlfahrtsverbände beklagte Kürzungen des Senats bei Hilfs- und Beratungsangeboten für Wohnungslose, aber auch für Suchtkranke, Schuldner und andere Menschen in Not. Sie fordern ein Verbot, Familien zwangszuräumen.
Kritik am Senat kommt auch vom Berliner Mieterverein. CDU und SPD hatten im Dezember beschlossen, die Regelsätze der Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen im kommenden Jahr nicht zu erhöhen. Geregelt sind darin die als angemessen geltenden Miethöhen für Haushalte, deren Kosten der Unterkunft vom Jobcenter oder Sozialamt übernommen werden. „Vor dem Hintergrund der immer weiter steigenden Mieten auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist dieses Vorgehen für die betroffenen Haushalte ein Schlag ins Gesicht“, so Geschäftsführerin Wibke Werner.
Zu diesen Rahmenbedingungen sei es bereits bislang nahezu unmöglich, eine Wohnung zu finden; viele Haushalte müssten einen „beträchtlichen Teil der Mietkosten aus dem Regelsatz finanzieren“, so der Mieterverein. Der Senat habe damit argumentiert, dass der Mietspiegel 2024 keinen signifikanten Anstieg der Mieten ausgewiesen habe. Nur: Bereits in einem halben Jahr wird der nächste Mietspiegel erwartet, der Vermietern erneut den Handlungsspielraum geben wird, die Mieten weiter zu erhöhen. (mit dpa)

















