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Vierschanzentournee-Sieger: Ein Superadler namens Tschofenig – Sport | ABC-Z

Manchmal wirkt es, als hätte der Wind, der um Schanzen bläst, ganz besondere Späße mit den Menschen vor. Der Wind, der am 6. Januar um die riesige Sprungschanze von Bischofshofen wehte, nahm seinem Einsatz jedenfalls offenbar sehr ernst: Er schaffte es, den letzten und wichtigsten Skispringer, den führenden Schwarzenberger Stefan Kraft, bei der Vierschanzentournee noch von Platz eins zu fegen.

Fast eine Viertelstunde konnte Kraft nicht springen. Er musste, auf der Schanze wartend, die Skier abschnallen, und man sah auf den von der Kamera gelieferten Bilder, wie er immer ernster und ratloser dreinschaute. Als er dann endlich grünes Licht bekam, die Spur herabglitt und zunächst nicht schlecht hinabsprang, brach seine Flugkurve plötzlich ab. Krafts Hoffnung, noch seinen dritten Tagessieg bei dieser Tournee zu erringen, platzte. Weshalb Kraft, starr vor Entsetzen, sich zu seinen Mitspringern begab und erst einmal mit niemandem sprach, war klar: Ihm war von den Lüften gerade sein zweiter Tourneesieg entrissen worden.

Während Kraft seinen Rückschlag verarbeiten musste, jubelten seine Teamkollegen über Platz eins und zwei

Die Szenerie blieb bizarr. Die 137,5 Meter reichten nicht: Während Kraft, 31, diesen Rückschlag tatsächlich verkraften musste, hüpften und feixten seine Mitstreiter neben ihm, weil sie erkannten, was passiert war. Die junge österreichische Springer-Generation hat sich zumindest für den Moment durchgesetzt. Die meisten österreichischen Zuschauer konnten Krafts Rückschlag gut verschmerzen, denn der Ausgang der 73. Vierschanzentournee blieb ein komplett österreichischer Erfolg: Am Ende siegte im vierten Springen in Bischofshofen Daniel Tschofenig (136,0 und 140,5 Meter) äußerst knapp mit einem Vorsprung von 1,4 Punkten vor Jan Hörl. Kraft wurde Dritter. Bester Deutscher war Andreas Wellinger auf dem neunten Rang. Und in derselben Reihenfolge stellten sich die drei dominierenden Österreicher dann auch aufs Tournee-Podest: Tschofenig (1194 Punkte) von Hörl (1193) und Kraft (1190).

Tschofenig hatte bei der Tournee schon das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen gewonnen, führte zur Halbzeit, war dann aber leicht zurückgefallen. Dieses Austria-Team mit seinem erfahrenen Anführer Kraft aus dem Pongau, mit dem erst 22-jährigen Tschofenig, mit Jan Hörl, 26, dazu dem routinierten Michael Hayböck, 33, und dem jungen Maximilian Ortner, 22, war nicht zu besiegen. Die Jüngsten haben gerade ein paar Jahre Erfahrung gesammelt, die beiden anderen Top-Ten-Springer sitzen seit mindestens zwölf Jahren regelmäßig auf dem Weltcup-Startbalken. Und nicht vergessen darf man, was noch in den Zentren der einzelnen Bundesländer vom Bodensee bis Niederösterreich und bis Kärnten gerade zum Sieger erzogen wird. Es ist wie im Traum für die Sport-Manager des Landes, wie die Superadler Vol. 2.

Superadler? Die echten waren ähnlich zahlreich. Sie flogen schon vor zwanzig Jahren, als sich ein Team formiert hatte, das ebenfalls von Sieg zu Sieg, von Podest zu Podest sprang und fast alle Plätze besetzte. Sie brachten grandiose Springer hervor, aber auch bald den Ehrgeiz und die Missgunst in den Reihen. Als starkes Zeichen galt zunächst der riesige Reisebus, mit dem diese Superadler aus Sicherheitsgründen von Weltcup zu Weltcup reisten und nicht wie vormals mit dem Auto. Der Bus hatte so viel Platz auf den Längsseiten, dass die Bilder des Teams in voller Zahl Platz hatten: Andreas Kofler, Wolfgang Loitzl, Thomas Morgenstern, Gregor Schlierenzauer, Martin Koch und in der Mitte Trainer Alexander Pointner.

Beim letzten Sprung geschlagen: Stefan Kraft wurde in Bischofshofen ein Opfer des Wartens und des Winds. (Foto: Georg Hochmuth/AFP)

Eine solche Phase überbordenden Erfolges könnte den Gegnern des Austria-Teams nun wieder drohen: Die deutsche Mannschaft, die eigentlich stets gute Springer hat, scheint etwa gerade in einer Phase mit weniger Erfolg zu fliegen. In Bischofshofen hatte sich immerhin Andreas Wellinger ein wenig Mut gemacht mit seinem starken Sprung im zweiten Durchgang. Pius Paschke, Zwölfter in Bischofshofen, hat immerhin noch als Sechster einen Platz unter den besten Zehn im Tournee-Gesamtergebnis ergattert. Warum ihn nach fünf Siegen zu Saisonbeginn seine lange Zeit starke Form plötzlich nicht mehr nach ganz vorne trug, wird wohl auch von Sportpsychologen zu klären sein. „Wir sind mit großen Ambitionen reingegangen, aber leider eher schlechter als besser geworden“, bilanzierte Bundestrainer Stefan Horngacher: „Österreich ist sehr weit vorne, alle anderen Nationen beißen sich die Zähne aus, auch wir. Das müssen wir akzeptieren.“

Trainer Andreas Widhölzl hat einen besonderen Führungsstil: Er nimmt sich Zeit und erklärt

Die Überlegenheit der Gruppe der aktuellen ÖSV-Springer ist das Problem des gesamten Weltcuptrosses. In dieser Gruppe ist keine Missgunst zu erkennen, kein Neid, keine Grüppchenbildung wie einst unter den Superadlern. Das könnte damit zusammenhängen, dass der Coach der österreichischen Mannschaft, Andreas Widhölzl, 48, noch die Zeiten der Superadler erlebt hatte. Widhölzls Führungsstil ist offenbar ein anderer: Er nimmt sich Zeit, erklärt schwierige Entscheidungen und erreicht damit das Vertrauen seiner Skispringer. Dass er weniger der Spaßmacher ist, sondern eher still und konzentriert wirkt, stört die Stimmung wohl nicht.

Widhölzl achtet dafür auf klare Ansprache. Jeder österreichischen Springer weiß, dass er in dieser Mannschaft aufgefangen ist. Er ist weniger ein spontaner Instinkttrainer als Vorgänger Alexander Pointner, der Coach der ersten Superadler, sondern schwört eher auf ständige Entwicklung, vor allem, was die vielen Talente auf dem Land betrifft. „Ich glaube, dass die Kommunikation mit den Trainern gut funktioniert und vieles Hand in Hand geht“, sagt er.

Das war bei den Superadlern, die ja auch so übermächtig waren, anders. Nach der erstaunlichen ersten Erfolgsphase rückte das Misstrauen in den Mittelpunkt, die Gegenpole Schlierenzauer und  Morgenstern hatten über Jahre ein wechselhaftes Verhältnis – einerseits bestichelten sie sich, andererseits brauchten sie einander für den Erfolg. Am Ende stand der Wunderwachs-Ärger, als nämlich nur Schlierenzauer ein brandneues Wachs bekam und nicht seine Mitspringer.

Bei Trainer Andreas Widhölzl, dem streng auf Gleichberechtigung und klare Ansprache bestehenden aktuellen Trainer, kann man sich solche Missgunst und Streitereien nicht mehr vorstellen. Das Resultat ist Österreichs erster Gesamtsieg seit 2015.

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