„Rust“ mit Alec Baldwin kommt ins Kino | ABC-Z

Berlin. Viel wurde über diesen Dreh geschrieben. Und prozessiert. Nun kommt der Western ins Kino. Als Hommage an die verstorbene Kamerafrau.
In einigen der ersten Bilder dieses Films stehen zwei Kinder an einem Grab. Zielt eines davon mit einem Gewehr auf einen bedrohlichen Wolf, drückt ab – hat aber keine Munition im Lauf. Einmal ermahnt Alec Baldwin ihn, er solle das nächste Mal an die Patronen denken. Und als der Junge ein zweites Mal abdrückt, erlegt es nicht den Wolf. Sondern aus Versehen einen Menschen.
Beim Dreh wurde im November 2021 die Kamerafrau erschossen
Man kann diese Szenen nicht mehr unschuldig schauen. Denn der Western „Rust – Legende des Westens“, der am 1. Mai in die Kinos kommt, ist längst in Schlagzeilen um die Welt gegangen. Weil die Kamerafrau Halyna Hutchins, die diese Bilder stark atmosphärisch eingefangen hat, dabei zu Tode gekommen ist. Durch einen Schuss während der Dreharbeiten. Alec Baldwin hat ihn abgegeben. Im Lauf waren aber keine Platzpatronen. Sondern scharfe Munition. Auch Regisseur Joel Souza wurde durch den Schuss verletzt, Hutchins aber erlag den Verletzungen. Und bald stand ihr Kind vor ihrem Grab.
Ein tragischer Drehunfall mit weitreichenden Folgen. Der Regieassistent und die noch junge und unerfahrene Waffenmeisterin wurden danach beschuldigt, die Sicherheitsregeln am Set nicht eingehalten zu haben, schließlich auch Baldwin selbst, der als Produzent des Films mitverantwortlich war. Die Angehörigen der Verstorbenen warfen der Produktion des Films Fahrlässigkeit aus Spargründen vor. Und Baldwin klagte seinerseits gegen die Waffenmeisterin, den Regieassistenten und die Munitionslieferanten – um seinen Ruf wiederherzustellen, weil er „zu Unrecht als „Verursacher dieser Tragödie angesehen“ werde.
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Der Regieassistent erhielt eine Geldstrafe, die Waffenmeisterin wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der Prozess gegen Baldwin aber wurde im Juli vergangenen Jahres, zweieinhalb Jahre nach dem Vorfall, eingestellt. Wegen eines Verfahrensfehlers. Kann man einen Film nach einer solchen Tragödie überhaupt fortsetzen? Baldwin und Souza fanden: Ja. Gerade, um Hutchins‘ Arbeit in Ehren zu halten. Aber so großartig die Bilder auch sind, die Hutchins dafür gefunden hat, liegt doch ein Schatten über ihnen, der diesen Film ganz anders rezipieren lässt.
„Rust“ zeigt eine Welt ohne jede Illusion, mit lauter schuldig gewordenen Menschen
Es ist ein Western aus Kindersicht. Und auch wenn das Filmgenre sonst weidlich ausgeschlachtet ist, ist das eine seltene Perspektive, für die man nur wenige Beispiele findet. „Mein großer Freund Shane etwa“ (1953), die beiden „True Grit“-Verfilmungen (1969 und 2010) oder zuletzt „Neues aus der Welt“ (2021 mit der Deutschen Helena Zengel). Wo ein Kind mit noch unschuldigen Augen in diese harte Welt, den wahrlich wilden Westen, blickt, in der man kein Kind sein darf, sondern allzu früh erwachsen wird.
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Ein Dreizehnjähriger lebt da in den 1882 im ländlichen Wyoming ganz allein mit seinem kleinen Bruder auf einer Farm. Und von Anfang ist man von diesem Lucas eingenommen, weil Broadway-Nachwuchsstar Patrick Scott McDermott ihn so rührend spielt. Man fühlt mit ihm, wenn er rührend versucht, sich und seinen Bruder allein durchzubringen in dieser rauen Welt. Man ist mit ihm schockiert, als er versehentlich einen Mann tötet. Und bangt dann mit ihm, als er vor Gericht steht und zum Tode verurteilt wird.
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Der Film beeindruckt immer wieder mit malerischen Einstellungen und starken Lichtstimmungen.
© Splendid Films | Splendid Films
Aber da dringt ein Fremder ins Gefängnis ein und entführt den Jungen. Dieser Fremde (Alec Baldwin) spricht nicht viel. Erst spät wird er gestehen, dass er der Vater von Lucas‘ Mutter ist, die vor ihm davongelaufen ist. Seinen Namen aber kennt jeder, weil Harland Rust ein gesuchter Raubmörder ist. Und so beginnt eine Odyssee durch die weite Prärie des Westens. Bei dem sich das Kind mit dem herrischen Alten arrangieren muss. Und beide verfolgt werden. Nicht nur von US-Marshals. Sondern auch von Kopfgeldjägern.
„Rust“: Alle töten hier. Aus Eigennutz. Im Auftrag des Gesetzes. Oder im Namen des Herrn
Es ist eine Welt ohne Werte oder Illusionen. In denen nur das Gesetz des Stärkeren gilt. Und alle Mörder sind. Der Unterschied ist nur, ob sie es aus Eigennutz tun, im Auftrag des Gesetzes oder gar, wie ein Killer (Travis Fimmel), der sich „Preacher“ nennt, im Namen Gottes. Und auch Institutionen erweisen sich als kalt und herzlos. Seien es die Gesetzeshüter, die einen Minderjährigen zum Tode verurteilen. Oder die Banken, die verarmten Farmern ihr Land wegnehmen wollen. Wie die Witwe mit ihrem kleinen Buben, denen der Grandpa mit seinem ihm erst nur widerwillig folgenden Enkel einmal begegnen. Aber auch der mürrische Alte selbst war mal, wie sich herausstellt, ein einfacher Farmer, bis er nach einer Flut die Schulden nicht mehr bezahlen wollte.
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Die Hauptfigur des 13-jährigen Lucas wird von Nachwuchshoffnung
© Splendid Films | Splendid Films
Was ist Recht, was Unrecht? Das weiß der Junge, der selbst unschuldig zum Schuldigen wurde, schon bald nicht mehr zu unterscheiden. Und ob Gesetzeshüter oder skrupelloser Kopfgeldjäger, auch das lässt sich nur schwer unterscheiden. Sind das am Ende doch alles nur Männer mit zerfurchten Gesichtern unterm verstaubten Hut, die kaum voneinander zu unterscheiden sind. Hier träumt keiner von einer Neuen Welt oder einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Niemandsland voller resignierter, gebrochener, traumatisierter Menschen, was auch als Spiegel der heutigen Verhältnisse dienen kann. Wie kann man da menschlich, wie kann man ehrlich sein, wenn es sonst keiner ist?
„Rust“: Ein starker und bewegender Film aus ungewöhnlicher Perspektiver
Baldwin, der die Story entwickelt hat, und Souza, der das Drehbuch geschrieben hat, malen da eine finstere Welt ohne Moral. Und Halyna Hutchins hat dafür wirklich überwältigende Bilder im Breitwandformat gefunden. Epische Aufnahmen und malerische Lichtstimmungen einer über alles erhabenen Landschaft, was dann immer wieder abrupt durchbrochen wird durch rohe Akte der Gewalt. Diesen Bildern vertraut der Film, dessen Drehbuch so wortkarg ist wie seine Figuren es sind, ganz.
Ein starker, atmosphärisch dichter und bewegender Film. Um den es doch schade gewesen wäre, hätte man ihn nicht zu Ende gebracht. Mit einer weiteren Frau hinter der Kamera, Bianca Cline. Vielleicht macht gerade das diesen Western so besonders: dass dieses klassische Männergenre nicht nur eine Kindersicht erzählt. Sondern auch mit weiblichem Blick gefilmt ist.
Western USA 2025, 139 min., von Joel Souza, mit Patrick Scott McDermott, Alec Baldwin, Travis Filmmel, Frances Fisher.