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VfL Potsdam: Jüngstes Team der Handball-Bundesliga kämpft um Klassenerhalt. – Sport | ABC-Z

Dass Bob Hanning viel um die Ohren hat, ist wahrlich nichts Neues. Als Trainer hat er den VfL Potsdam in der vergangenen Saison in die erste Handball-Bundesliga (HBL) geführt, zugleich verantwortet er als Geschäftsführer den Ligakonkurrenten Füchse Berlin. Gerade ist er gefordert, die Saison in der Champions League zu organisieren, die Füchse haben mit dem zweiten Platz in der Meisterschaft erstmals die Zugehörigkeit zum edelsten Kreis des europäischen Handballs verdient, alles Neuland, da ist viel zu tun. Kein Problem für einen wie Hanning, 56, Handball ist sein Leben, die Arbeit wird ihm nie zu viel.

Immerhin hat er das Potsdamer Traineramt in die Hände von Emir Kurtagic übergeben, welchen er dem Deutschen Handball Bund (DHB), zu dem Hanning als jahrelanger Vizepräsident ebenfalls beste Beziehungen unterhält, abspenstig gemacht hat: Kurtagic war bis vor Kurzem für die U18/19-Auswahl verantwortlich.

Der Deutsch-Bosnier war Hannings Wunschkandidat. Die Aufgabenstellung beim VfL ist nämlich eine sehr ähnliche wie im DHB-Nachwuchs: Der 44-Jährige soll mit der jüngsten Mannschaft, die je in der Bundesliga gespielt hat, den Klassenerhalt realisieren. Und natürlich mischt Hanning, der den VfL Potsdam aus der dritten Liga in die Eliteklasse geführt hat, auch weiterhin in verantwortlicher Position mit: Als Head of Sport ist er nach wie vor sehr nah am Team. Nicht ganz uneigennützig, denn Potsdam und die Füchse Berlin unterhalten seit einem Jahrzehnt eine Kooperation, die sich nun auf nie dagewesene Weise ausgezahlt hat. Die beiden U21-Weltmeister Max Beneke und Torhüter Lasse Ludwig, die von Berlin an Potsdam ausgeliehen waren, haben sich derart prächtig entwickelt, dass sie fortan den Füchse-Kader bereichern. Die Dienste von Spielmacher Moritz Sauter hat sich im HSV Hamburg ein weiterer Topklub gesichert.

Potsdam verliert seine Besten und füllt den Kader vorwiegend mit Talenten des Kooperationspartners auf

Das war die Grundidee Hannings, er wollte Potsdam als „Team Deutschland“ etablieren, dort sollten Juniorennationalspieler Spielerfahrung in der international besten Liga sammeln, sich so für höhere Aufgaben wappnen. Es blieb bei der Idee, wie der Funktionär erkennen musste: „Das ist nicht auf die erhoffte Resonanz gestoßen“, sagt Hanning, die avisierten Zweitligisten würden sportlichen Zwängen unterliegen, aus der ersten Liga sei nur die MT Melsungen „proaktiv an uns herangetreten“. Folglich bleibt es eben bei der Kooperation mit Berlin. Der Potsdamer Kader wurde nach den Weggängen der Besten mit einer ganzen Reihe an Füchsen-Talenten wie Nicolas Paulnsteiner, Max Günther, Torhüter Frederik Höler, Marvin Siemer oder Nicholas Schley ergänzt. Keine großen Namen, keine gestandenen Zugänge anderer Klubs, sondern ausschließlich Hochtalentierte, die beim VfL die Gelegenheit bekommen, Spielpraxis auf höchster Ebene zu sammeln und sich so zu entwickeln.

Im besten Fall für die Füchse, die für sich das Prädikat in Anspruch nehmen, mit einer großen Anzahl an Eigengewächsen den Zugang zur europäischen Spitze geschafft zu haben. Einen Interessen-Konflikt sieht Hanning nicht: „Die einen spielen um die Meisterschaft die anderen um den Klassenerhalt, es sind zwei völlig unabhängige Vereine mit eigenen Identitäten.“ Für die titelambitionierten Füchse zähle jeder Punkt, wie bitteschön solle man den Partner denn unterstützen? „Das ist eine Kooperation und keine Fusion“, sagt Hanning.

Gegenwart und Zukunft: Füchse-Nationalspieler Nils Lichtlein (li.) stoppt im Testspiel Potsdams Nicolas Paulnsteiner. Der ist von Berlin ausgeliehen und soll im besten Fall einmal für die Füchse spielen. (Foto: Foto Lächler/Imago)

Potsdams Saisonstart ist nicht unbedingt sonderlich gut gelungen, erst unterlag der VfL im Pokal dem Zweitligisten Rostock, dann ging der Ligaauftakt in eigener Halle mit 26:28 gegen den Mitaufsteiger SG BBM Bietigheim schief. Kurtagic spricht von einem Prozess: „Da müssen wir jetzt durch.“ Hanning spricht von einer realistischen Chance auf den Klassenerhalt „von 15 bis 20 Prozent“. Das Pokal-Aus sei „nicht in Ordnung“ gewesen, die Niederlage gegen Bietigheim unnötig: „Das Spiel hätten wir gewinnen müssen.“ Zur Einordnung: Bietigheim hat erfahrene Erstligaakteure in seinen Reihen, vor der Saison kamen etwa der Spanier Gonzalo Pérez Arce vom polnischen Meister und Champions-League-Teilnehmer Wisla Plock, in Julius Kühn wurde ein 2016er Europameister verpflichtet. In Potsdam stehen acht Spieler des Jahrgangs 2002 und jünger, drei weitere sind unter 25 Jahre alt und damit schon erfahrene Akteure, dazu eine Handvoll „Routiniers“, keiner älter als 27.

Der erste Vergleich mit Berlin steht am 1. Dezember in Potsdam an, am Donnerstag gastiert der VfL bei der MT Melsungen, einem jener hoch subventionierten Erstligaklubs, gespickt mit Auswahlspielern vieler Nationalitäten. Die Herangehensweise? „Wir wollen dort natürlich gewinnen“, sagt Hanning, er sei nach wie vor, so oft es seine Zeit zulasse, beim VfL im Training, und da beobachte er „Leidenschaft pur“. Das schwierigste sei derzeit für die Spieler, sich an das Verlieren zu gewöhnen, erklärt Hanning, denn in den vergangenen drei Jahren gab es fast ausschließlich Erfolgserlebnisse. Es gehe darum, wie schnell „die Jungs es schaffen, die Liga zu adaptieren“, schließlich habe man in der Vorsaison schon „das gesamte Establishment aus den Fugen gehoben“. Zu beweisen gebe es nichts mehr: „Wir sind mit der jüngsten Mannschaft aller Zeiten aufgestiegen“, sagt Hanning, auch der Abstieg würde kein Problem darstellen.

Denn ändern würde sich nichts, erklärt der Sportdirektor: Die Mannschaft würde im Kern zusammenbleiben, ein paar Spieler zu Erstligisten wechseln, die Kooperation unverändert weiterlaufen. Eine komfortable Ausgangssituation, wie Hanning findet: „Wir müssen vor nichts Angst haben und niemand anderem gefallen. Sondern nur uns.“

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