Klingbeil stellt Union Ultimatum: Fragen zu Nichtstaatliche Organisation-Geldern belasten Gespräche mit SPD schwer | ABC-Z

Klingbeil stellt Union Ultimatum
Fragen zu NGO-Geldern belasten Gespräche mit SPD schwer
26.02.2025, 20:21 Uhr
Die Demos gegen Rechts und die CDU nach dem gemeinsamen Schulterschluss mit der AfD haben Parteichef Merz nicht gefallen. Die Unionsfraktion stellt deshalb mehr als 550 Fragen zu beteiligten NGOs wie Campact, Correctiv oder Omas gegen Rechts. Für die SPD ein „Foulspiel“. Ein Racheakt, sagt ein Experte.
Eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die staatliche Unterstützung von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) belastet die bevorstehenden Gespräche mit der SPD über die Bildung einer Koalition. Der neue SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil sprach von einem „Foulspiel“ und forderte Union auf, die Anfrage zurückzuziehen. „Ich kann mir keine Situation vorstellen, wo wir morgens in Arbeitsgruppen zusammensitzen und über die Investitionen in die Bundeswehr, in die Bahn oder Infrastruktur diskutieren. Und nachmittags erlebe ich, dass die Union genau solche Anfragen rausschickt und Organisationen, die unsere Demokratie schützen, an den Pranger stellt“, sagte der SPD-Co-Chef.
Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg verteidigte dagegen die Anfrage. „Mit unserer Kleinen Anfrage wollen wir prüfen, ob einzelne NGOs sich … steuerlich rechtmäßig verhalten“, teilte er mit. „Oder werden sie eventuell auch parteipolitisch eingesetzt. Das wäre dann nicht okay und darauf genau beziehen sich unsere Fragen“, so Middelberg gegenüber RTL/ntv.
Die Union wirft etlichen NGO vor, Proteste gegen „Rechts“ organisiert zu haben, obwohl sie staatlich subventioniert oder steuerlich begünstigt werden. Hintergrund ist die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD beim Thema Migration im Bundestag im Januar. Dies hatte bundesweit große Demonstrationen zur Folge, an denen Hunderttausende teilnahmen. Ihr Protest richtete sich nur gegen die AfD, sondern auch die Union. In der Folge schickt die Union insgesamt 551 Fragen unter dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ an die Regierung. Das Bundesfinanzministerium in Berlin bestätigte den Eingang. Eine Sprecherin sagte, die Anfrage werde jetzt mit Hochdruck bearbeitet. Eine Bewertung könne sie aber noch nicht vornehmen.
„Ich bin wirklich entsetzt“
Im Vorspann der Anfrage von CDU/CSU heißt es: „Hintergrund sind Proteste gegen die CDU Deutschlands, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden.“ Dies werfe die Frage auf, „inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden.“ Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte, „dass natürlich nur Projekte gefördert werden und gefördert werden können, die ganz klar die freiheitlich-demokratische Grundordnung fördern“.
Der Geschäftsführer von Campact, Felix Kolb, zeigte sich bei RTL/ntv „wirklich entsetzt, dass unser zukünftiger Kanzler nicht verstanden hat, dass man in einer Demokratie auch mit Widerspruch und Kritik rechnen muss“. Der Verein bekomme außer einer Steuerbegünstigung zudem kein Geld vom Staat.
SPD: Union muss Vertrauen aufbauen
Zahlreiche Fragen der Union beziehen sich auf das teilweise mit Steuergeld finanzierte journalistische Recherche-Netzwerk „Correctiv“. Die Chefredakteurin, Anette Dowideit, sagte: „Ich finde, dass diese Anfrage ein ziemlich großes demokratisches Problem darstellt, und zwar aus mehreren Gründen.“ Es werde dadurch ein Narrativ der AfD genutzt und in den gesellschaftlichen Mainstream übertragen, dass eine gemeinnützige Organisation per se etwas wäre, vor dem man sich fürchten müsse, sagte sie RTL/ntv. „Das finde ich demokratisch höchst gefährlich.“ Kritik kam auch vom Deutschen Journalistenverband (DJV).
Middelberg erklärte dagegen, politische Bildung sei nicht förderbar, „wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen“. Dies hätten Finanzgerichte in steuerrechtlichen Verfahren etwa gegen Organisationen wie Campact und Attac in den vergangenen Jahren mehrfach betont. „Zivilgesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar und förderungswürdig“, betonte Middelberg. „Allerdings darf öffentlich gefördertes Engagement nicht zu parteipolitischen Zwecken eingesetzt werden.“
In der SPD, die ebenfalls zu Demonstrationen gegen die AfD aufgerufen hatte, wird die Unions-Anfrage unmittelbar nach der Bundestagswahl als unfreundlicher Akt angesehen. Dabei müsse die Union Vertrauen mit dem künftigen Koalitionspartner aufbauen, wenn es überhaupt zu einer Regierung kommen solle, hieß es.
„Das ist Schikane“
Der Politikwissenschaftler Cord Schmelzler von der Universität Frankfurt bewertet die parlamentarische Anfrage als Racheaktion. „Ich glaube, Friedrich Merz fühlt sich angegriffen durch die Proteste, die sich ja nicht nur abstrakt gegen rechts gerichtet haben, sondern auch gegen seine Politik. Speziell sein Manöver im Bundestag, mit den Stimmen der AfD ein Antimigrationsgesetz zu verabschieden. Und das scheint mir jetzt eine Racheaktion dafür zu sein“, sagte er RTL/ntv mit Blick auf den CDU-Chef. „Das ist Schikane.“ Die Union nutze ein parlamentarisches Prozedere, um Druck auf diese Organisation auszuüben.
Grüne, Linke und SPD kritisierten das Vorgehen von CDU/CSU ebenfalls. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Union kopiere „Form und Stil der AfD“. Die Anfrage offenbare „die autoritären Züge der Union“. CDU/CSU versuchten, Vereine wie „Omas gegen Rechts“ unter Druck zu setzen und ihnen Angst zu machen.