Vertrauensfrage vor Weihnachten: Scholz tritt gegen Lindner nachdem, Merz verweist er an Mützenich | ABC-Z
Die Vertrauensfrage vor dem 15. Januar stellen? Für Scholz “kein Problem”, falls sich Oppositionsführer Merz und SPD-Fraktionschef Mützenich einig werden. Ansonsten zeigt sich der Kanzler bei “Caren Miosga” immun gegen Kritik – schließlich sei FDP-Chef Lindner an allem schuld.
Olaf Scholz braucht Friedrich Merz, um noch einige Wochen lang regieren zu können. Deshalb konnte der Oppositionsführer den Bundeskanzler zu einem Zugeständnis bewegen. Scholz geht auf Merz’ Forderung ein, die Vertrauensfrage als Grundlage für Neuwahlen möglichst noch vor dem 15. Januar zu stellen. “Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem”, sagt Scholz in der Talkshow “Caren Miosga”.
Die Entscheidung darüber legt Scholz in die Hände seines Fraktionschefs Mützenich. Falls sich Genosse Mützenich mit Merz auf ein Datum noch in diesem Jahr einige, werde Scholz das Vereinbarte umsetzen. Der kommende Mittwoch, an dem er seine Regierungserklärung abgibt, komme für ihn jedoch nicht infrage, stellt der Kanzler klar. Merz hatte das Datum ins Spiel gebracht. Wird es am Ende die letzte Plenarwoche im Dezember? Dann würde die Neuwahl nur einige Wochen früher stattfinden – Anfang statt Ende März.
Zunächst muss aber ausbaldowert werden, was die CDU anzubieten hat, sollte der Wahltermin vorgezogen werden. Mützenich verlangt im Gegenzug von der größten Oppositionspartei, in den kommenden Wochen im Bundestag Mehrheiten für Gesetze zu sichern, die noch verabschiedet werden sollen, wie er der “Süddeutschen Zeitung” sagte. Die demokratischen Parteien im Bundestag müssten die verbleibenden Wochen dazu nutzen, Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort und den sozialen Zusammenhalt, aber auch für die Sicherung demokratischer Institutionen zu ergreifen, so Mützenich.
Scholz: “Niemand macht alles richtig”
Eben damit begründete Scholz bereits am Mittwoch einen Wahltermin im Januar: Er wolle bis dato noch wichtige Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen, etwa den Schutz des Verfassungsgerichts oder die Entlastung der Industrie. Das betont er auch bei Miosga immer wieder. Merz stellte aber bereits klar, er sei erst gesprächsbereit, nachdem Scholz die Vertrauensfrage gestellt habe.
Scholz’ Entgegenkommen in der Talkshow signalisiert: Merz kann ihm – zumindest teilweise – den Takt vorgegeben. Damit ist klar: Der Kanzler ist auf den Oppositionsführer angewiesen, um seine Regierungszeit nach vielen Turbulenzen so geordnet und würdevoll wie möglich zu Ende zu bringen.
Scholz ist in einer äußerst schwachen Position. Schließlich flog die erste bundesweite Ampel-Regierung unter seiner Ägide auseinander. Miosga versucht ihr Möglichstes, Scholz zu einem Eingeständnis zu bewegen, inwiefern er am Scheitern Schuld trage. Doch da ist sie bei ihm an der falschen Stelle. “Niemand macht alles richtig”, entgegnet ihr der Kanzler. Und: “Ich stehe dazu, dass ich mich immer wieder bemüht habe, Kompromisse möglich zu machen, bis an die Grenzen dessen, was auch mit meinen Überzeugungen vereinbar ist.” Selbstkritik sieht anders aus.
Mehrheit der SPD-Anhänger will Pistorius als Kanzlerkandidat
Er wolle ja nicht immer ausweichen, sagt Scholz mehrere Male – tut es dann aber unentwegt. Miosga wirkt stellenweise fast schon gequält, wenn sie die x-te Gegenfrage stellt und von Scholz wieder ausgebremst wird. Scholz bleibt auch stoisch, als Miosga ihn auf das Brandenburger Sondierungspapier des BSW und der SPD-Parteigenossen anspricht; genauer auf die Kritik an Scholz’ Entscheidung, Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Alles kein Problem für Scholz. Auch die Brandenburger SPD stehe voll hinter ihm und seiner Ukraine-Politik, sagt der Kanzler. Dann verliert er sich plötzlich in Ausführungen, er wolle keine nuklearen Waffen in Deutschland stationieren.
Jetzt muss Miosga kurz laut lachen. “Das kenne ich von ihnen, dass sie etwas anderes sagen, als ich von Ihnen wissen will”, platzt es aus ihr heraus. Auch Scholz lacht kurz – und sagt erstmal nichts. Miosga gibt nicht auf: “Es ist ihnen also egal, was die Brandenburger SPD macht?” Doch Scholz verzieht noch immer keine Miene: “Ich sehe mich von meiner Partei in dieser Frage getragen, obwohl das eine sehr schwierige Frage ist.”
So geschlossen steht seine Partei aber gar nicht hinter Scholz. Und auch die Mehrheit der SPD-Anhänger wünscht sich Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat bei der vorgezogenen Neuwahl. Das ergibt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL/ntv. 58 Prozent der Befragten befürworten Pistorius – Scholz dagegen nur 30 Prozent. Die Kandidatenfrage könnte unter den Genossen vor der Wahl also nochmal an Fahrt aufnehmen.
Scholz stört Lindners “Indiskretion”
Darüber spricht Scholz aber nicht. Warum er gesagt habe, Merz sei ihm als Gegenkandidat recht, will Miosga jetzt wissen. Zwischen beiden gebe es große Unterschiede in Charakter und Temperament, antwortet Scholz, genauer: “Ich finde mich etwas cooler, wenn es um Staatsangelegenheiten geht, um es mal so höflich zu sagen, wie es mir gerade gelingt.” Er grinst und wirft den Kopf in den Nacken. Hofft Scholz im Wahlkampf etwa auf ein für Merz typisches Fettnäpfchen, wie dessen Aussagen zur Zusammenarbeit mit der AfD im Sommer letzten Jahres?
Bei Miosga jedenfalls hofft Scholz vor allem eines: FDP-Chef Christian Lindner als Alleinschuldigen für das Ampel-Aus darzustellen. Erst am Mittwoch hatte er Lindner mit unbarmherzigen Worten als Finanzminister entlassen. In der Sendung hackt er weiter auf ihm herum. Er bleibt bei seiner Darstellung, Lindner habe in den Haushaltsverhandlungen innere gegen äußere Sicherheit ausspielen wollen; er habe etwa Rentenkürzung vorgeschlagen, um die Ukraine-Hilfen zu finanzieren. Dies sei für ihn “unzumutbar” gewesen, darauf beharrt Scholz. Er habe stets “gute Miene zum ziemlich bösen Spiel” in der Ampel-Regierung gemacht, sei für Kompromisse “an die Grenzen” seiner eigenen Überzeugungen gegangen. Das klingt ein bisschen nach Scholz als dem Opfer der Ränkespiele in der Regierung. Scholz jedoch taugt als Regierungschef nicht für die Opferrolle – schließlich hätte es an ihm gelegen, Lösungen zu finden.
Ein interessantes Detail erzählt Scholz dann doch noch: Er habe Lindner insbesondere wegen dessen “Indiskretion” die Zusammenarbeit aufgekündigt, die ihn schon “sehr aufgeregt habe”. Als ein Beispiel nennt er die an die Presse lancierten Gutachten über kreditfinanzierte Darlehen für die Bahn und die Autobahngesellschaft während der Haushaltsverhandlungen im August. Besonders krumm nimmt Scholz Lindner, dass dieser die “Indiskretion” auch mitten im Sommerurlaub nicht unterließ. Der Konflikt sei schon lange dagewesen. “Es hat mir gereicht”, sagt Scholz. Viele hätten ihm geraten, als Kanzler auch mal auf den Tisch zu hausen. Den Rat habe er befolgt. Scholz erklärt den Zuschauern also ausführlich, warum sie aus seiner Sicht nicht Lindners FDP wählen sollen. Warum aber sollten sie ihr Kreuz bei Scholz machen? Das dürfte den meisten noch immer nicht einleuchten.