Wirtschaft

Ben & Jerry‘s: Streit über Gaza-Aufruf – Unilever hat wieder Ärger mit der Eismarke | ABC-Z

Der europäische „Knorr“-Konzern Unilever hat wieder einmal Ärger mit seiner US-Eis-Tochter Ben & Jerry‘s. Und wieder geht es um den Israel-Palästina-Konflikt. Der Grund: Unilever hatte den Gründern der US-Eismarke bei der Übernahme vor 24 Jahren vertraglich versprochen, das Unternehmen dürfe weiterhin soziale Missionen verfolgen. Dass es dabei so stark um das Streitthema Nahost gehen würde, war damals nicht klar.

Der Vorstand von Ben & Jerry‘s beschuldigt die Muttergesellschaft Unilever nämlich nun, entgegen der Vereinbarung zum Schweigen gebracht zu werden, sobald er es sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt. Unilever habe die Eismarke viermal daran gehindert, öffentlich zu einem Waffenstillstand in Gaza aufzurufen. Der Konzern habe damit sein Versprechen gebrochen, die Tochtergesellschaft dürfe seine sozialen Initiativen selbst auswählen. Das schreibt der unabhängige Vorstand von Ben & Jerry‘s in rechtlichen Dokumenten, die beim US Southern District Court eingereicht wurden.

Unilever habe damit gedroht, den Vorstand aufzulösen und einzelne Mitglieder zu verklagen, falls Ben & Jerry‘s eine solche Erklärung abgeben würde. Dabei habe die Eismarke nur Frieden und einen Waffenstillstand unterstützt, heißt es in der Klageschrift. Überdies habe der britisch-niederländische Konsumgüterkonzern die Aktivismus-Manager von Ben & Jerry‘s daran gehindert, einen Social-Media-Beitrag zu veröffentlichen. Darin sollte es um Palästinenser, die vor dem Konflikt fliehen, gehen – schließlich unterstütze Ben & Jerry‘s seit langem Flüchtlinge, heißt es in der Klageschrift.

Der Leiter des Unilever-Eiscremegeschäfts, Peter ter Kulve, habe angegeben, dass die Maßnahmen des Unternehmens von der Sorge über Antisemitismus angetrieben wurden, heißt es in dem Dossier. Er habe gewarnt, dass als antisemitisch wahrgenommene Äußerungen dem Konzern schaden könnten.

„Unser Mitgefühl gilt allen Opfern der tragischen Ereignisse im Nahen Osten“, ließ Unilever durch einen Sprecher mitteilen. „Wir weisen die Behauptungen des Social Mission Board von Ben & Jerry‘s zurück und werden uns mit aller Entschiedenheit verteidigen.“

Ben & Jerry‘s war 1978 von den Amerikanern Ben Cohen und Jerry Greenfield gegründet worden. Als Bio-Unternehmen positionierten sie die Eismarke als Hersteller mit einer Mission – passend zum damaligen linksliberalen Zeitgeist in Teilen der USA. Für viele Eisliebhaber rechtfertigte das offenbar einen höheren Preis. Das machte die Marke attraktiv für Unilever, das sie im Jahr 2000 übernahm. Es galt als Experiment, ob politisches Sendungsbewusstsein und Konzernkultur zusammenpassen. Der Versuch steht nun offenbar kurz vor dem Scheitern.

Die erneuten juristischen Auseinandersetzungen sind nur die jüngste Entwicklung in einem Streit, der Unilever seit 2021 verfolgt, als der Hersteller von Eis-Sorten wie „Peace Pops“ und „Pecan Resist“ bekannt gab, dass er den Verkauf in jüdischen Siedlungen im Westjordanland einstellen werde. Die daraus resultierende politische Kontroverse verärgerte die Aktionäre von Unilever und führte schließlich dazu, dass der Konzern seine Eiscreme-Sparte in Israel an einen lokalen Hersteller verkaufte.

Der „Axe“-Hersteller Unilever ist ohnehin inzwischen dabei, seine Speiseeis-Sparte mit Marken wie Langnese und eben Ben & Jerry‘s auszugliedern. Sie passt nicht mehr recht zum übrigen Geschäft. Der Vorgang dürfte auf einen Verkauf hinauslaufen. Dabei ist unklar, ob die ungewöhnliche Vereinbarung zu Ben & Jerry‘s auf neue Eigentümer übertragen werden würde.

Minor Myers, Professor an der University of Connecticut School of Law, sagte der Agentur Reuters, dass der Streit die Bewertung den Wert der Eissparte senken könnte – insbesondere, falls ein Finanzinvestor oder Unilever-Konkurrent sie kaufen sollte. „Die Situation von Ben & Jerry‘s wäre für jeden möglichen Käufer ein Thema“, sagte der Experte.

Im Jahr 2022 verklagte der Vorstand der Marke den Unilever-Konzern bereits wegen Verletzung der Fusionsvereinbarung aus dem Jahr 2000, die Ben & Jerry‘s die Kontrolle über seine soziale Mission zugestand. Der Streit wurde Ende 2022 vertraulich beigelegt. Teil dieser Vereinbarung ist, dass Ben & Jerry‘s in Israel als eigenständiges Unternehmen agieren kann.

Der nun veröffentlichte, stark geschwärzte Vergleich zeigt: Unilever hat sich damals verpflichtet, fünf Millionen Dollar in zwei Raten an humanitäre und Menschenrechtsorganisationen zu zahlen, die von der Beirats-Vorsitzenden Anuradha Mittal ausgewählt werden sollten. In der Klage vom Mittwoch heißt es, dass Unilever allerdings Spenden an die linke „Jüdische Stimme für den Frieden“ und den „Rat für Amerikanisch-Islamische Beziehungen“ in San Francisco blockiert hat.

Im Februar erklärte der Vorstandsvorsitzende von Unilever, Hein Schumacher, gegenüber Bloomberg TV, dass Unilever keine Stellung zu komplexen Themen wie dem Krieg in Gaza beziehe. Ben & Jerry‘s habe jedoch einen unabhängigen Ausschuss für soziale Aufgaben habe, der „gelegentlich seine Meinung äußert“.

Unilever und andere Unternehmen haben in Ländern mit muslimischer Mehrheit wie Indonesien Umsatzeinbußen erlitten, weil die USA und Europa sich nicht stärker für die Beendigung der israelischen Offensive in Gaza eingesetzt haben. Es kursieren umfangreiche Boykott-Listen gegen vermeintliche Unterstützer Israels.

In der Klage von Ben & Jerry‘s heißt es, dass Unilever an israelische Organisationen gespendet und in anderen Zusammenhängen keine neutrale Haltung eingenommen hat, vor allem in Bezug auf den Einmarsch Russlands in der Ukraine. Der Konzern sei also nicht generell politisch neutral.

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