Verhandeln mit Putin?: Kiesewetter wirft Scholz vor, an “Lebenslügen” festzuhalten | ABC-Z
Verhandeln mit Putin?
Kiesewetter wirft Scholz vor, an “Lebenslügen” festzuhalten
09.09.2024, 11:28 Uhr
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Der Kanzler fordert eine Diskussion darüber, “wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen”. CDU-Außenpolitiker Kiesewetter ist empört. Scholz’ Vorwurf passe in die SPD-Strategie, Kiew in einen “Scheinfrieden” zu drängen, die Zeitenwende des Kanzlers sei eine Farce.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat Bundeskanzler Olaf Scholz für seine Ankündigung kritisiert, sich auf diplomatischer Ebene intensiver um eine Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zu bemühen. “Der Vorstoß des Bundeskanzlers war absehbar, denn er passt in die Strategie von Teilen der SPD, die Ukraine sehr subtil in einen von Russland festgelegten Scheinfrieden zu drängen, in dem die Unterstützung schrittweise zurückgefahren wird und stattdessen Scheinverhandlungen gefordert werden”, sagte der Bundestagsabgeordnete der “Bild”-Zeitung.
Dass Scholz auch Russland bei einer nächsten Ukraine-Friedenskonferenz dabeihaben wolle, sei falsch, sagte der frühere Bundeswehroffizier. “Scholz will sich damit als Friedenskanzler schmücken, verschlimmert jedoch die Situation für die Ukraine und schwächt somit europäische und deutsche Sicherheit.” Zudem gehe der Kanzler russischer Desinformation und Propaganda auf den Leim, was “absolut bitter” sei und zeige, dass Scholz weiter an deutschen Lebenslügen festhalte, sagte Kiesewetter. “Seine Zeitenwende ist somit Farce und Geschichte.”
Scholz hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag gesagt: “Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht.” Auf die Frage, ob es eine weitere Friedenskonferenz geben solle, antwortete er: “Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben. Und der (ukrainische) Präsident und ich sind einig, dass es auch eine sein muss mit Russland dabei.”
Die Ukraine versucht, einen eigenen Friedensplan von der Weltgemeinschaft absegnen zu lassen. Bei der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz im Juni stimmten bereits zahlreiche Länder diesem Plan zu, allerdings ist Russland nicht in diese Verhandlungen eingebunden. Der Friedensplan aus Kiew sieht den Abzug russischer Truppen aus allen Gebieten der Ukraine vor, einschließlich der Krim. Daneben soll Russland Reparationszahlungen zustimmen. Zuletzt sollen sich alle Verantwortlichen für den Krieg in Moskau – Politiker und Militärs gleichermaßen – vor einem internationalen Gericht verantworten.
Peskow: “Derzeit gibt es keinerlei Substanz”
Im Juli berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die Ukraine aktiv an einer zweiten Friedenskonferenz arbeite, an der diesmal auch Russland beteiligt sein solle. Sie solle möglichst noch vor der US-Wahl im November stattfinden. Der Kreml reagierte damals abweisend. Auf einem Gipfel mit Russland und der Ukraine gebe es zurzeit nichts zu bereden, sagte Sprecher Dmitri Peskow. “Derzeit gibt es keinerlei Substanz.”
Zuvor hatte der Kreml als Bedingung für Friedensgespräche gemacht, dass sich die Ukraine aus ihrem eigenen Land zurückzieht – das heißt aus den vier von Russland annektierten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson – und auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichtet. Dies käme allerdings einer Kapitulation gleich. Auch forderte Moskau eine “Entnazifizierung” – womit der Kreml die Absetzung der demokratisch gewählten Regierung in Kiew meint.
In der vergangenen Woche erklärte sich dann Russlands Präsident Wladimir Putin zu Verhandlungen mit der Ukraine bereit. “Wenn es (in der Ukraine) den Wunsch nach Verhandlungen gibt, werden wir uns nicht verweigern”, sagte Putin am Donnerstag bei einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok. “Sind wir bereit, mit ihnen zu verhandeln? Wir haben uns nie geweigert”, sagte Putin mit Blick auf mögliche Friedensverhandlungen mit der von Russland angegriffenen Ukraine. Gesprächsgrundlage müssten allerdings die Verhandlungen vom Frühjahr 2022 in Istanbul sein. Nach der ukrainischen Offensive in Kursk hatte Putin allerdings Verhandlungen mit der Ukraine ausgeschlossen.
Der russische Ex-Präsident und stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates, Dimitri Medwedew, erklärte außerdem im Juli, dass Russland weiterkämpfen würde, auch wenn die Ukraine die russischen Bedingungen für eine Waffenruhe annehmen würde. Konkret schrieb der Hardliner, selbst wenn nach Friedensgesprächen die “Papiere” unterzeichnet wären und “die Niederlage akzeptiert wird” – wofür er anscheinend einen Regierungswechsel in Kiew voraussetzt – würden die “verbliebenen Radikalen nach einer Umgruppierung der Kräfte früher oder später wieder an die Macht kommen”. Das wäre die Zeit für Russland, “die Bestie endgültig zu zerschlagen”. Als “Radikale” sieht die russische Führung die bei ihr verhasste prowestliche Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj und deren Anhänger.
Zudem forderte Medwedew, die verbliebenen ukrainischen Gebiete “in den Schoß des russischen Landes” zurückzuführen. Konkret bedeutet das: die gesamte Ukraine zu erobern und unter russische Herrschaft zu stellen, nicht nur die vier östlichen Regionen.