Verdacht auf Sabotage: Wieder beschädigtes Unterseekabel in der Ostsee – Politik | ABC-Z

In der Ostsee wurde erneut ein Unterseekabel beschädigt, diesmal zwischen Lettland und Schweden. Es handelt sich um ein Datenkabel, das vom staatlichen lettischen Radio- und Fernsehzentrum genutzt wird. Die lettische Premierministerin Evika Siliņa sagte nach dem möglichen Sabotageakt, dass höchstwahrscheinlich ein erheblicher äußerer Schaden entstanden sei und man sich mit dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato und den Ostseeanrainerstaaten abstimmen werde. Schwedische Sicherheitsbehörden teilten der Süddeutschen Zeitung auf Anfrage mit, dass wegen möglicher schwerer Sabotage ermittelt werde und ein verdächtiges Schiff festgesetzt worden sei. Auch die Nato sei in die Ermittlungen eingebunden. Die Beschädigung des Datenkabels ereignete sich in der ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens.
Seit Ende vorigen Jahres hatten immer wieder mutmaßliche Sabotageakte der sogenannten russischen Schattenflotte an Kabeln und Leitungen in der Ostsee für Schlagzeilen gesorgt. Die Schäden sollen gezielt durch Schiffsanker verursacht worden sein, wie zuletzt mutmaßlich im Dezember durch den Öltanker Eagle S, der unmittelbar nach dem Vorfall von Finnland beschlagnahmt wurde. Bei der russischen Schattenflotte handelt es sich um Tanker und andere Frachtschiffe mit undurchsichtigen Besitzverhältnissen, die Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine zur Umgehung der Sanktionen nutzt.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte will nicht ins Detail gehen, „damit der Feind nicht klüger wird“
Um die Präsenz der Nato und den Schutz der Infrastruktur in der Ostsee zu verstärken, haben die Bündnispartner bei einem Gipfel in Helsinki Mitte Januar die Operation „Baltic Sentry“ ins Leben gerufen. Neben Fregatten und Patrouillenschiffen sollen dabei auch Drohnen zum Einsatz kommen. Nato-Generalsekretär Mark Rutte sagte, man wolle nicht ins Detail gehen, „damit der Feind nicht klüger wird“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte Unterstützung zu, auch mit deutschen Schiffen. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch die Schattenflotte sei Deutschland bereit, „mit seinen eigenen Möglichkeiten“ Verantwortung zu übernehmen. Am 10. Januar wurde der Stab „Commander Task Force Baltic“ aktiviert, der die Aktivitäten von Rostock aus koordiniert.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums koordinierte der Stab am Wochenende in Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden der betroffenen Staaten die Nato-Aktivitäten im Ostseeraum. Damit ist auch Deutschland an den Seekabel-Ermittlungen beteiligt. „Der Vorfall zeigt erneut, wie verwundbar die kritische Unterwasserinfrastruktur ist“, sagte ein Regierungssprecher am Montag. Für die Bundesregierung sei es ein zentrales Anliegen, die Präsenz der Nato in der Ostsee zu erhöhen und den Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur zu verbessern. Deutschland habe nach Angaben eines Außenamtssprechers konkrete Vorschläge für das Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel gemacht, bei dem das Thema diskutiert werden soll. Der litauische Außenminister Kęstutis Budrys schrieb mit Blick auf das Außenministertreffen auf der Social-Media-Plattform X, die Situation erfordere „rasche Lösungen“, und er erwarte „substanzielle Diskussionen“.
„Handelsschiffe sind keine Kriegsschiffe.“
Der Außenpolitiker der Union Roderich Kiesewetter kritisiert derweil auf X, dass die Bundeswehr ihre Fähigkeiten noch nicht an die Bedrohungslage angepasst habe – anders als etwa Frankreich, das dafür autonome Unterwasserdrohnen habe: Die Bundeswehr habe keine rechtlichen Befugnisse zum Schutz kritischer Infrastrukturen, da dieser und die Überwachung primär in der Zuständigkeit ziviler Landes- und Bundesbehörden liege, heißt es in einem Antwortschreiben des Verteidigungsministeriums an ihn. Kiesewetter fragt auf X: „Wie lange wartet man denn, bis über eine Anpassung oder einen Spannungsfall nachgedacht wird – hybride Angriffe durch RUS/CHN sind ja unübersehbar?“
Der Besitzer eines verdächtigen Frachters schließt inzwischen eine Beteiligung seines Schiffes nicht aus, da einer der Anker bei einem Sturm über den Meeresboden gezogen worden sei und möglicherweise das Datenkabel beschädigt habe. Dies sei nicht absichtlich geschehen. Trotzdem, die Frage bleibt: Unternimmt die Nato genug in der Ostsee?
„Die Verbündeten tun zumindest ihr Bestes“, sagt Sicherheitsexperte Johannes Peters. Doch letztlich habe die Nato im maritimen Bereich „zu viele Aufgaben für zu wenige Einheiten“. Auch wenn sich die Vorfälle häufen, hält Peters, der am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel forscht, es für unwahrscheinlich, dass der Bündnisfall ausgerufen wird. „Handelsschiffe sind keine Kriegsschiffe“, sagt er. Sie unterliegen völkerrechtlich dem internationalen Seerechtsübereinkommen. Bei möglichen Sabotageangriffen dieser Schiffe in internationalen Gewässern auf privatwirtschaftliche Akteure gebe es eine Rechtslücke, die geschlossen werden müsse, sagt Peters. „Aber es ist illusorisch zu glauben, dass das schnell passieren wird.“