Wirtschaft

Verbände BDI und BDEW fordern Staatsgeld fürs Stromnetz | ABC-Z

Die deutsche Wirtschaft ist es leid, dass die Politik ständig Strompreissenkungen verspricht, aber nicht liefert. In einem ungewöhnlichen gemeinsamen Appell fordern daher der Industrieverband BDI und der Energieverband BDEW die Bundesregierung dazu auf, die Entgelte für die Übertragungsnetze aus dem Budget zu subventionieren. Den steigenden Netzkosten müsse „mit einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt begegnet werden“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW, Kerstin Andreae, der F.A.Z.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie BDI, Holger Lösch, stellte klar, dass auch Privatkonsumenten entlastet werden müssten. „Ein Zuschuss bei den Übertragungsnetzentgelten ergibt wirtschaftlich und politisch Sinn: Davon profitieren alle Verbraucherinnen und Verbraucher, egal ob Haushalt oder Wirtschaft“, sagte Lösch dieser Zeitung.

Zuletzt griff der Staat 2023 für die Netze in die Tasche, die Hilfszahlung für 2024 von 5,5 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds ließ sich nach dem Veto des Verfassungsgerichts dann nicht mehr aufrechterhalten. Jetzt wird überlegt, einen Teil der freigewordenen zehn Milliarden Euro an Staatshilfen für den Chiphersteller Intel, der den Bau seines Werks in Magdeburg verschoben hat, heranzuziehen. Die Verbände sagen indes nicht, an welche Töpfe sie denken.

Energiepolitik gefährdert Konsum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit

Lösch ist aber überzeugt, dass sich der Bundeszuschuss in jedem Falle auszahlt: „Das stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Akzeptanz der Energiewende.“ Aus Sicht der Wirtschaft sind die hohen Belastungen nicht länger hinnehmbar. Sie gefährdeten den Konsum, die Investitionen und die internationale Konkurrenzfähigkeit. Seit 2022 hätten sich die Netzentgelte für Industriekunden annähernd verdoppelt, „und es ist keine Entlastung in Sicht“, heißt es in dem Appell. „Dies hat auch weitreichende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie.“ Für einen mittelständischen Betrieb stiegen die Netzentgelte zwischen 2022 und 2025 um 0,7 Millionen Euro, für einen größeren Industriekunden um 2,2 Millionen Euro.

Die Energiewirtschaft und die Industrie bekennen sich in dem Aufruf zu dem doppelten Ziel, die Transformation zur CO2 -Neutralität voranzutreiben, aber gleichzeitig den Industriestandort zu erhalten. Die Klimakrise verschärfe sich, weshalb der Wirtschaftsumbau immer mehr Geld erfordere. Zugleich erschwerten die hohen Energiekosten aber die Investitionen in genau diese Transformation. Das gelte vor allem für die Netzentgelte. Der Aus- und Umbau der Netze sei zwar unverzichtbar, „mit jedem Cent erhalten wir ein Stück modernster, zukunftsfähiger und notwendiger Infrastruktur“, sagte Andreae. Das Geld fließe aber nicht nur in die Leitungen, sondern auch ins sogenannte Redis­patch oder Netzengpassmanagement. Damit sind Kosten zur Aufrechterhaltung der überregionalen Stabilität in Zeiten gemeint, in denen die erneuerbaren Energien zu viel oder zu wenig einspeisen.

Dieser Aufwand treibt Andreae zufolge die Entgelte am meisten in die Höhe, obgleich es sich dabei gar nicht um originäre Netzkosten, sondern um solche handele, die durch die politisch und gesellschaftlich gewollte Transformation entstünden. In der Branche spricht man analog zu den „versicherungsfremden Leistungen“ im Gesundheitswesen, die der Bund trägt, schon von „netzfremden Leitungen“.

Lösch sagte, der Übergang von fossilen Energieträgern zu Strom und zu grünem Wasserstoff gelinge nur zu wettbewerbsfähigen Konditionen. Die Systemkosten seien aber jetzt schon hoch und dürften weiter wachsen: „Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Transformationsaufgabe ist ein Zuschuss aus Bundesmitteln in die Infrastruktur notwendig.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich für Staatszuschüsse ausgesprochen, doch will Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Intel-Milliarden lieber zum Stopfen von Haushaltslöchern nutzen. Aus Regierungskreisen verlautete, Scholz wolle Industriebetriebe möglichst schnell entlasten und habe auch genaue Vorstellungen zur Art der Finanzierung und zur Höhe.

Bevor er Senkungen ankündige, wolle er diese aber erst regierungsintern vorstellen. Wichtig sei, dass die Netzentgeltzuschüsse im Rahmen der Haushaltsregeln blieben. In Berlin werden die Beschlüsse in den kommenden Monaten erwartet, damit die Stromkosten 2025 in breiter Front sinken können – rechtzeitig im Wahljahr.

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