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Verändern Drohnen das Schlachtfeld grundlegend? | ABC-Z

Seit Beginn des Ukrainekrieges spielen unbemannte Fluggeräte eine wichtige Rolle – für Moskau und für Kiew. Sie sind billig und können erheblichen Schaden anrichten, selbst modernste Kampfpanzer sind nicht vor ihnen sicher. Zudem sind Drohnen unerlässlich für die Überwachung und Aufklärung der Front. Laut Fachleuten ist der Ukrainekrieg der erste großflächige Konflikt, in dem eine derart hohe Anzahl an unbemannten Fluggeräten eingesetzt wird.

Gerade die Ukraine sticht im Abwehrkampf gegen Russland durch Innovationen in der Drohnentechnologie hervor: Selbstentwickelte Seedrohnen haben der russischen Schwarzmeerflotte stark zugesetzt; mit Langstreckendrohnen hat Kiew dem Besatzer Wirkungstreffer weit hinter der Front zugefügt.

„Grundprinzipien der Kriegsführung werden bleiben“

Mancher Beobachter erwartet deshalb, dass Drohnen die moderne Kriegsführung grundlegend verändern und ein „Gamechanger“ werden. Wadym Sucharewskyj sieht das anders. Seit Juni ist er Befehlshaber der neuen ukrainischen Drohnenstreitkraft. Eine eigene Truppengattung für unbemannte Systeme ist weltweit einzigartig: „Das ist die einschneidendste Veränderung in der militärischen Organisation seit der Schaffung der Luftstreitkräfte“, sagte Sucharewskyj dem „Economist“.

Der ukrainische Drohnenchef geht aber nicht davon aus, dass unbemannte Fluggeräte die Grundprinzipien der Kriegsführung verändern werden. „Militärische Operationen hängen immer noch von kombinierten Waffen ab, und auch andere Arten von Truppen werden weiterhin genauso wichtig sein.“ Drohnen würden traditionelle Truppen zwar ergänzen, durch bessere Aufklärung sowie präzisere Angriffsmöglichkeiten – und gleichzeitig das Risiko für die eigenen Soldaten verringern. Aber die primäre Rolle von Infanterie und Artillerie bleibe unangetastet, betonte der Drohnenkommandeur.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Analyse der Hoover Institution der Stanford University in Kalifornien: Drohnen und andere technologische Fortschritte hätten die Kampffähigkeiten der Streitkräfte verbessert – das ändere aber nichts an der zentralen Bedeutung der Bodentruppen. Der Ausgang des Ukrainekrieges hänge davon ab, ob es der einen Seite gelinge, die andere hinsichtlich militärischer Personalstärke und wirtschaftlicher Produktion zu übertrumpfen.

Haben zu Kriegsbeginn noch größere Drohnen eine Rolle gespielt – wie auf ukra­inischer Seite die türkischen Bayraktar –, setzen Kiew und Moskau nun überwiegend auf kleinere Modelle, insbesondere auch auf kommerzielle Drohnen. Sie sind leicht zu bedienen, einfach zu beschaffen und billig. Anders als größere Drohnen, die sich als relativ leichtes Ziel für die gegnerische Abwehr erwiesen haben, fliegen die kleineren Fluggeräte in niedriger Höhe. Sie sind gerade in großer Anzahl schwer abzufangen. Laut der Hoover Institution werden kleine Drohnen hauptsächlich dazu eingesetzt, Ziele für Artillerie-, Raketen- und Bodenangriffe ausfindig zu machen. Das schränke auch die Bewegungsfreiheit von feindlichen Kampf- und Versorgungsfahrzeugen ein.

Andererseits sind kleine Drohnen anfällig für elektronische Gegenmaßnahmen. Beide Kriegsparteien haben ihre Fähigkeiten in diesem Feld seit Kriegsbeginn verbessert. Moskau und Kiew versuchen, feindliche Drohnen abzuwehren, indem sie das Funksignal zwischen Drohne und Drohnenpilot stören (Jamming) oder dem Fluggerät falsche Signale und Koordinaten vorgaukeln (Spoofing).

Gerade für Russland sei dies eine „kritische Komponente“ in der Kriegsführung, schreibt das britische Forschungsinstitut RUSI in einer Analyse über Moskaus Kriegstaktiken im Jahr 2023. Russland habe damals an der Frontlinie etwa alle zehn Kilometer mindestens ein größeres System zur elektronischen Kriegsführung stationiert. Diese seien in der Regel gegen Drohnen gerichtet.

Mit KI-gesteuerten Drohnen die Störsender überwinden?

Die Forscher heben die Effektivität des russischen Shipovnik-Aero-Systems hervor, das mittels Jamming Drohnen bekämpft. Das russische Militär setze zudem massiv auf die Störung der ukrainischen Navigation. Das alles habe zum Verlust von etwa 10.000 ukrainischen Drohnen im Monat beigetragen. Kiew wiederum reagierte offenbar auf die zunehmenden elektronischen Angriffe. Drohnenchef Sucharewskyj sagte dem „Economist“, dass die Ukraine Künstliche Intelligenz (KI) einsetze, wenn die Verbindung zwischen Drohne und Drohnenpilot verloren geht. Aber der Einsatz von KI sei spezialisiert und begrenzt.

Sucharewskyj zeigt sich grundsätzlich skeptisch gegenüber KI und Versprechen von „Killerdrohnenschwärmen“, die ohne menschliche Kontrolle agierten. „Als Kommandeur werde ich niemals den Großteil der Entscheidungsfindung an die KI abtreten.“ Wenn es aber in ferner Zukunft eine solche Entscheidung brauche, „werden wir sie sorgfältig prüfen“.

Fachleute sprechen von einem „Katz-und-Maus-Spiel“ im Technologiewettlauf zwischen Drohnen und Drohnenabwehr. Unbemannte Fluggeräte müssten ständig weiterentwickelt werden, um sich gegen elektronische Angriffe zu schützen, sagt Militärfachmann Nico Lange der F.A.Z. Etwa indem sie die Kommunikationsfrequenz wechselten oder mit mehreren Navigationssystemen ausgestattet seien. Lange geht dennoch davon aus, dass Drohnen die „Ökonomie der Kriegsführung“ fundamental geändert haben. „Wenn man das nicht beherrscht, kann man keinen Krieg mehr gewinnen.“ Aber letztlich gehe es „natürlich darum, ein Territorium oder ein Ziel einzunehmen“. Und dafür brauchten Streitkräfte Artillerie sowie mechanisierte Kampfverbände und Infanterie, die am Boden kämpfen. Man dürfe das eine nicht gegen das andere aufwiegen. „Die Kombination wird die moderne Kriegsführung prägen.“

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