Ver.di legt Flughäfen lahm: Was Reisenden wegen des Warnstreiks bevorsteht | ABC-Z

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Hunderttausende Menschen werden ihre Flugreise am Montag nicht antreten können: Ver.di hat zu bundesweiten Warnstreiks an Flughäfen aufgerufen. In Hamburg ging es schon los. Wo überall gestreikt wird – und welche Rechte Reisende haben.
Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes erhöht die Gewerkschaft ver.di noch einmal den Druck. Nach Aktionen in Sozialstationen, Krankenhäusern oder bei der Müllabfuhr sind an diesem Montag viele Flughäfen in Deutschland Zielscheibe eines ganztägigen Warnstreiks – mit erheblichen Folgen für Reisende.
Wie groß sind die Auswirkungen?
Der Flugverkehr wird in weiten Teilen des Landes zum Erliegen kommen. Nach einer ersten Schätzung des Flughafenverbands ADV fallen voraussichtlich mehr als 3.400 Flüge aus, rund 510.000 Passagiere können ihre Reisen gar nicht antreten oder zumindest nicht wie geplant. ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel spricht von einem Horrorszenario für Fluggäste. Die Warnstreiks hätten „weitreichende Folgen für die individuelle Mobilität und die Wirtschaftsabläufe“.
Wo und wann wird gestreikt?
Der Warnstreik beginnt am Montag, 10. März, um 0.00 und soll bis 23.59 Uhr dauern. Dann sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der Bodenverkehrsdienste an den folgenden Flughäfen zum Warnstreik aufgerufen. Regional gibt es aber auch andere Startzeitpunkte. Den Anfang machte Hamburg: Hier wird unangekündigt schon am heutigen Sonntag der Flughafen lahmgelegt, pünktlich zu Ferienbeginn.
Hamburg: Am Hamburger Flughafen fallen nach Angaben einer Sprecherin bereits heute alle weiteren Flüge aus. Heute waren dort ursprünglich 144 Ankünfte und 139 Abflüge geplant, davon konnten den Angaben zufolge heute Morgen nur rund zehn Flüge stattfinden. Die restlichen Abflüge und Ankünfte für den Tag seien gestrichen. Ursprünglich sollte der Warnstreik am Hamburger Flughafen am Sonntagabend mit der Nachtschicht beginnen und bis zum Ende der Spätschicht am Montag andauern.
München: Vom Flughafen heißt es, dass am Montag eine erhebliche Einschränkung des regulären Passagierverkehrs zu erwarten ist. Von den insgesamt rund 820 geplanten Flugbewegungen am Münchner Airport werden die Airlines voraussichtlich den größten Teil annullieren, hieß es. Passagieren werde dringend empfohlen, sich über den Flugstatus bei Ihrer Airline zu informieren. Für Dienstag, den 11. März, erwartet der Flughafen wieder einen weitgehend regulären Flugbetrieb.
Stuttgart: Auch am Flughafen Stuttgart sind Mitarbeitende mehrerer Serviceunternehmen und Flugzeugabfertigungsgesellschaften aufgerufen, deren Mitarbeitende zum Beispiel beim Check-in oder beim Transport von Fluggästen und deren Gepäck eingesetzt sind. Fluggäste müssen damit rechnen, dass die Airlines möglicherweise nur einen Teil der geplanten Flüge durchführen werden. Wer für diesen Tag einen Flug ab Stuttgart gebucht hat, sollte sich online zu seinem Flugstatus informieren oder sich mit der Airline oder dem Reiseveranstalter in Verbindung setzen. Ursprünglich geplant waren am Flughafen Stuttgart für den Montag 177 Bewegungen.
Frankfurt/Main: Der größte deutsche Flughafen in Frankfurt am Main warnt: „Alle Aufgaben, die einen vollumfänglichen Flugbetrieb ermöglichen, sind aufgrund des Streiks ausgesetzt. Ein Beginn der Reise in Frankfurt wird nicht möglich sein.“ Passagiere sollen am Montag gar nicht erst zum Flughafen kommen. Auch das Umsteigen von Transitpassagieren sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von den Auswirkungen betroffen“und könne nicht stattfinden. Laut Fraport waren für Montag eigentlich etwa 1.170 Flugbewegungen mit mehr als 150.000 Passagieren geplant.
Berlin-Brandenburg: Der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) stellt den regulären Flugbetrieb vollständig ein. Sämtliche geplanten Abflüge und Ankünfte können am Montag nicht stattfinden, wie der Flughafen am Freitag mitteilte. Demnach waren für Montag je 246 An- und Abflüge geplant, mit etwa 67.000 Passagieren.
Fluggästen werde empfohlen, sich bei ihrer Fluggesellschaft oder ihrem Reiseveranstalter über Möglichkeiten zu Umbuchungen und alternativen Reisemöglichkeiten zu informieren.
Köln/Bonn: Der 24-Stunden-Streik soll laut ver.di um 4 Uhr am Montagfrüh beginnen. Der Airport Köln/Bonn teilte mit, man rechne mit massiven Auswirkungen auf den Flugbetrieb und mit Flugausfällen. Am Montag sollte es an dem Standort eigentlich 81 Starts und 79 Landungen geben – es dürften wohl deutlich weniger werden. Die Passagiere wurden gebeten, sich vor Anreise bei ihrer Airline oder ihrem Reiseveranstalter zu informieren. Erfahrungsgemäß könne es auch, so der Airport, über den Streikzeitraum hinaus zu Problemen im Flugplan kommen.
Düsseldorf: Der Streik ist laut der Gewerkschaft von Montagfrüh ab 3 Uhr vorgesehen und soll bis 24 Uhr andauern. Der Warnstreik wird zu deutlichen Beeinträchtigungen des Flugbetriebs führen, teilte der Flughafen mit. Es ist mit Verzögerungen, Verlegungen und Annullierungen von Flügen zu rechnen. „Bitte erkundigen Sie sich vor der Anreise zum Flughafen bei Ihrer Airline oder dem Reiseveranstalter nach dem Status Ihres Fluges“, hieß es weiter. Zudem wird am Sonntag, den 09. März 2025 kein Late Night Check-in angeboten.
Dortmund: Auch am drittgrößten Flughafen in Nordrhein-Westfalen wird gestreikt: Wegen des geplanten Streiks wird nach Angaben des Flughafens kein regulärer Flugbetrieb stattfinden können. „Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Fluggesellschaft oder Ihrem Reiseveranstalter und sehen von einer Anreise zum Flughafen ab“, hieß es dort. Der Warnstreik ist nach ver.di-Informationen am Montag von 3 Uhr morgens bis 24 Uhr vorgesehen.
Hannover: Am Flughafen Hannover wird am Montag kein regulärer Flugbetrieb am Hannover Airport stattfinden, hieß es auf der Flughafenseite. Der Airport bittet alle betroffenen Passagiere, Kontakt mit ihrer Fluggesellschaft oder ihrem Reiseveranstalter aufzunehmen.
Bremen: Der Bremer Flughafen geht davon aus, dass am Montag keine Flüge stattfinden werden. Betroffen sind demnach Ferienflieger genauso wie Geschäftsreisende. Mit einigen Streikauswirkungen müsse aber auch in Bremen schon am Sonntag und auch am Dienstag gerechnet werden, so ein Sprecher des Airports . Zum ganztägigen Streik aufgerufen ist das Personal, das nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt wird.
Leipzig-Halle: Der Flughafen wird von 5 Uhr Montagfrüh bis Dienstag um 7 Uhr morgens gestreikt. Die Mitteldeutsche Flughafen AG bat Passagiere, sich bei ihrer Fluggesellschaft zu Umbuchungen und alternativen Reisemöglichkeiten zu informieren. Laut aktuellem Flugplan waren am Montag 13 Ankünfte und 14 Abflüge geplant, am Dienstag könnten noch zwei Frühflüge betroffen sein.
Außerdem ruft ver.di in einem anderen Tarifkonflikt zeitgleich dazu auch das Luftsicherheitspersonal zum Warnstreik auf. Dieser Aufruf gilt zusätzlich auch an den Flughäfen Weeze bei Düsseldorf und Karlsruhe/Baden-Baden.
Warum liegt fast der ganze Flugbetrieb lahm?
Bei den einst kommunalen Flughafenbetreibern wird noch ein größerer Teil des Personals nach den Tarifregeln des öffentlichen Dienstes beschäftigt. Auch für die Bodenverkehrsdienste wird parallel ein Branchentarifvertrag verhandelt. Zwar sind nicht alle Beschäftigten an Flughäfen im öffentlichen Dienst. Allerdings ist das stark arbeitsteilige System eines Flughafens anfällig bei Arbeitsniederlegungen, weil sämtliche Einheiten nur in enger Zusammenarbeit den sicheren Betrieb gewährleisten können. Fällt eine Gruppe aus, steht der gesamte Betrieb still.
Welche Rechte haben Flugreisende?
Bei streikbedingtem Flugausfall oder einer Verspätung von mehr als drei Stunden muss die Fluggesellschaft Reisenden eine alternative Beförderung zum Ziel anbieten. Oft werden sie automatisch auf einen anderen Flug umgebucht. Oder die Airline bietet an, das Flugticket in eine Bahnfahrkarte umzuwandeln. Das passiert vor allem bei gestrichenen Flügen innerhalb Deutschlands. Hängen Passagiere streikbedingt länger am Flughafen fest, müssen Fluggesellschaften Betreuungsleistungen erbringen, etwa in Form von Gastronomiegutscheinen für Getränke und Snacks vor Ort.
Bekomme ich auch Geld zurück?
Die EU-Fluggastrechte-Verordnung sieht bei Verspätungen ab drei Stunden am Zielort sowie kurzfristigen Flugabsagen unter gewissen Voraussetzungen Ausgleichszahlungen von 250 bis 600 Euro pro Passagier vor. Ob Passagiere diese Gelder bei Flugproblemen infolge eines Warnstreiks einfordern können, hängt vereinfacht gesagt davon ab, wer konkret streikt.
Sind wie am Montag Teile des Flughafenpersonals in einem Warnstreik, sind die Aussichten auf Entschädigungen eher schlecht. Anders kann der Fall liegen, wenn Mitarbeitende einer Airline streiken. Der Anspruch auf Ersatzbeförderung besteht in jedem Fall und unabhängig davon, ob Passagieren auch eine Entschädigungszahlung zusteht.
Sind am Montag nur Flughäfen betroffen?
Zwar werden bundesweit vor allem die Flughäfen bestreikt, in einigen Ländern sind am Montag und teils darüber hinaus aber auch andere Branchen betroffen. In Düsseldorf zum Beispiel trifft es die Rheinbahn, in Hamburg unter anderem Kliniken, Kitas und die Stadtreinigung.
Warum wird derzeit so viel gestreikt?
Im Moment laufen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Mit den Warnstreiks erhöht die Arbeitnehmerseite den Druck auf die Arbeitgeber. Zahlreiche Berufsgruppen gehören dem öffentlichen Dienst an, viele von ihnen legten im Laufe der aktuellen Tarifrunde bereits die Arbeit nieder, zum Beispiel in Kliniken, Rettungsstellen, Pflegeheimen oder dem öffentlichen Nahverkehr. Auch Flughäfen waren vereinzelt schon betroffen – aber nicht in dem nun bevorstehenden Ausmaß. Die nächste Verhandlungsrunde – die dritte – beginnt am 14. März in Potsdam.
Was wollen die Gewerkschaften?
Die Gewerkschaft ver.di fordert in den Tarifverhandlungen von Bund und Kommunen unter anderem acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber monatlich 350 Euro mehr pro Monat sowie höhere Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten. Außerdem verlangt die Gewerkschaft drei zusätzliche freie Tage.
Und was will die Gegenseite?
Den kommunalen Arbeitgebern ist das zu teuer. Die Kernforderungen würden für die Kommunen Mehrkosten von rund elf Prozent bedeuten oder jährlich fast 15 Milliarden Euro, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Niklas Benrath. Das sei angesichts leerer Kassen und hoher Verschuldung nicht darstellbar. Besonders kritisch sehe man die geforderten zusätzlichen freien Tage. Sie würden zu Einschränkungen in den kommunalen Dienstleistungen führen, meinte der Verbandsvertreter. Ein konkretes Angebot haben die Arbeitgeber bisher allerdings nicht vorgelegt.
Wie geht es nach Montag weiter?
In einzelnen Bundesländern werden verschiedene Branchen teils auch nach Montag bestreikt. Ende der Woche verhandeln die Tarifparteien dann weiter. Nach dem Willen der Arbeitgeber soll diese Verhandlungsrunde eine „tragfähige Lösung“ bringen. Einigen sich die Parteien, wäre erst mal Schluss mit den Warnstreiks. Ob das gelingt, ist offen.