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Veitshöchheimer Fasching: Oti Schmelzer hört auf – er war der Star der Frankenfastnacht – Bayern | ABC-Z

Gesichtsausdruck und Tonfall widerlegen die Vermutung, dass da einer nur einen Gag raushauen will, der seit 2011 zu den Stars der Fastnacht in Franken gehört. Jener vom Bayerischen Fernsehen live übertragenen Prunksitzung des Fastnacht-Verband Franken (FVF) aus Veitshöchheim. Als Sandmännchen, Struwwelpeter, Münchhausen oder Kaspar trat Schmelzer dort schon auf, stets in opulenten Fantasiekostümen und mit der Ziehharmonika. Als schräger „Multifunktionsfranke“ (Schmelzer) ist er zuständig für größtmögliche Blödelei. Bei der Show an diesem Freitag wird er seine Version vom Hutmacher aus Alice im Wunderland auf die Bühne der Mainfrankensäle bringen. Es wird sein 16. Auftritt sein und ein ganz besonderer. Allein schon, weil es sein letzter ist.

Oti Schmelzer hört auf. Nicht als Komiker, da will er weiter durch die Lande touren und nicht nur auf Fastnachtsbühnen auftreten. Aber eben nicht mehr vor den vier Millionen Zuschauern bei der fränkischen Fernsehfastnacht, dem Quotenrenner des BR. Wenn es am schönsten sei, solle man aufhören, sagt er. Lieber ein selbstgewählter Abgang auf dem Höhepunkt, als irgendwann einmal aussortiert oder gar von der Bühne gejagt werden. Und außerdem: Er habe doch auch sonst so viel zu tun. Mit seinem Weinberg, seinem Hof, seiner privaten Kleinkunstbühne. Aber auch mit der Autobahn und mit sich selber.

Ein früher Nachmittag im Februar. Oti Schmelzer hat nur vier Stunden geschlafen. Mehr brauche er selten, erzählt er. Er hatte Nachtschicht bei der Autobahnmeisterei im unterfränkischen Knetzgau. Seit Jahrzehnten fährt Schmelzer im Hauptberuf als Straßenwachtfahrer die Autobahn zwischen Schweinfurt und Bamberg rauf und runter. Im Winter räumt er sie von Schnee frei und streut, im Sommer schneidet er die Sträucher und mäht das Gras am Straßenrand. Kommt er von der Schicht nach Hause, auf den kleinen Hof in Oberschwappach, den er mit 23 Jahren von seinen Eltern überschrieben bekam, wartet sein Weinberg. 1140 Quadratmeter klein, aber groß genug für etwa 7000 Flaschen Wein im Jahr. „Der Weinberg ist mein Rückzugsgebiet“, sagt er. „Da kann ich meditieren, nachdenken und bin mit meinem Schöpfer allein.“

Oti Schmelzer hat schon viele Rollen eingenommen – die des Baron Münchhausen… (Foto: Ralf Wilschewski)
… oder als „Frankomantsche“ (Foto: Philipp Kimmelzwinger)

Oti Schmelzer gehört zu der Kategorie Komiker, die mühelos einen ganzen Saal zum tränenreichen Lachen bringen können, abseits der Bühne aber neben Humor Nachdenklichkeit und Ernsthaftigkeit ausstrahlen. Er liebt Poesie („ich bin ein Fan von Goethe“) und schreibt auch selbst, liest hintergründig-ironische Literatur oder in der Bibel, und betet als gläubiger Katholik zu Gott. „Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger und friedfertiger Mensch“, sagt Schmelzer. Und nicht nur, wenn er im Fernsehen über seinen Wunsch-Himmel spricht, wirkt er wie einer, der zutiefst zufrieden ist mit seinem Dasein.

Dabei liegen hinter ihm 64 Lebensjahre mit allerhand Brüchen, Wandlungen und Hürden. Ein Elternhaus, das es dem jüngsten von drei Brüdern nie leicht gemacht hat. Eine Lehre als Elektriker, die er abbrach, als Chef und Chefin tödlich verunglückten. Eine Ausbildung zum Gärtner und anschließend einige Zeit in Gochsheim, in der er vom Friedhofsgärtner zum Totengräber wurde. Dann die Zusatzausbildung zum Winzer. Und der Job bei der Straßenmeisterei. Klos reinigen an Autobahnparkplätzen, obwohl er doch längst Star der Frankenfastnacht ist? Na und, sagt Schmelzer, daheim müsse man doch auch seine Toilette sauber halten.

„Ich war immer froh, dass ich meine Autobahn und meinen Weinberg hatte“, sagt er. Und die „Bescheuerte Weindunstbühne“, die er auf seinem Hof in Oberschwappach eingerichtet hat. Ein Mansardensaal mit viel Holz und Wohnzimmeratmosphäre. Hier tritt nicht nur er regelmäßig auf; auch viele Künstler der Fastnacht in Franken gastierten hier schon. Unter denen ist Schmelzer beliebt und angesehen. Als er bei einem internen Treffen vorigen Sommer seinen Rückzug angekündigt habe, hätten die anderen aus Anerkennung stehend applaudiert. „Ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen“, sagt Schmelzer. Und außerdem: Auch als Straßenwachtfahrer geht er in diesem Jahr noch in den Ruhestand.

„Er ist ein einfühlsamer und kluger Künstler, der weiß, wie die Menschen ticken“, sagt Anja Miller, die als neue Leiterin des BR-Studio Franken erstmals die Fastnacht in Franken verantwortet. „Dieses Wissen kombiniert er mit seinem herrlichen Steigerwälder Dialekt. Zu Recht wird er von Freunden ‚Volks-Philosoph‘ genannt.“ Oti Schmelzer habe „über viele Jahre die Fastnacht in Franken mit originellen Kostümen, witzigen Reden und natürlich mit seinen musikalischen Einlagen bereichert“, sagt Marco Anderlik, Präsident des FVF und erinnert an „viele wunderbare Auftritte. Er wird auch in Zukunft Teil unserer Fastnacht-Familie bleiben“.

Das ist Oti Schmelzer seit Teenagerzeiten. Da tobte er sich schon auf fränkischen Fastnachtsbühnen aus. Als seine spätere Frau einmal dazu drängte, ein Jahr auszusetzen, „wäre ich fast gestorben“, sagt Schmelzer vor der Lebenslinien-Kamera. Die Ehe wurde später geschieden. Fangemeinde und Auftrittsradius wuchsen. 1999 trat er zum ersten Mal bei der Fastnacht in Franken auf, als kurzfristiger Vertreter für einen anderen Komiker. Dann war für ihn Veitshöchheim-Pause. Seit 2011 ist er ununterbrochen dabei. Seine Kostüme entwarf er immer selbst und ließ sie von Freunden maßschneidern.

1987 strahlte der BR die Prunksitzung zum ersten Mal aus. Eine Show mit zwei Bühnen: Eine reale für die Künstler und eine zweite (im übertragenen Sinn) für die Politiker im Saal. Allein die Frage, in welcher Kostümierung Markus Söder kommt, sorgt jedes Jahr für Spekulationen im Vorfeld und küchenpsychologische Interpretationen im Nachgang. Söders Kostüm ist bis zur Sendung stets ein gut gehütetes Geheimnis. Auch sein Kabinett und die Oppositionsführer treten verkleidet an. Einer sticht heraus, allein weil er seit Jahren stoisch immer in dieselbe Rolle schlüpft: Innenminister Joachim Herrmann kommt als schwarzer Sheriff – pardon, als US-Marshall.

Die Besonderheit an diesem Freitag ist die Nähe zur Bundestagswahl zwei Tage später. Sie sei „ein Segen, denn das wird enorme Aufmerksamkeit auslösen“, sagt BR-Studioleiterin Miller. Der hitzige Wahlkampf liefert den Künstlern reichlich Stoff für Satire, sei es für Büttenredner Peter Kuhn, Michl Müller, Volker Heißmann und Martin Rassau, Ines Procter, Matthias Walz oder die Altneihauser Feierwehrkapell’n. Und Oti Schmelzer? „Ich möchte einfach ein wenig Lachen in die Welt bringen“, sagt er.

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